Meinungsbranche und Regierung kämpfen mit
Verboten um verlorenes Ansehen
Seit
neuestem soll es Menschen geben, die falsche Nachrichten in die Welt setzen,
„Fake News“, wie der besorgt-weltgewandte Berliner Großkoalitionär aufzusagen
weiß. „Fake News“-Verbreiter sollen mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft
werden, fordert der zuständige Sozialdemokrat und Justizminister Heiko Maas.
Bis zu fünf Jahre Knast. Klingt irgendwie nach „Lügenpresse“ von der anderen
Seite.
Aber, das
wäre mal ein Anfang, könnte man denken. Maas’ Genosse Scharping beispielsweise,
der als Kriegsminister in Jugoslawien 1999 den „Hufeisenplan“ aufdeckte. Das
war ein Kriegsverbrechen, wie sein damaliger Chef Gerhard Schröder später
zugegeben hat. Es war ein Kriegsverbrechen, das in der Verbreitung einer Lüge
bestand. Statt des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosewic hätten
Scharping, Schröder und der damalige deutsche Außenminister Joseph Fischer in
Den Haag einsitzen müssen. Nur fünf Jahre – aber besser als nichts.
Und wenn
es der armen Frau Clinton schon so übel ergeht, trotz CIA und NSA, um wie viel
schlimmer muss es denn erst bei der armen Frau Merkel sein? Oder bei dem armen
Herrn Gabriel? Wie sollen die honorigen Großkoalitionäre noch Wahlen gewinnen,
wenn im Internet, und zwar nicht nur von russischen Hackern, „postfaktisch“
gelogen wird, dass sich die Balken biegen? Wenn Hinz und Kunz (oder Russia
Today) behaupten können, die erfolgreichste Bundesregierung aller Zeiten sei in
Wirklichkeit einfach nur nackt. Grauenvoll.
Sicher,
„Bild und Glotze“ – wie Schröder Presse und Fernsehen knapp nannte – tun was
sie können. Hofberichterstattung auf allen Kanälen vom Feinsten. Aber es reicht
nicht. Wenn 2017 selbst die Große Koalition nicht mehr groß genug ist, weiß man
jedenfalls woran es liegt.
Also
müssen Gesetze her. Mit dem diffusen Straftatbestand der „gezielten
Desinformation zur Destabilisierung des Staates“, wie von CDU-Rechtsexperten
Patrick Sensburg gefordert, dürfte für die hinreichende Streubreite gesorgt
sein, durch welche die volle Härte des Gesetzes dann die gewünschte
Flächenwirkung entfalten kann.
Es geht
natürlich auch eleganter. Bekanntlich handelt es sich bei den
marktbeherrschenden Internetgiganten Facebook, Youtube & Co. um
Privatfirmen. Welche Inhalte sie zulassen oder auch nicht, ist ihre
autokratische Entscheidung. Anfang des Monats wurde die Errichtung einer
gemeinsamen Datenbank zur Erfassung „extremistischer Inhalte“ gemeldet.
Wer
künftig dieses Kainsmal von wem und aus welchen Gründen auch immer verpasst
bekommt, dürfte damit im Internet so gut wie inexistent geworden sein.
Selbstredend ohne die Möglichkeit, dagegen vorgehen zu können.
Um sich
schon einmal warm zu laufen, veröffentlichte die „Washington Post“ eine Liste
von 200 Webmedien, die schlankweg verdächtigt werden, russische Propaganda zu
verbreiten. Alle auffallend regierungskritisch. Russische Einflussagenten
allenthalben.
Scharpings Anti-Jugoslawien-Propaganda, Foto: "UZ" |
Was in
den USA die Pleite von Frau Clinton, ist in der EU der Brexit und die Ablehnung
von TTIP. Das kann ja nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. „Bild“ weiß
schon, was künftig noch droht: „Putins hybrider Großangriff zur Bundestagswahl
2017 – Propagandafeldzug sogar mit Sexmobs.“ Sexmobs? Das Berliner
Aufklärungsorgan fragt besorgt: „Was würde zum Beispiel passieren, wenn sich
auf einem Sommerfestival vor der Wahl etwas ähnliches wiederholt wie in Köln
zur Silvesternacht? Wie würde Merkel dann dastehen?“ Ja, wie wohl? Wie sie
immer dasteht.
Wer
befürchtet hatte, blöder geht es nicht, kann beruhigt sein. Wenn es um
Repression, Sozialabbau und Kriegshetze geht, ist die Skala nach unten offen.
Da lässt sich die herrschende Meinungsbranche nicht von irgendwelchen
Internettypen die Butter vom Brot nehmen.
Von Klaus
Wagener
aus „UZ – unsere zeit – Zeitung der DKP“ vom 23. Dezember 2016
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen