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Unheimliche Allianz aus Rechten und Behörden
will Bürgerkrieg – warum wusste der Pegida-Boss mehr über Berliner Attentat als
der IS und die Polizei?
Diesmal
ist die Polizei sich sicher: Der Attentäter, der am Montag mit einem gekaperten
Lkw zwölf Menschen auf einem Berliner Weihnachtsmarkt ermordete, ist
identifiziert. Es soll sich um den Tunesier Anis Amri handeln. Der Verdächtige
selbst hatte den Beamten entscheidend geholfen, indem er seinen Pass im Wagen
zurückgelassen haben soll, die Polizei will ihn erst am Dienstag abend gefunden
haben. Auch seine DNA sei mittlerweile nachgewiesen worden, so der WDR am
Donnerstag. Nun fehlt nur noch der Verdächtige selbst – obwohl er als
»Gefährder« bekannt sein soll, hatte ihn die Polizei aus den Augen verloren.
Vielleicht
wären die Ermittlungen rascher erfolgreich gewesen, wenn sich die Beamten an
einen guten Bekannten gewandt hätten. Der Dresdner Pegida-Boss Lutz Bachmann
wusste nicht nur vor der Polizei, sondern auch schneller als der »Islamische
Staat« (IS), wer der Täter ist. Genau zwei Stunden nach dem Anschlag schrieb
Bachmann am Montag um 22.16 Uhr bei Twitter: »Interne Info aus Berliner
Polizeiführung: Täter tunesischer Moslem.«
Der zu Unrecht
Verdächtigte ist am Dienstag freigelassen worden und seitdem verschwunden. Das
britische Blatt Daily Mail berichtete, dass der 23jährige nicht mehr in seine
Unterkunft zurückgekehrt sei, seine Verwandten könnten ihn ebenfalls nicht mehr
erreichen. Er hat gute Gründe, um sein Leben zu fürchten, denn im Internet
lassen sich sein voller Name und unverpixelte Bilder finden. Die
Bundesanwaltschaft bestätigte am Donnerstag gegenüber jW lediglich, dass er
»auf freiem Fuß« sei.
Bachmann,
der rechte Hetzer mit gutem Draht ins Ministerium, feixte am Mittwoch, nachdem
die Polizei den Pakistani laufenlassen musste: »Da stimmte meine Info von 1h
nach dem Anschlag wohl doch? Polizei sucht nun doch Tunesier« – und in der Tat:
Bachmann hatte recht.
Doch
woher bezieht ein vielfach vorbestrafter Krimineller (Drogenhandel, Diebstähle,
Körperverletzung, Volksverhetzung) seine Exklusivinformationen? Aus der
»Glaskugel«, wie er am Donnerstag wiederum bei Twitter juxte?
Entweder
wusste die Polizeiführung tatsächlich bereits am Montag abend von Anis Amri –
und jagte demnach wissentlich den Falschen, der zudem in Gefahr gebracht wurde
und nun verschwunden ist. Der »Whistleblower«, von dem der notorische
Gesetzesbrecher Bachmann informiert worden sein will, wäre entsprechend
ranghoch. Oder aber: Die Polizei fand den Pass tatsächlich erst später. Dann
kannte Bachmann das Dokument früher oder weiß, wer ihn im Lkw deponierte. Die
Fahrerkabine sei erst »nach der Bergung am Dienstag« untersucht worden, räumte
Polizeisprecher Winfrid Wenzel am Donnerstag ein. Durch wie viele Hände ging
der Wagen bis dahin? Warum wurde nicht vor Ort eine professionelle
Spurensicherung vorgenommen?
Die
unheimliche Nähe zwischen Rechten und Behörden ist nicht neu. Erst am 16.
Dezember teilte Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) mit, dass zwei
Bundespolizisten, die die rechtsterroristische »Gruppe Freital« mit
Informationen versorgt hatten, vom Dienst suspendiert wurden.
Sprengstoffanschläge, die im Vorfeld des 3. Oktober in Dresden stattfanden,
gingen auf das Konto eines Pegida-Redners, den Bachmann selbst auf seine Bühne
gebeten hatte. Diese Anschläge sollten zunächst »Linken« in die Schuhe
geschoben werden (jW berichtete). Es gibt Kräfte in diesem Land, die mit aller
Gewalt in den Bürgerkrieg wollen. Und das ist keineswegs nur der IS.
Lutz
Bachmann scheint einige der Antworten zu kennen, die nach dem schrecklichen
Attentat vom Montag alle beschäftigen. Wenn die Polizei auch darauf nicht von
selbst kommt: Das Instrument, um aus diesem Ehrenmann mehr herauszubekommen,
wäre Beugehaft – so lange, bis er umfassend auspackt.
Von
Sebastian Carlens
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