Samstag, 31. Dezember 2016

Das System bröckelt

Lucas Zeise versucht einen kurzen Jahresrückblick

Die Banken der Welt wankten 2008 und Peer Steinbrück, damals Finanzminister einer Großen Koalition, blickte in den Abgrund. Politisch wurde die Sache mit viel Geld geflickt. In der Eurokrise zwischen 2010 und 2015 gewöhnte sich das politische Personal daran, die Vorgaben des Finanzkapitals von einer Ecofin-Sitzung zur nächsten nur mit Mühe erfüllen zu können. Griechenland wurde bis zum Bluten gepeinigt. Im Austesten dessen, was ertragen werden kann, erwies sich die deutsche Regierung mit Schäuble und Merkel als Meister.

Auch in einer solchen Krise gibt es Gewinner. Das deutsche Monopolkapital zählt bis jetzt dazu. Verglichen damit sind das No der Italiener zur neoliberalen Modernisierung ihrer Verfassung und die Abstimmung der Briten gegen den Verbleib in der EU im vergangenen Jahr kleine Ereignisse. Aber sie haben gezeigt, dass das System zu bröckeln beginnt.

Die EU würde, sofern Britannien wirklich austritt, was wiederum nicht sicher ist, zum ersten Mal kleiner. Sie ist ein Koloss von mehr als 500 Millionen Menschen, zugleich der größte einheitlich organisierte Wirtschaftsraum. Die EU ist systemwichtig. Nicht dass es auf der anderen Seite des Atlantiks stabile Verhältnisse gäbe. Donald Trumps Wahl zum Präsidenten der USA ist vor allem ein Zeichen für die Unzufriedenheit des Volkes mit diesen Verhältnissen, unter denen sie leben, und mit der Politik, die über Jahrzehnte hinweg zu diesen Verhältnissen geführt hat.

Vermutlich ist der Unterschied zwischen dieser alten Politik und der Trumps gering. Jedenfalls aber werden weder die USA noch gar die EU einen Weg aus der tiefen Weltwirtschaftskrise finden.

Wenig überraschend hat die ökonomische Krise die Gefahr eines großen Krieges und die Häufigkeit von kleineren Kriegen erhöht. In der Regierungszeit Obamas haben die USA den europäischen Partnern im Nahen Osten und Afrika viel Raum für aggressives Eigenengament gelassen. Neben den alten Kolonialmächten Britannien und Frankreich hat Deutschland mit politischem Getöse, mit Waffen und Soldaten demons­triert, dass es bei der neuen Runde kolonialer Aggression ganz vorn mit dabei sein will.

Das vergangene Jahr hat auch gezeigt, dass der imperialistischen Aggression Grenzen gesetzt werden können. Weder ist es den selbst ernannten „Freunden Syriens“ gelungen,  den gewünschten „Regime Change“ in Damaskus zu erzwingen, noch die Zerschlagung des syrischen Staates und nicht einmal die letzten Hoffnungen des arabischen Nationalismus.

Entscheidend dabei war, dass Staaten mit völlig unterschiedlichen politischen Grundlagen (Syrien, Iran, Russland und im Hintergrund auch China) effektiv kooperiert haben. Die Kriegsgefahr wird dadurch zunächst nicht geringer. Aber die Erfahrung effektiver Gegenwehr weckt die Hoffnung, dass die imperialistische Aggression  eingedämmt werden kann. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass das Herrschaftssystem bröckelt.


Aus „UZ – unsere zeit – Zeitung der DKP“ vom 23. Dezember 2016

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