Montag, 8. Mai 2017

Im Norden nichts wirklich Neues

Bestätigung des Rechtstrends und Sturm im bürgerlichen Wasserglas: Schleswig-Holstein erhält wahrscheinlich eine neue Regierung, aber große Teile der Bevölkerung nehmen am Wahlspektakel im zweitkleinsten Flächenland Deutschlands nicht teil.

Im unserem strukturell konservativen Schleswig-Holstein haben CDU, Grüne und FDP die vorletzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl zwar gewonnen, doch die stimmenmäßig größte Gruppe bei den Wahlen stellten, trotz leichter Rückgänge, wieder einmal die Nichtwähler mit einem Anteil von 35,76 % der Wahlberechtigten. Über 825.000 Wahlberechtigte sahen sich damit weiterhin vom bürgerlichen Politikbetrieb nicht angesprochen.

Somit bestätigt auch diese Wahl die Feststellung der unzensierten Erstversion des „Armuts- und Reichtumsbericht“ der Bundesregierung, worin noch vor einer „Krise der Repräsentation“ gewarnt wurde: „Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert.“

Quelle: Landeswahlleiter
Gemessen an der realen Wahlbeteiligung von 64,24 % der Wahlberechtigten in SH relativieren sich die Wahlerfolge von CDU, FDP und Grünen sehr schnell. Wie seit Bestehen der BRD eigentlich gewohnt, hatten im nördlichsten Bundesland wieder die ländlichen Räume den Ausschlag im Wahlergebnis geliefert: Obwohl die SPD in 3 von 4 Städten (Kiel, Lübeck und Flensburg) die Wahlkreise gewonnen hatte, gewann die CDU ihre Mehrheit über die Fläche.

Dies ist sicherlich auch ein Stück weit der demonstrativen selbstgefälligen Hochnäsigkeit der regierenden SPD-Vertreter geschuldet, die im Wahlkampf versuchten Mutti Merkels „Weiter so“ ohne größere Diskussionen auf sich zu übertragen. Wenig glaubhaft warb die SPD mit Slogans wie „Mehr Gerechtigkeit für Alle“, obwohl sie in ihrer vorherigen fünfjährigen Regierungstätigkeit in der sogenannten „Küstenkoalition“ mit Grünen und SSW keine großen Ansätze machte eine wirklich gerechtere Politik umzusetzen. CDU und FDP nutzten diese offene Flanke, indem sie neben ihren obligatorischen Forderungen nach „mehr Sicherheit“ und „besserer Infrastruktur“ (gemeint sind mehr Straßen und Autobahnen) auch das von ihnen selbst in vormaliger Regierung eingeführte „Turbo-Abitur G8“ und damit verbundene Ungerechtigkeiten im Bildungssystem anprangerten.

Hier zeigen sich denn auch vielfältige Schnittmengen mit den weiteren „Wahlgewinnern“ von den Grünen für die wahrscheinliche „Jamaika-Koalition“ in der Zukunft des Landes: Bereits am Wahlabend gelang es dem „norddeutschen Kretschmann“, Robert Habeck von den Grünen, kaum seinen nahezu unverhohlenen Flirt mit Herrn Kubicki von der FDP zu zügeln. Dennoch wird es wohl kein Ergebnis vor der NRW-Wahl geben, denn die Grünen stecken hier in der Zwickmühle, dass sie in NRW ein „rot-grünes“ Wahlbündnis zum Erfolg führen wollen und auch im Hinblick auf die Bundestagswahl eine solche Konstellation nicht gerne gesehen wird. Dennoch ist die Vollendung des Weges hin zur „Öko-FDP“ absehbar…

Quelle: Landeswahlleiter
Das schlimmste Ergebnis der Schleswig-Holstein-Wahl ist sicherlich die Bestätigung des allenthalben spürbaren Rechtsrucks in Deutschland dadurch, dass der Sprung der faschistische „AfD“ in den Landtag trotz massiver Gegenwehr linker und demokratischer Kräfte nicht verhindert werden konnte. Zwar erreichte die Scharnierpartei der reaktionären Teile des deutschen Kapitals mit „nur“ 5,9% der Stimmen nicht die von vorigen Wahlen gewohnten zweistelligen Ergebnisse, aber immer noch gelingt es ihr offensichtlich Protest von Menschen an sich zu binden, deren Interessen sie so gar nicht vertritt: Bei männlichen Arbeitern, Angestellten und Arbeitslosen zwischen 25 und 34 Jahren holte sie ihre besten Ergebnisse.

Zu den wirklichen Verlieren der Nord-Wahl zählt hingegen die Partei die Linke (PdL), der es trotz eines grundsätzlich guten Wahlprogramms und eines gut sichtbaren Wahlkampfes in den Städten nicht gelang die Wählerinnen und Wähler für einen Wiedereinzug in den Landtag zu gewinnen, aus dem sie vor fünf Jahren herausgewählt wurde.

Hier rächen sich zum wiederholten Male die in der Vergangenheit knallhart geführten Verdrängungsmachtkämpfe in der Partei um Mandate, Pöstchen und Funktionen, die die Partei ihrer Glaubwürdigkeit weit in das durchaus vorhandene linke Lager hinein gekostet haben. Gerade die heute exponierten Vertreter der Partei, wie der aktuelle Landessprecher Lorenz-Gösta Beutin und der Spitzenkandidat zur Landtagswahl Ulrich Schippels, personifizieren diese Machtkämpfe persönlich.

Die Partei die Linke hat sich in Schleswig-Holstein eben nicht durch den Kampf um soziale Gerechtigkeit ausgezeichnet, sondern steht vielmehr für konsequenten Machtklüngel. So hat sich die Politik der PdL z. B. in Lübeck in den vergangenen Jahren dadurch ausgezeichnet, dass man für die Machtoption an einer SPD geführten Kommunalregierung teilnehmen zu dürfen die städtische Hafengesellschaft als ÖPP-Projekt an den, mehrheitlich im Besitz der Deutschen Bank befindlichen, Finanzinvestor „Rreef“ verschachert hatte. Die Zeche zahlen nun aktuell die Beschäftigten. 
Auch die Spaltung dieser Lübecker PdL Fraktion im vergangenen Jahr in eine neue „Grün-Linke-Alternative“- und eine PDL-Freie Wähler-Koalition haben das Vertrauen nicht bestärkt.

Selbst das Friedensengagement der Partei im Rüstungs- und Militärland Schleswig-Holstein, aus dem u. a. die Patriott-Raketen und Tornado-Kampfjets in Syrien kommen, konnte nur bedingt überzeugen: Der Versuch im Rahmen eines selbstinzenierten „Womens march in den Landtag“ ausstaffiert mit selbstgehäkelten, rosa Mützchen das U-Boot am Marine-„Ehrenmal“ in Laboe bei Kiel rosa anzustreichen sorgte bei Friedensaktivisten eher für Kopfschütteln denn für Begeisterung.

Im Ergebnis der Landtagswahl zeigt sich, wie wichtig eine wirklich glaubhafte antikapitalistische Kraft für das Land ist, die nicht nur in den ewig selben Kreisen links-bewegter Menschen schwimmt, sondern sich vielmehr direkt bei den Menschen mit niedrigem Einkommen engagiert. 

Eine Partei, die sich mit den Abgehängten und Ausgegrenzten an den Tafeln, den Flüchtlingsunterkünften und Jobcentern, in den Betrieben bei den Beschäftigten und Leiharbeitern, mit deren Problemen beschäftigt und ihnen Zusammenhänge und mögliche Alternativen aufzeigt. 
Dafür kämpft die DKP in Schleswig-Holstein – auch im Vorfelde der Bundestagswahlen. 

Keine Kommentare: