Die Oktoberrevolution lieferte den Beweis in
der Praxis: Der Bruch mit Krieg und Imperialismus ist möglich. Das ist nicht
vergessen
Normal,
heißt es in Ernst Blochs »Prinzip Hoffnung«, »denkt man, ist es doch, oder
müsste es sein, dass sich Millionen nicht durch Jahrtausende von einer Handvoll
Oberschicht beherrschen, ausbeuten, enterben lassen. Normal ist, dass eine so
ungeheure Mehrheit es sich nicht gefallen lässt, Verdammte dieser Erde zu sein.
Statt dessen ist gerade das Erwachen dieser Mehrheit das ganz und gar
Ungewöhnliche, das Seltene in der Geschichte. Auf tausend Kriege kommen nicht
zehn Revolutionen; so schwer ist der aufrechte Gang.«
Beides,
die ungezählten Kriege und die wenigen Revolutionen, lässt sich ergänzen, prägt
aber die Geschichte. Und letztere vielleicht mehr als jene. Auf die
Oktoberrevolution trifft das zu. Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts
hatten ihre Wurzeln im imperialistischen Kampf um die Neuaufteilung der Welt.
Die Oktoberrevolution löste Russland aus dem Gemetzel, aus dem
Gesellschaftssystem und insofern aus der bisherigen Geschichte. Sie war eine
Friedensbewegung mit erstmals weltweiter Resonanz.
Zugleich
war die Oktoberrevolution auch der Beginn einer ersten, frühen Phase eines nun
100 Jahre dauernden, ständigen Kampfes mit einem mächtigen, überlegenen Gegner.
Sie endete mit dem Fall der Sowjetunion. Seitdem befindet sich die Welt in
einer zweiten Phase, in der sich die Frage Sozialismus oder Barbarei noch ganz
anders stellt als 1917 vorstellbar. Angesichts der Tatsache, dass der heutige
Imperialismus erneut mit dem atomaren Weltkrieg spielt, sind der Kampf um
Frieden und der um Demokratie unmittelbar Überlebensfragen der Menschheit.
Die jahrzehntelange
Existenz der sozialistischen Länder ist nicht vergessen. Die ständigen Attacken
gegen die vor 27 Jahren verschwundene DDR in Medien und Politik der
Bundesrepublik belegen das auf ihre Weise. Viele sozialpolitische Fortschritte,
die im Kapitalismus erkämpft wurden, hatten die Nachbarschaft des realen
Sozialismus zur Voraussetzung. Auch das gehört zu dem weltpolitischen Impuls,
der von der Oktoberrevolution ausging. Sie war »normsetzend für soziale und
geschichtliche Wertvorstellungen« (Hans Heinz Holz). Die herrschenden Klassen
der imperialistischen Länder traten 1991 an, um diese Errungenschaften ebenso
zu beseitigen wie die Befreiung vom Kolonialismus.
Der
Schriftsteller Karl Kraus schrieb 1920 über den Kommunismus: »Der Teufel hole
seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als konstante Drohung über den Häuptern
jener, so da Güter besitzen (…). Gott erhalte ihn uns, damit dieses Gesindel,
das schon nicht mehr ein und aus weiß vor Frechheit, nicht noch frecher werde,
damit die Gesellschaft der ausschließlich Genussberechtigten, die da glaubt,
dass die ihr botmäßige Menschheit genug der Liebe habe, wenn sie von ihnen die
Syphilis bekommt, wenigstens doch auch mit einem Alpdruck zu Bette gehe!«
Es gilt,
diesen Druck zu verstärken. Und das geschieht bereits, wenn auch nicht durch
große Bewegungen in den kapitalistischen Zentren. Der Westen hat seit 1991
permanent terroristische Kriege angezettelt, gewinnt sie aber faktisch nicht.
Die Herausbildung einer multipolaren Welt trägt längst revolutionäre Züge, in
Asien, Afrika und Lateinamerika greift das Bewusstsein davon um sich. Die
Oktoberrevolution bleibt ein Beispiel.
Von
Arnold Schölzel
aus „junge Welt“ vom 01.11.2017
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