Kollage: junge Welt |
Weniger lang im Betrieb sein? Die IG Metall
will über die Arbeitszeiten in der Metallindustrie verhandeln. Das Kapital
läuft schon jetzt Sturm
Der Kampf
um die Arbeitszeiten in Deutschland ist in vollem Gange. Begonnen haben ihn
nicht Arbeiter und Angestellte, sondern Unternehmen, die die Möglichkeiten von
Handy, Tablet und Co. geschickt dazu nutzen, ihre Mitarbeiter auch daheim
arbeiten zu lassen.
Doch an diesem Mittwoch stieg Deutschlands größte
Gewerkschaft in das Ringen ein: Die Tarifrunde der Metallindustrie begann in
verschiedenen Bundesländern – und die IG Metall fordert mehr Verfügungsrechte
über die eigene Arbeitszeit für die Beschäftigten.
In Berlin
zeigten sich die Arbeiter bei einer Kundgebung der Gewerkschaft am Mittwoch
morgen vollauf zufrieden mit der Forderung. »Das bedeutet einfach mehr Zeit für
uns«, sagte Bojan Westphal, der bei Mercedes tätig ist. Endlich müssten auch
die Arbeiter am guten Gang der Geschäfte beteiligt werden. Seinen rund 300
anwesenden Kollegen rief er zudem zu: »Wir legen keinen Wert auf eine lange
Auseinandersetzung. Aber wenn die Arbeitgeber das so wollen, haben wir auch
kein Problem damit, die Fabriken für mehrere Tage lahmzulegen.«
Schon im
Vorfeld der ersten Verhandlungen hatte der Präsident des Unternehmerverbands
Gesamtmetall, Rainer Dulger, der Nordwestzeitung erklärt: »Mehr Geld fürs
Nichtstun wird es mit uns nicht geben.« Entsprechend fielen am Mittwoch auch
die Gespräche aus, die in verschiedenen Bundesländern geführt wurden. Die IG
Metall Berlin-Brandenburg schreibt vom »kühlen Klima« während des Treffens.
Auch in Niedersachsen hätten sich laut Gewerkschaft die Unternehmer »stur
gestellt«. Und für Hamburg, wo zuvor 1.500 Arbeiter auf die Straße gegangen
waren, erklärte Gewerkschaftsmann Meinhard Geiken: »Unsere Forderungen haben
die Arbeitgeber zurückgewiesen und absurde Gegenforderungen gestellt.«
Tatsächlich
hatte Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth schon am Dienstag in der
Stuttgarter Zeitung »eine Flexibilität der Arbeitszeiten nach oben« gefordert.
Der Unterstützung aus bedeutenden Teilen der Politik darf sich Porth dabei
sicher sein. So forderte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch bekannt als »Wirtschaftsweise«, erst
kürzlich die Parteien dazu auf, bestehende Ruhe- und
Höchstarbeitszeitregelungen zu schleifen. In den Sondierungsgesprächen von CDU,
CSU, FDP und Grünen gibt es ähnliche Überlegungen.
Dabei
haben bereits verschiedene Untersuchungen – darunter auch solche, die von der
Bundesregierung in Auftrag gegeben wurden – belegt, dass bereits heute deutlich
länger gearbeitet wird, als in den Tarifverträgen vorgesehen ist. In dem diesen
Mittwoch veröffentlichten »Index Gute Arbeit« des Deutschen Gewerkschaftsbund
wird zudem darauf hingewiesen, dass mehr als ein Viertel aller Beschäftigten
häufig am Wochenende arbeiten muss. Doch um eine nüchterne Abwägung des
Bestehenden geht es in der Frage der Arbeitszeiten ohnehin nicht. Sondern
darum, wer über die Ware Arbeitskraft verfügt – Chefs oder Beschäftigte.
Von
Johannes Supe
Aus „junge Welt“ vom 16.11.2017
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen