Schlecker-Zerschlagung und Scandlines-„Schrumpfkur“ treffen Lübeck und Ostholstein
Foto: DKP Lübeck / Ostholstein |
So schnell ändern sich die Fakten im Kapitalismus: Am
31. Mai wurden noch die neuesten Arbeitslosenzahlen in Schleswig-Holstein mit
Jubel-meldungen gefeiert, doch bereits einen Tag später sind diese getricksten
Statistiken von der Realität ad absurdum geführt.
77 Arbeitsplätze in Lübeck und Ostholstein fallen der
Scandlines-„Schrumpfkur“ zum Opfer und 300 „Schlecker-Frauen“ sind laut Angaben
von Verdi Nord in Schleswig-Holstein von der Zerschlagung der
Drogeriemarktkette betroffen. Die Bundesregierung hat dafür nur zynische
Kommentare übrig und auch sonst stellt niemand wirklich die Frage, ob dies
„bedauerliche Einzelfälle“ oder vielleicht doch das wahre Gesicht des
Kapitalismus sind.
Niemand? „Opfer des
Missmanagements einer autokratischen Familie“ nennt der ehemalige
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle die „Schlecker-Frauen“.
Der neue neoliberale
Heilsbringer Christian Lindner stellt fest, es seien „erhebliche Zweifel
angebracht, ob dieses auf Niedriglöhnen basierende Geschäftsmodell Zukunft hat“
und der Schlecker Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz verkündet, dass die mehreren
tausend Kündigungsschutzklagen der Mitarbeiter und die anhaltenden Verluste
»die K.O.-Pille« für das Unternehmen gewesen sei.
Philip Rösler stellt dies in der Tagesschau vom 01. Juni 2012 in den
Gesamtzusammenhang, indem er resümiert, dass staatlich geförderte
Transfergesellschaften die Wettbewerbssituation in unserem Lande verzerren
würden.
Missmanagement? Ein auf
Niedriglöhnen basierendes Geschäftsmodell? Transfergesellschaften verzerren die
Wettbewerbssituation? Ist es nicht die FDP, die, als unverhohlene Speerspitze
des Kapitalismus, für die „unternehmerischer Freiheit“, gegen die Mitbestimmung
von Betriebsräten und Belegschaften, für die Ausweitung des Niedriglohnsektors
und gegen jede Art von Mindestlöhnen kämpft?
„Wer hat’s gemacht? Wir haben’s gemacht!“ pflegt Herr Brüderle solche Themen zu kommentieren.
Kündigungsschutzklagen als K.O.-Pille! Na also: Menschen, die für ihre Rechte eintreten, sind in diesem
System das wahre Problem und minimale „Rettungsschirme“ für die Betroffenen - wie
eben Transfergesellschaften - verzerren die Wettbewerbssituation! Menschen sind
in dieser Gesellschaftsordnung schließlich nicht systemrelevant wie Banken und
benötigen daher auch keine staatlichen Rettungsschirme… Da traut sich doch
endlich einmal jemand die Realität klar beim Namen zu nennen.
Das ist nicht so verschleiernd und
scheinsozial wie unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in derselben
Tageschau-Sendung die volle Unterstützung der Bundesregierung für die
Schlecker-Betroffenen mittels der Bundesagentur für Arbeit und den örtliche
Jobcentern zusichert. Ein jeder, der bereits einmal die Ehre einer solchen
Unterstützung genießen durfte, weiß über die vielfältigen Perspektiven dieses
Service ein Lied zu singen. Nicht umsonst ist Arbeitslosigkeit in diesem Land
die Hauptursache von Armut.
Besonders in einer Region
wie der unseren: Hier in Schleswig-Holstein, wo laut Angaben des DGB Nord die
geringsten Löhne Westdeutschlands gezahlt werden und jeder vierte
vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer als Geringverdiener gilt.
Hier in Lübeck und
Ostholstein, wo freie Stellen in nennenswerten Größenordnungen allenfalls im
Bereich der geringfügigen Beschäftigung vorhanden sind.
Foto: Arbeiterfotografie |
Nun schimpfen alle
systemtragenden Kräfte über die FDP. Aber geben wir uns doch keiner Illusion
hin: Keine dieser Parteien würde wirklich etwas Nennenswertes für die einzelnen
Betroffenen tun. Die Regierungsparteien im Bund verstecken sich hinter der
Verweigerung der FDP. Oder hat die Kanzlerin in dieser Frage ein Machtwort
gesprochen? Hat irgendjemand aus der CDU/CSU-Union die Aufkündigung der Koalition
aufgrund dieser Blockadepolitik der FDP gefordert? Hätte die von Grünen und SPD
geforderte Transfergesellschaft den Betroffenen wirklich wieder zu lebenswerten
Arbeitsplätzen verholfen oder wären hierzu nicht radikalere Maßnahmen nötig?
Besonders in einer wirtschaftlich schwachen Region wie der unseren?
Ja, auch wir Kommunisten
unterstützen die Gewerkschaften in der Forderung nach einer solchen
Transfergesellschaft – aber nur als Minimalforderung. Denn die Aussagen von
Brüderle, Rösler und Geiwitz sind ja richtig – aus der Sicht der herrschenden
Verwertungslogik.
In einer Gesellschaft, in
der Sozialabgaben – wie Kranken- und Arbeitslosenversicherung – als „Lohnnebenkosten“
bezeichnet werden, in einer Gesellschaft in der alle die Freiheit haben alles
zu tun, wenn sie es sich nur leisen
können, in einer solchen Gesellschaft sind diese Aussagen stimmig.
In einem Wirtschaftssystem
in dem man neudeutsch von „Human Ressources“, also von menschlichen Ressourcen - laut Wikipedia-Definition
einem materiellen oder immateriellen Gut - spricht, treffen diese
Einschätzungen zu.
In einer Wirtschaftsordnung in
der Menschen stets den Profitinteressen untergeordnet sind, in der eben nur
Banken „systemrelevant“ sind und staatliche Rettungsschirme bekommen – in so einer Wirtschaftsordnung ist eine solche
Sicht gängige Lehre.
In diesem unserem Land, in
dem man immer noch glaubt, dass diese Wirtschaftsordnung überlegen und
alternativlos sei, sind Massen von Arbeitslosen fester Bestandteil der
wirtschaftlichen Logik.
Denn nur durch diese große
Anzahl von Arbeitslosen kann man diejenigen, die noch in Beschäftigung sind,
ständig erpressen – zu „Lohnzurückhaltung“, zu längeren Arbeitszeiten ohne
Lohnausgleich, zu moderner Sklavenarbeit
– Zeitarbeit genannt – und zu vielem mehr.
Die persönlichen Schicksale
der Betroffene zählen dabei nicht – egal ob deren Existenzen durch die
Zerschlagung von Schlecker oder die „Gesundschrumpfung“ von Scandlines zerstört
werden. Wichtig ist nur, dass die Wettbewerbssituation nicht verzerrt wird und
natürlich, dass die Gläubigerbanken oder die Restunternehmen wieder Profit
erwirtschaften…und dieses System nennt man eben Kapitalismus – die Herrschaft
des Kapitals.
Das Gegenstück dazu wäre ein
anderes Wirtschaftssystem: Ein System in dem der Mensch im Mittelpunkt steht
und die Sicherung seiner Existenz das zentrale Anliegen der Herrschenden ist – ein
soziales System: Der Sozialismus!
Stellen wir also endlich die
Systemfrage!