Sonntag, 3. Juni 2012

Das wahre Gesicht des Kapitalismus


Schlecker-Zerschlagung und Scandlines-„Schrumpfkur“ treffen Lübeck und Ostholstein

Foto: DKP Lübeck / Ostholstein
So schnell ändern sich die Fakten im Kapitalismus: Am 31. Mai wurden noch die neuesten Arbeitslosenzahlen in Schleswig-Holstein mit Jubel-meldungen gefeiert, doch bereits einen Tag später sind diese getricksten Statistiken von der Realität ad absurdum geführt. 

77 Arbeitsplätze in Lübeck und Ostholstein fallen der Scandlines-„Schrumpfkur“ zum Opfer und 300 „Schlecker-Frauen“ sind laut Angaben von Verdi Nord in Schleswig-Holstein von der Zerschlagung der Drogeriemarktkette betroffen. Die Bundesregierung hat dafür nur zynische Kommentare übrig und auch sonst stellt niemand wirklich die Frage, ob dies „bedauerliche Einzelfälle“ oder vielleicht doch das wahre Gesicht des Kapitalismus sind.


Niemand? „Opfer des Missmanagements einer autokratischen Familie“ nennt der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle die „Schlecker-Frauen“.
Der neue neoliberale Heilsbringer Christian Lindner stellt fest, es seien „erhebliche Zweifel angebracht, ob dieses auf Niedriglöhnen basierende Geschäftsmodell Zukunft hat“ und der Schlecker Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz verkündet, dass die mehreren tausend Kündigungsschutzklagen der Mitarbeiter und die anhaltenden Verluste »die K.O.-Pille« für das Unternehmen gewesen sei.
Philip Rösler stellt dies  in der Tagesschau vom 01. Juni 2012 in den Gesamtzusammenhang, indem er resümiert, dass staatlich geförderte Transfergesellschaften die Wettbewerbssituation in unserem Lande verzerren würden.

Missmanagement? Ein auf Niedriglöhnen basierendes Geschäftsmodell? Transfergesellschaften verzerren die Wettbewerbssituation? Ist es nicht die FDP, die, als unverhohlene Speerspitze des Kapitalismus, für die „unternehmerischer Freiheit“, gegen die Mitbestimmung von Betriebsräten und Belegschaften, für die Ausweitung des Niedriglohnsektors und gegen jede Art von Mindestlöhnen kämpft?
„Wer hat’s gemacht? Wir haben’s gemacht!“ pflegt Herr Brüderle solche Themen zu kommentieren.

Kündigungsschutzklagen als K.O.-Pille! Na also: Menschen, die für ihre Rechte eintreten, sind in diesem System das wahre Problem und minimale „Rettungsschirme“ für die Betroffenen - wie eben Transfergesellschaften - verzerren die Wettbewerbssituation! Menschen sind in dieser Gesellschaftsordnung schließlich nicht systemrelevant wie Banken und benötigen daher auch keine staatlichen Rettungsschirme… Da traut sich doch endlich einmal jemand die Realität klar beim Namen zu nennen.

Das ist nicht so verschleiernd und scheinsozial wie unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in derselben Tageschau-Sendung die volle Unterstützung der Bundesregierung für die Schlecker-Betroffenen mittels der Bundesagentur für Arbeit und den örtliche Jobcentern zusichert. Ein jeder, der bereits einmal die Ehre einer solchen Unterstützung genießen durfte, weiß über die vielfältigen Perspektiven dieses Service ein Lied zu singen. Nicht umsonst ist Arbeitslosigkeit in diesem Land die Hauptursache von Armut.
Besonders in einer Region wie der unseren: Hier in Schleswig-Holstein, wo laut Angaben des DGB Nord die geringsten Löhne Westdeutschlands gezahlt werden und jeder vierte vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer als Geringverdiener gilt.
Hier in Lübeck und Ostholstein, wo freie Stellen in nennenswerten Größenordnungen allenfalls im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vorhanden sind.

Foto: Arbeiterfotografie
Nun schimpfen alle systemtragenden Kräfte über die FDP. Aber geben wir uns doch keiner Illusion hin: Keine dieser Parteien würde wirklich etwas Nennenswertes für die einzelnen Betroffenen tun. Die Regierungsparteien im Bund verstecken sich hinter der Verweigerung der FDP. Oder hat die Kanzlerin in dieser Frage ein Machtwort gesprochen? Hat irgendjemand aus der CDU/CSU-Union die Aufkündigung der Koalition aufgrund dieser Blockadepolitik der FDP gefordert? Hätte die von Grünen und SPD geforderte Transfergesellschaft den Betroffenen wirklich wieder zu lebenswerten Arbeitsplätzen verholfen oder wären hierzu nicht radikalere Maßnahmen nötig? Besonders in einer wirtschaftlich schwachen Region wie der unseren?

Ja, auch wir Kommunisten unterstützen die Gewerkschaften in der Forderung nach einer solchen Transfergesellschaft – aber nur als Minimalforderung. Denn die Aussagen von Brüderle, Rösler und Geiwitz sind ja richtig – aus der Sicht der herrschenden Verwertungslogik.

In einer Gesellschaft, in der Sozialabgaben – wie Kranken- und  Arbeitslosenversicherung – als „Lohnnebenkosten“ bezeichnet werden, in einer Gesellschaft in der alle die Freiheit haben alles zu tun,  wenn sie es sich nur leisen können, in einer solchen Gesellschaft sind diese Aussagen stimmig.

In einem Wirtschaftssystem in dem man neudeutsch von „Human Ressources“, also von menschlichen Ressourcen - laut Wikipedia-Definition einem materiellen oder immateriellen Gut - spricht, treffen diese Einschätzungen zu.

In einer Wirtschaftsordnung in der Menschen stets den Profitinteressen untergeordnet sind, in der eben nur Banken „systemrelevant“ sind und staatliche Rettungsschirme bekommen – in so einer Wirtschaftsordnung ist eine solche Sicht gängige Lehre.

In diesem unserem Land, in dem man immer noch glaubt, dass diese Wirtschaftsordnung überlegen und alternativlos sei, sind Massen von Arbeitslosen fester Bestandteil der wirtschaftlichen Logik.
Denn nur durch diese große Anzahl von Arbeitslosen kann man diejenigen, die noch in Beschäftigung sind, ständig erpressen – zu „Lohnzurückhaltung“, zu längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich, zu moderner Sklavenarbeit  – Zeitarbeit genannt – und zu vielem mehr.

Die persönlichen Schicksale der Betroffene zählen dabei nicht – egal ob deren Existenzen durch die Zerschlagung von Schlecker oder die „Gesundschrumpfung“ von Scandlines zerstört werden. Wichtig ist nur, dass die Wettbewerbssituation nicht verzerrt wird und natürlich, dass die Gläubigerbanken oder die Restunternehmen wieder Profit erwirtschaften…und dieses System nennt man eben Kapitalismus – die Herrschaft des Kapitals.

Das Gegenstück dazu wäre ein anderes Wirtschaftssystem: Ein System in dem der Mensch im Mittelpunkt steht und die Sicherung seiner Existenz das zentrale Anliegen der Herrschenden ist – ein soziales System: Der Sozialismus!

Stellen wir also endlich die Systemfrage!