Sonntag, 24. Juni 2012

LHG-Anteilsverkauf: Der „ganz normale“ kapitalistische Wahnsinn


Foto: DKP Lübeck / Ostholstein
Im Windschatten der Fußball-Euphorie hat die angeblich linke Bürgerschaftsmehrheit in Lübeck die weitere Privatisierung von öffentlichem Eigentum vorangetrieben und damit ihren politischen Offenbarungseid geleistet. Viel schneller als befürchtet ist diese pseudo-linke Mehrheit bei den Ur-Rezepturen des Finanzkapitals angekommen.

Die Fraktionen von SPD, Grünen und Partei Die Linke (PDL) in der Lübecker Bürgerschaft sind erfreut: Sie haben erneut Anteile an der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) verkauft – an den britischen Finanzinvestor Rreef, der zu 100 Prozent der Deutschen Bank gehört. Toll! 

Hierbei „ging es nicht um eine weitere, fantasielose Privatisierung. Der Beschluss der Bürgerschaft setzt mit seinen Eckpunkten politische Meilensteine“ wird von Seiten dieser Fraktionen verkündet.  Ist dem wirklich so?

Nach dem ersten Verkauf von 2008, bei dem bereits 25,1 Prozent der LHG an den britischen Finanzinvestor Rreef gingen, wurden jetzt weitere 12,4 Prozent verkauft. 37,5 Prozent ehemals kommunalen Eigentums gehören also nun einem privaten Finanzinvestor bzw. indirekt der Deutsche Bank.

Was sind also die Vorteile, die die Herrschaften von SPD, Grüne und PDL uns als Meilensteine verkaufen wollen?

Diese werden umgehend benannt:
„- der Verkaufserlös fließt vollständig in notwendige Investitionen, um den Hafen zukunftsfähig zu machen;
- Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Lübecker Hafengesellschaft - das "Lübecker Modell";
- Arbeitnehmersicherung für den Fall unabweisbar notwendig werdender betriebsbedingter Kündigungen für 36 Monate.
- Eine Laufzeit der Vereinbarung bis 2024 schafft langfristige Sicherheit.“

Foto: DKP Lübeck / Ostholstein
Alles dies sind de-facto nicht die Ideen der Bürgerschaftsmehrheit sondern vielmehr Ergebnisse von Verhandlungen zwischen der Hansestadt Lübeck, der Gewerkschaft Ver.di, dem Betriebsrat der Lübecker Hafengesellschaft sowie der Steuerungsgruppe und haben den Weg für den Beschluss der Lübecker Bürgerschaft frei gemacht, weitere Gesellschaftsanteile an der Lübecker Hafengesellschaft zu veräußern.

Bis Ende 2024 sind also nun die Jobs im Hafen sicher, so heißt es. Sollte dem Hafen allerdings zwischenzeitlich die Arbeit ausgehen, werden die dort Beschäftigten bis zu drei Jahre an städtische Betriebe oder Gesellschaften ausgeliehen. Besteht dann weiterhin Arbeitsmangel, werden weitere Beschäftigte ausgeliehen. Die Kosten für Löhne und Gehälter übernimmt in diesen Fällen die Stadt. Sollten bei der Stadt keine Stellen vorhanden sein, werden die Betroffenen in Qualifizierungsmaßnahmen untergebracht.

Darüber hinaus fließt ein Teil der Verkaufserlöse der Stadt in ein Beteiligungsmodell. Die Beschäftigten erwerben gemeinsam einen Anteil an dem Unternehmen. Wenigstens Ver.di und der Betriebsrat scheinen folglich ihre Hausaufgaben gemacht zu haben.

Die CDU-Fraktion kritisiert dieses Model als „keine gute Lösung“ und spricht von „einem negativen Signal an die übrigen städtischen Gesellschaften, wo Arbeitnehmer nicht so gut abgesichert sind“. Auch von „Erpressungspotenzial“, welches im Hafen hoch sei, spricht die CDU.

Verwundert mag man sich die Augen reiben, denn dieser Deal müsste eigentlich auch der CDU gefallen, hat er doch alles, was die real-existierende kapitalistische Gesellschaft so „erfolgreich“ macht: Kommunales (also eigentlich öffentliches) Eigentum wird zu einem immer höher werdenden Teil an das Finanzkapital verschachert. Das hieraus „gewonnene“ (kurzfristige) Geld wird in die Modernisierung des Hafens gesteckt, damit dieser Profitabel wird. Sollte der Hafen also profitabel werden, so steckt sich diesen Profit später – dank seines größeren Anteils – zu nicht unerheblichen Teilen das hundertprozentige Tochterunternehmen der Deutschen Bank ein. Der vorläufige Verkaufserlös wird also zu einem 37,5 % - Anteil direkt dem Käufer geschenkt! Wer investiert also??

Sollte das Ganze nicht so erfolgreich sein, oder der Profit auf diese Weise maximierbar, so lassen sich die Kosten für die, von der Gewerkschaft und dem Betriebsrat erkämpften, Beschäftigungsgarantien vom neuen Großanteilseigner leicht wieder auf die Stadt – also auf öffentliche Gelder aus Steuermitteln – abwälzen, da dem Hafen sicherlich „leider“ zwischenzeitlich die Arbeit ausgeht und die Beschäftigten dann so oder so durch die Stadt bezahlt werden müssen.

Es ist das alte Lied: Gewinne werden privatisiert – natürlich nur an das Finanz- und Großkapital – und Kosten fallen wieder der Bevölkerung zur Last. Kapitalismus vom Feinsten!

So etwas nennen SPD, Grüne und PDL Meilensteine und die CDU schimpft. Letztere schimpft wahrscheinlich nur, weil Gewerkschaft und Betriebsrat es wirklich geschafft haben für einen überschaubaren Zeitraum Existenzen von Beschäftigten zu erhalten.

Foto: DKP Lübeck / Ostholstein
Das Schimpfen der CDU überrascht folglich nicht. Auch von SPD und Grünen waren wir solcherlei Selbstverleugnung ihrer politischen Wurzeln ja bereits gewöhnt. Aber dass die PDL so schnell in ihrer Rolle als weiterer Arzt am Krankenbett des Kapitalismus ankommt, hätte manchen Menschen noch überraschen können, wenn, ja wenn sie die handelnden Akteure der Lübecker PDL noch nicht kannten…

Wirkliche Alternativen im Sinne der Menschen sehen anders aus – sie erfordern aber auch das strikte Durchbrechen der Vorgaben der kapitalistischen Verwertungslogik!

Dazu hätte man einmal die Beschäftigten im Hafen fragen müssen, denn die kennen die wahren Quellen für Erfolg oder Misserfolg ihres Arbeitsbereiches sicherlich am Besten. Eine LHG in wirklichem Gemeinschaftseigentum der Beschäftigten würde fraglos länger leben und erfolgreicher sein, als dieser „Meilenstein“ im Großanteilseigentum des Finanzkapitals.
Denn Privatisierung ist nie die Lösung eines Problems, auch wenn sie scheinbar schnelles Geld verheißt, sie ist vielmehr immer der Anfang vom Elend: Lohndumping, Leiharbeit, Ausgliederung, Zerschlagung und schließlich Arbeitslosigkeit sind ihre steten Begleiter.
Ergo: Privatisierung löst keine Probleme, sie schafft sie erst!

Auch an diesem Beispiel zeigt sich einmal mehr, wie nötig eine wirklich antikapitalistische Alternative in dieser Stadt ist.

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