Wir dokumentieren nachstehend die am vorigen Dienstag
veröffentlichte Erklärung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei
der Türkei (TKP) zu den aktuellen Ereignissen in der Türkei.
1. Die Türkei ist seit Tagen der Schauplatz einer wahren
Volksbewegung. Die Protestaktionen, dies ausgehend vom Istanbul
mittlerweile die gesamte Türkei umfassen, sind legitim, massenhaft und
historisch einmalig. Das Wichtigste dabei ist der rasante Wechsel bei
der Psychologie des Volkes. Es hat die Mauern der Angst und der Starre
überwunden, das Selbstvertrauen erlangt.
2. Die Kommunistische Partei der Türkei war von Beginn an Teil dieser
Bewegung, mobilisierte all ihre Kräfte um den revolutionären und
klassenbewussten Charakter der Bewegung zu stärken; organisierte
zahlreiche Aktionen und Demos und versuchte den Aktionen einen
disziplinierten Rahmen zu geben. Dabei wurde unsere Parteizentrale in
Ankara von der Polizei massiv angegriffen. Überall in der Türkei wurden
hunderte Parteimitglieder verwundet oder in Polizeigewahrsam genommen.
Die Versuche, einige unserer führenden Genossen zu entführen und andere
Provokationen gegen unsere Partei konnten vereitelt werden.
3. Die Hervorhebung der Rolle der TKP bezweckt nicht die Negierung
des dominierenden spontanen Charakters dieser Volksbewegung sowie die
Rolle der anderen politischen Kräfte. Im Gegenteil, von Anfang an betont
die TKP, dass diese Bewegung die Wirkungskreis der einer oder anderen
politischen Bewegung bei Weitem übersteige und dass kleinkarierte
politische Vorteilnahmen fehl am Platze sind.
4. Die Rücktrittsforderungen der Massen an die Regierung sind ein
klares Bekenntnis dieser Bewegung. Auch wenn heute nicht abzusehen ist,
wann eine linke Alternative für diese Regierung sich herausstellen wird,
muss diese Rücktrittsforderung verstärkt gestellt werden. Nur durch
Verwertung der Energie dieser historischen Ereignisse wird eine
Alternative für das werktätige Volk hervorgebracht werden können. TKP
wird sich auf diesen Aspekt konzentrieren und die Täuschungsversuche der
systemkonformen Elemente, mit Modellen wie nationaler Regierung und
ähnlichen Vorschlägen das Volk zu besänftigen und die Krise zu
überwinden als eben solche entlarven.
5. Zweifellos werden die politischen Machthaber mit allen Mitteln
versuchen, die Proteste des Volkes zu verebben zu lassen und die
Kontrolle wieder zu erlangen, gar neue Chancen aus dieser Krise zu
erarbeiten. Es ist auch möglich, dass diese Versuche kurzfristig vom
Erfolg gekrönt sind. Auch in diesem Fall wird diese Volksbewegung nicht
für Umsonst gewesen sein. TKP ist bereit sich einer geduldigen,
hartnäckigen aber einer intensiven Arbeitsweg zu begeben.
6. Damit die Teile der sozialistischen Bewegung der Türkei, die für
ähnliche Ziele und aus gemeinsamen Anliegen kämpfen, auch gemeinsam
agieren können, müssen sie schnellstmöglich das rasante Erstarken dieser
Volksbewegung analysieren. Ohne das tägliche Aufgaben und Aktionen zu
vernachlässigen wird die TKP in diesem Punkt die Verantwortung
übernehmen und versuchen im Rahmen folgender aktuellen Forderungen ein
gemeinsames Basis zu schaffen.
7. Um die Spaltungsversuche der Volksbewegung seitens der Regierung
in legale und illegale Teile zu verhindern müssen alle Kräfte sich von
solchen Aktionen distanzieren, die die gesellschaftliche Legitimation
der Bewegung schmälern können. Der Aggressor sind die politischen
Machthaber. Das Volk muss sich und seine legitime Bewegung gegen diese
Angriffe verteidigen, darf aber dabei nicht in die Provokationsfalle der
Regierung tappen.
8. Es ist nicht die Zeit, während die Massen lauthals den Rücktritt
der Regierung fordern, für begrenzte Verhandlungen um Taksim-Gezi-Park
zu treten. Die Regierung will immer noch nicht wahrhaben, dass sich die
Verhältnisse von vor einer Woche unwiederbringlich geändert haben. Jeder
weiß, dass diese Bewegung nicht nur wegen paar Bäumen im Gezi-Park
entstanden ist. Der Zorn richtet sich gegen die Gentrifizierunspolitik,
marktkonformen Terror, das Einmischen in Lebensweisen, gegen
Amerikanismus, gegen Konservatismus und auch gegen das feindliche
Politik gegen das syrische Volk. AKP-Regierung kann das Volk nicht
täuschen, in dem sie für die 3 gefällten Bäume 5 neue Pflanzungen
verspricht.
9. Bei dem Versuch eine Alternative für das werktätige Volk zu
erarbeiten muss die Bewegung einige Forderungen eisern beibehalten.
Diese Forderungen haben auch im Falle eines Rücktritts der
Erdogan-Regierung ihre Gültigkeit.
a- Die Regierung muss sofort den Stopp der Bau- bzw. der Abrisspläne für Gezi-Park und das Atatürk Kultur Zentrum verkünden.
b- Alle festgenommenen Aktivisten müssen sofort und ohne Auflagen freigelassen werden!
c- Die Ereignisse müssen durch Kommissionen der Anwaltskammer überprüft
und die Amtsträger, die sich gegen das Volk schuldig gemacht haben,
müssen sofort ihrer Ämtern enthoben werden.
d- Alle Versuche, die Informationsrecht des Volkes einzuschränken, müssen sofort unterlassen werden.
e- Alle Versammlungs- und Demonstrationsverbote und Einschränkungen müssen beseitigt werden.
f- Die Hindernisse, die die freie und uneingeschränkte politische
Mitwirkung des Volkes einschränken und alle antidemokratischen
Bestimmungen des Parteiengesetzes müssen sofort abgeschafft werden.
g- Alle Bestrebungen dem Volk eine einheitliche Lebensart vorzuschreiben müssen sofort gestoppt werden.
10. Diese dringenden Forderungen ersetzen nicht unser Recht und
Pflicht, gegen das politische System zu kämpfen. Die Widerstandskräfte
des Volkes gegen die Regierung müssen erstarkt und die Bemühungen zur
Schaffung einer realen Alternative intensiviert werden.
11. Die Fahne mit dem Halbmond und dem Stern, die nach dem
faschistischen Putsch vom 12. September zum Symbol der Unterdrückung
aller Werktätigen und der chauvinistischen Aggressionen gegen das
kurdische Volk geworden war, wurde durch das Volk aus den Händen der
Faschismus befreit und wieder zur Fahne des Volkes in der Tradition der
Deniz Gezmis geworden.
12. Von Anbeginn der Bewegung kann man die Bemühungen beobachten, wie
die Versuche, die Völker der Türkei gegeneinander auszuspielen,
vereitelt werden. Diese Haltung muss dringend beibehalten werden. Keine
Chance für Chauvinismus, Nationalismus und Rassismus!
13. Wir sagten, dass ein Frieden mit der AKP-Regierung nicht möglich
ist. Mit einer Regierung, die beim Volk all ihre Kredite verspielt hat,
kann kein Friedensvertrag ausgehandelt werden. Die kurdische Politik
muss die Hoffnungen, die sie in AKP-Regierung setzt, rasch aufgeben und
ihren starken Platz an der Seite der aufgeklärten, patriotischen
Werktätigen in dieser Bewegung einnehmen.
14. Die Mitbürger, die durch Sicherheitskräfte der politischen
Machthaber getötet wurden, haben ihr Leben für einen gerechten und
historischen Kampf gelassen. Dieses Volk wird sie niemals vergessen und
die Schuldigen in Rechenschaft ziehen!
Kommunistische Partei der Türkei
Zentralkomitee
04. Juni.2013
Quelle: redglobe.de
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