Freitag, 21. Juni 2013

Abfuhr für die NPD - Kein Vertrauen zu den politischen Parteien in Schleswig-Holstein

Etwas später als der vorgefertigte Mainstream, dafür quergedacht: Die Nachbetrachtung zur Kommunalwahl Schleswig-Holstein 2013.

Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein und nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten nahm teil. Mit 46,5 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung ihren bisherigen Tiefststand. Vor fünf Jahren waren es noch 49,5 Prozent. Besonders groß war der Anteil der Nichtwähler in traditionellen Arbeiterbezirken. 2008 meinte man, es handle sich um ein einmaliges Ergebnis, weil Schleswig-Holstein zuvor von einer Großen Koalition regiert worden war. Dass es noch schlimmer kommen würde, deutete sich schon bei der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten an. Selbst CDU und SPD hatten Mühe, alle Wahlkreise zu besetzen. FDP und Grüne traten in etlichen Städten und Gemeinden gar nicht erst an. Dabei war die Aussicht, einen Sitz in einem Kreistag oder in einem lokalen Parlament zu erringen noch nie so günstig wie diesmal, weil es keine Fünf-Prozent-Hürde gab.

Viele Mitglieder von Parteien scheuten aber offenbar vor einer Kandidatur zurück, da die Verschuldung der Kommunen so angewachsen ist, dass es fast keine Spielräume für Investitionen mehr gibt. Im Gegenteil verlangen Bund und Länder von den Kommunen, den Riemen noch enger zu schnallen und bei den Ausgaben den Rotstift anzusetzen, was in der letzten Legislaturperiode vor allem auf sozialem und kulturellem Gebiet bereits in großem Maße geschah. Die Proteste der Bürgerinnen und Bürger bekommen die Politiker vor Ort zu spüren, nicht die in Berlin oder in der jeweiligen Landeshauptstadt. Und wer möchte schon von vornherein Prügel beziehen oder sich von Sparkommissaren vorschreiben lassen, welche Ausgaben getätigt werden dürfen und welche nicht? Kommunale Selbstverwaltung ist in Deutschland längst zu einem Schlagwort verkommen. Die Demokratie bleibt auf der Strecke.
Zum Anwachsen der Nichtwählergruppe hat zweifellos auch das sinkende Ansehen der etablierten Parteien beigetragen, die den Willen der Bevölkerungsmehrheit missachten und um die dringendsten sozialen Probleme wie den Mietwucher in den größeren Städten und in der Metropolregion Hamburg einen Bogen machten. So setzt bereits eine Vertreibung von Geringverdienern, Rentnern, Erwerbslosen und Hartz-IV-Empfängern aus ihren Wohngebieten ein, was von der SPD erst gegen Ende der Legislaturperiode überhaupt wahrgenommen wurde und jetzt sogar von Frau Merkel thematisiert wird, deren CDU zusammen mit der FDP kurz vor Weihnachten im Bundestag ein einschneidendes Mietrechtsänderungsgesetz zugunsten der Immobilienhaie und Vermieter durchgesetzt hat.

Vom Parteienverdruss profitierten in Schleswig-Holstein die Freien Wählergemeinschaften, die allerdings keineswegs überall als politisch unabhängig bezeichnet werden dürfen. In Kiel und im Kreis Herzogtum Lauenburg traten zum Beispiel Wählergemeinschaften auf, die von zwei bisherigen NPD-Abgeordneten angeführt wurden. Beide können ihre Plätze wieder einnehmen, wobei der Lauenburger mittlerweile seinen Austritt aus der NPD erklärte und nun mehr als Abgeordneter einer "Rechtsstaatlichen Liga" auftritt. Für die NPD errangen die Nazis einen Sitz in Neumünster.

Sonst ging sie leer aus, was als wichtigstes Ergebnis der Kommunalwahlen anzusehen ist. Sogar der NPD-Landesvorsitzende Ingo Stawitz scheiterte in seiner Heimatstadt Uetersen (Kreis Pinneberg), obwohl es den Nazis gelang, alle 14 Wahlbezirke in der Stadt zu besetzen. Am Ende fehlten ihm neun Stimmen zu einem Mandat in der Ratsversammlung. 

Antifaschistinnen und Antifaschisten hatten bis zum letzten Tag vor der Wahl mit vielfältigen Aktionen gegen die NPD gekämpft. Unter dem Eindruck dieser Proteste musste der NPD-Vorsitzende sogar einen Tag vor der Wahl seinen geplanten Infostand auf dem größten Platz Uetersens absagen. Auch im Pinneberger Kreistag wird es keinen NPD-Vertreter geben. Dieser Erfolg basiert auf der unermüdlichen Arbeit der Antifaschisten vom Bündnis gegen rechts, der VVN-BdA und autonomer Jugendgruppen.

Die Partei "Die Linke" erreichte bei den Kreistagswahlen 2,9 Prozent der Stimmen, büßte aber gegenüber der Wahl vor fünf Jahren rund 4 Prozent ein. Am meisten enttäuscht war die Partei von den Verlusten in der kreisfreien Stadt Lübeck, in der sie vor fünf Jahren mit 11,7 Prozent ein überdurchschnittliches Ergebnis einfuhr, diesmal aber nur auf 3,9 Prozent kam. Eine Analyse sollte auf einem Kreisparteitag erfolgen, dessen Ergebnis bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag. Das beste Wahlergebnis im Land erzielte "Die Linke" in Wedel (Kreis Pinneberg), wo sie im Bündnis mit DKP-Mitgliedern und Parteilosen aus dem Friedens- und Antifa-Spektrum auf 6,9 Prozent kam. Mit zwei Ratsmitgliedern stellt "Die Linke Wedel" wieder eine Fraktion. Eine wichtige Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit für das Bündnis spielte die DKP-Ortszeitung "Die Meinung", die im 45. Jahrgang erscheint und sich seitdem als "kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator" der außerparlamentarischen politischen Linken versteht.

Einen Sitz in der Ratsversammlung büßte "Die Linke" in Itzehoe ein. Dadurch verlor der DKP-Genosse Volker Blaschke, der auf Platz zwei der Liste nominiert wurde, sein Mandat. Bemerkenswert sind noch die 16,9 Prozent der Barmstedter Linken Liste (BALL), die sich aus der einstigen DKP-Fraktion zu einem linken Bündnis entwickelte. Ihr Markenzeichen ist die enge Verzahnung von parlamentarischer und außerparlamentarischer Arbeit, die sich für die Bevölkerung der 9 000-Einwohner-Stadt ausgezahlt hat.

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