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Foto: UZ |
Polizei und Bundeswehr üben den gemeinsamen
Kampf gegen Terroristen
Vom 7.
bis zum 9. März fanden in sechs Städten der Bundesrepublik die Übung „Getex 2017“
von Polizei und Bundeswehr für den Fall eines Terroranschlags statt.
Laut
Deutschem Bundeswehrverband nehmen daran Einheiten aus Bayern,
Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland
teil. Es geht also um den in den letzten Jahren im „Kampf gegen den
internationalen Terrorismus“ immer wieder angekündigten Einsatz der Bundeswehr
im Inneren im Falle einer Überforderung der Polizei.
Wenngleich
eine solche analog ablaufende Anschlagserie von Ursula von der Leyen als
unwahrscheinlich, aber denkbar angesehen wird, stellt sich die Frage, was nun
der konkrete Anlass dieser mit Innenminister de Maizière klandestin
vereinbarten Übung ist. Diesen beiden Ministern zufolge gilt es, das
hoheitliche Handeln der Bundeswehr bei Einsätzen im Landesinnern zu erproben.
Wie diese
Übung konkret aussehen wird, verraten die Behörden der Öffentlichkeit nicht.
Thomas Wiegold, Autor über Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, erläutert in
seinem Internet-Blog „Augen geradeaus!“ den „Befehl Nr. 1 zur Vorbereitung,
Durchführung und Nachbereitung einer gemeinsamen Stabsrahmenübung“. Er stellt
fest, dass schon bisher technische Amtshilfe der Bundeswehr für andere Behörden
möglich war – vermutet aber, dass die Getex-Übung genutzt werden könnte, um
zukünftig Soldaten für hoheitliche Aufgaben im Inland einsetzen zu können. Es
bedarf auch, wie man hinzufügen kann, keines Panzer- und Hubschraubereinsatzes,
einen Lastwagen daran zu hindern, auf einem Weihnachtsmarkt in eine
Menschenmenge zu fahren, zumal wenn der potentielle Attentäter den Behörden
bereits bestens bekannt ist.
Das
Unternehmen sollte ursprünglich überhaupt geheim gehalten werden, wurde aber
schließlich vom Deutschen Bundeswehrverband veröffentlicht, der einen Einsatz
der Bundeswehr im Inneren als „Lückenfüller der Polizei“ selbst ablehnt.
Das
„Getex“-Projekt wurde Mitte letzten Jahres in Bonn vom Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe entworfen und im November 2016 von der
Bundesregierung beschlossen. Während in Nordrhein-Westfalen die Übung am
Computer simuliert wird, muss damit gerechnet werden, dass sie in anderen
Bundesländern reell vorgenommen wird, was einem Probeausnahmezustand
gleichzusetzen wäre.
Ein
konkreter Anlass für die Übung wird von den Verantwortlichen nicht genannt, die
Idee wurde ein halbes Jahr vor dem Anschlag in Berlin entworfen. Die Übung
wird, wenn sie auch außerhalb der Kommandozentralen und auf der Straße
stattfindet, für den größten Teil der betroffenen Bevölkerung überraschend
kommen und zu einer weiteren Hysterie gegenüber der muslimischen Bevölkerung
führen und soll womöglich durch zunehmende Militärpräsenz Sicherheit
vermitteln.
Die
Militarisierung der Städte ist ein alarmierendes Zeichen, das zusammen mit der
zunehmenden Aggression nach außen und der durch von der Leyen auf der
NATO-Sicherheitskonferenz beschworenen Aufstockung der Rüstungsausgaben für die
NATO auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ein einheitliches Bild abgibt.
Von Andreas Grimm
»Entgrenzte Sicherheitspolitik«
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Foto: junge Welt |
Durch gemeinsame Übungen von Polizei und
Bundeswehr wird Einsatz des Militärs im Inland normalisiert. Gespräch mit Rolf
Gössner*
In den vergangenen drei Tagen wurden sogenannte
Stabsrahmenübungen von Polizei und Bundeswehr durchgeführt. Offiziell darf die
Bundeswehr aber gar nicht im Innern eingesetzt werden. Warum und auf welcher
Grundlage werden solche Einsätze dann geprobt?
Der
Bundeswehr-Einsatz im Inland ist ja in Einzelfällen längst schon Realität und
auch begrenzt zulässig – nicht nur im Spannungs- oder Notstandsfall nach den
Notstandsgesetzen, sondern auch im Fall von Katastrophen und schweren Unglücken
als technische oder logistische Amtshilfe zur Unterstützung der Polizei gemäß
Artikel 35 Grundgesetz. Allerdings bislang ohne eigene hoheitlichen Befugnisse.
Doch das soll sich ändern: Die Bundeswehr soll quasi zur nationalen
Sicherheitsreserve im Inland ausgebaut werden, zur »Hilfspolizei« mit eigenen
hoheitlichen Kompetenzen und militärischen Mitteln. So eben auch zur Abwehr von
Terrorangriffen – einer klassischen Aufgabe der Polizei. Etwa im Fall von
bundesweit gleichzeitig verübten Terroranschlägen und wenn die Polizei
überfordert ist. Das ist das Szenario der gemeinsamen Getex-Übungen zur
Bewältigung »terroristischer Großlagen«. Gestützt werden diese Übungen nicht
zuletzt auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, das den Militäreinsatz im
Innern in »Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes« für
grundgesetzkonform erklärte.
In der medialen Auseinandersetzung hat man in
den vergangenen Tagen oft gehört, dass der Inlandseinsatz der Bundeswehr im
Fall von schlimmen Terrorangriffen doch gerechtfertigt sei. Warum ist es so
bedenklich, wenn die Grenze zwischen Polizei und Bundeswehr verwischt wird?
Längst
gibt es eine fatale Tendenz, den Rechtsstaat im Namen von »Sicherheit« und
»Terrorbekämpfung« radikal umzubauen und dabei die verfassungsrechtlichen
Grenzen zwischen Militär und Polizei mehr und mehr zu schleifen. So soll die
Anwendung des Ausnahmezustands als normal erscheinen. Das geht zu Lasten von
Rechtsstaatlichkeit, wirksamer Machtbegrenzung und demokratischer Kontrolle –
und damit auch zu Lasten der Rechtssicherheit im Lande. Diese Art entgrenzter
»Sicherheitspolitik« produziert Unsicherheit und ist in hohem Maße
geschichtsvergessen, weil sie unter Missachtung jener wichtigen Lehren aus der
deutschen Geschichte vollzogen wird, wonach Polizei und Militär, ihre Aufgaben
und Befugnisse, strikt zu trennen sind.
Durch solche Übungen wird doch auch die Angst
vor »terroristischen Großlagen« geschürt. Ist es ein verschwörungstheoretischer
Blickwinkel, hier Kalkül zu unterstellen, um den Einsatz der Bundeswehr im
Innern auch in anderen Bereichen zu rechtfertigen?
Zumindest
haben solche Manöver die Nebenwirkung, die Bevölkerung immer wieder in Angst zu
halten und weich zu kochen. So lassen sich Antiterrormaßnahmen jedenfalls ohne
großen Widerspruch durchsetzen. Angst ist das Schmieröl der Staatstyrannei –
diese Erkenntnis verweist darauf, dass Verunsicherung und Angst als
Herrschaftsinstrumente nutzbar sind. Die Umsetzung dieser Politik mit der Angst
hat seit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 eine
fatale Aufrüstungsdynamik in Gang gesetzt, die Grund- und Freiheitsrechte
beschränkt sowie Demokratie und Rechtsstaat beschädigt. Dabei gerät in
Vergessenheit, dass es weder in einer hochtechnisierten Risikogesellschaft, in
der wir ja leben, noch in einer offenen und liberalen Demokratie absoluten
Schutz vor Gefahren und Gewalt geben kann.
Entwerten solche Übungen und Planspiele nicht
die Arbeit der Polizei, und warum ist das problematisch?

* Rolf Gössner ist
Rechtsanwalt, Publizist und Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für
Menschenrechte
Interview: Claudia Wrobel
aus „junge Welt“ vom 09.03.2017
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