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Martin Schulz will SPD aus dem Tief holen, ohne
das Kapital anzugreifen. Agenda 2010 soll leicht »korrigiert« werden
Martin
Schulz, designierter Kanzlerkandidat der SPD, nutzte den Montagvormittag, um
die Lohnabhängigen einzuseifen. In Bielefeld veranstalteten die
Sozialdemokraten eine »Arbeitnehmerkonferenz«.
Im
Wahlkampfmodus fiel dem bekennenden »Agenda-2010«-Sympathisanten ein, dass
soziale Reformen notwendig seien. Die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I
solle verlängert werden, sagte Schulz dem Boulevardblatt Bild.
Die Verringerung von
befristeten Arbeitsverhältnissen schreibt sich Schulz auf die Wunschliste.
»Darum werden wir die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von
Arbeitsverträgen abschaffen, wenn ich nach dem 24. September Bundeskanzler
bin.« Wenn jahrzehntelange Beschäftigung nicht zu einer Absicherung im Alter
oberhalb der Sozialhilfe reiche, sei die Legitimation der Rentenversicherung in
Frage gestellt. »Wir werden deshalb das Rentenniveau stabilisieren«, sprach er.
Stellt sich die Frage, auf welchem Niveau? Die SPD wolle eine »angemessene
Absicherung«. Weiter wird die Peitsche über den Erwerbslosen geschwungen:
»Jeder muss die Möglichkeit bekommen, aus eigener Kraft den Gang zum Jobcenter
zu verhindern.« Es gehe um den Respekt vor der Lebensleistung eines Menschen.
Zuletzt hielt Schulz seine schützende Hand über kämpferische Gewerkschafter:
Beschäftigte, die Betriebsratswahlen organisieren, sollen vor dem Rausschmiss
bewahrt werden.
Doch das
sozialistische Eiland in Bielefeld wurde zerrüttet, denn auf der Konferenz
tauchten Arbeiter aus dem Niedriglohnsektor auf. Zeitungszusteller der Neuen
Westfälischen Zeitung, die zu 100 Prozent der SPD-Medienholding Deutsche Druck
und Verlagsgesellschaft gehört, protestierten gegen die Armutspolitik der
Partei. Sie würden wegen der geltenden Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn
mit 7,23 Euro pro Stunde abgespeist. Die ver.di-Mitglieder demonstrierten vor
der Veranstaltung. Sprüche wie »Malochen wie ein Pferd, bezahlt werden wie ein
Pony!« waren zu lesen. Betriebsrat Hans-Dietmar Hölscher sagte gegenüber jW,
was die SPD betreibe, sei »Beschiss im Quadrat«. Schulz habe erklärt, »mehr
soziale Gerechtigkeit zu wagen«. In einer Mitteilung erklärten die
Gewerkschafter: »Er und die SPD könnten hier und heute in Bielefeld im eigenen
Unternehmen damit beginnen.« Ein Tarifvertrag wäre ein Anfang. Seit zwölf
Jahren arbeite Hölscher im Betrieb und habe erst einmal eine Lohnerhöhung
bekommen. (…)
Ein
Bonmot hob sich Schulz bis zum Schluss auf: »Dass ich die SPD glücklich mache,
das macht mich glücklich.« Genug Schaum geschlagen – rasieren, bitte!
Von Simon
Zeise
aus junge Welt vom 21.02.2017
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