Uniformfetischismus, Geschichtsklitterung,
»fehlende intellektuelle Tiefe«: Danke, Joachim Gauck. Für fünf Jahre mit
klaren Feindbildern
Monatelang
hat Joachim Gauck das Land auf die Folter gespannt. Tritt der Präsident zu
einer zweiten Amtszeit an? Festlegen wollte er sich lange nicht, aber gern
darüber reden. Nun weiß die Welt Bescheid – nein, er werde nicht erneut
kandidieren, so das Staatsoberhaupt am Montag in einer Erklärung – und die
Diskussion verlagert sich: Wer wird Nachfolger? Darüber kann bis zum Frühjahr
2017 trefflich gestritten werden.
Im Jahr
2000 gab der Chefinquisitor den Posten ab. Die folgenden Jahre verdingte er
sich als Berufsredner, tingelte durch die Provinz und hielt verbissen
antikommunistische, deutschtümelnde Reden – klassische Karriere als
Rechtspopulist, würde man heute sagen. Die Oder-Neiße-Grenze, für ihn ein
sowjetisches Verbrechen: »Einheimischen wie Vertriebenen galt der Verlust der
Heimat als grobes Unrecht, das die Kommunisten noch zementierten, als sie 1950
die Oder-Neiße-Grenze als neue deutsch-polnische Staatsgrenze anerkannten.«
Kein
Wunder, dass die Erwartungen hoch flogen, als es Gauck, nach einer erfolglosen
Kandidatur im Jahr 2010, nach zwei Jahre noch ins Amt schaffte. Die Junge
Freiheit jauchzte: »Die verbliebenen Rechten und Konservativen (…) erhoffen
sich, dass Gauck den Staatsschlitten bei rasender Fahrt von der tödlichen Piste
bugsiert.«
Diese
Erwartung konnte er nicht erfüllen. »Fehlende intellektuelle Tiefe«,
attestierte ihm Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Die Zielgruppe, die
der gelernte Pastor jahrelang als Politprediger unterhalten hatte, ist oft
direkt zur AfD oder zu Pegida weitergezogen – Gauck aber saß in Amt und Würden
fest. So blieb ihm nur, die »Glückssucht« der Bevölkerung zu geißeln und
klarzumachen, wessen Pfaffe er nun ist: der der Garnison. Die Bundeswehr, sie
sollte Gaucks späte, große Liebe werden.
Die
Linke, die wohl vergessen hat, dass die Funktion des 2010 von Grünen und der
SPD aufgestellten Gauck nur die eigene Demütigung war, schwelgt in
Blütenträumen. Die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger haben am
Montag die beiden Parteien aufgefordert, »einen gemeinsamen Kandidaten« zu
benennen. Dominic Heilig, Sprecher des »Forums demokratischer Sozialismus« in
Der Linken, hofft im Neuen Deutschland auf ein »Wunder«.
Wenn es
mit der Regierung nicht mehr klappt, dann vielleicht wenigstens mit dem
Grüßaugust.
Von
Sebastian Carlens
aus junge Welt vom 07.06.2016
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