Aus dem Referat des DKP-Vorsitzenden Patrik
Köbele auf der 4. Tagung des Parteivorstands:
Für rund
15 Prozent aller in der Bundesrepublik bestehenden Arbeitsverhältnisse, also
für rund sechs Millionen Beschäftigte, haben die beiden größten Gewerkschaften
Ergebnisse erzielt. Ver.di forderte für den Bereich von Bund und Kommunen 6
Prozent und die IG Metall für den Bereich der Metall- und Elektroindustrie 5
Prozent Lohnerhöhung bei jeweils einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Ver.di
erzielte einen Abschluss in Höhe von 2,4 Prozent ab dem 1. März 2016 und 2,35
Prozent ab dem 1. Februar 2017 mit einer Laufzeit von 24 Monaten. Leider hält
der Medienunsinn nun auch in den Gewerkschaften Einzug. Es wurden nicht 4,75
Prozent ausgehandelt, sondern im Verhältnis zur Forderung von 6 Prozent auf 12
Monate sind es gerade mal 2,4 Prozent. Die lange Laufzeit, mit einer weiteren
Erhöhung nächstes Jahr, macht das Ganze für die Unternehmer kalkulierbarer und
für die Beschäftigten riskanter.
Die IG
Metall erzielte einen Abschluss in zwei Schritten in Höhe von 2,8 Prozent ab 1.
Juli 2016 und 2 Prozent an dem 1. April 2017 sowie eine Einmalzahlung in Höhe
von 150 Euro. Die Laufzeit beträgt 21 Monate. Auch das hat mit 4,8 Prozent, wie
es verkauft wird, nichts zu tun. Als ein Erfolg muss erwähnt werden, dass die
IG Metall eines ihrer Ziele erreicht hat, nämlich wieder mehr Beschäftigte in
den Tarifvertrag zu holen. Zum ersten Mal bezog sie in der Auseinandersetzung
auch Betriebe in die Tarifrunde ein, die keinen Tarifvertrag haben. Immerhin
konnte die IG Metall seit Anfang des Jahres in 40 Betrieben einen Tarifvertrag
abschließen, während in etwa 100 Betrieben derzeit noch Verhandlungen laufen.
Kritisch zu betrachten ist die im Tarifvertrag vereinbarte Regelung, dass die
Betriebe bei den Tarifvertragsparteien im Fall einer wirtschaftlichen
Schieflage eine Abweichung von der Tariferhöhung beantragen können. Zwar ist
diese begrenzt, sie bedeutet aber schon jetzt einen Lohnverlust, wenn eine
solche Schieflage in der Zukunft eintritt. Oder anders ausgedrückt bei
wirtschaftlichem Misserfolg muss die Arbeiterklasse bluten, weniger jedoch das
Kapital. Vor dem Hintergrund, dass allein die börsennotierten Unternehmen in
2015 einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 41,3 Milliarden Euro erzielt
haben, ist ein Abschluss mit einem Gegenwert von gut geschätzt 4,5 Milliarden
Euro nicht gerade als besonders erfolgreich einzuschätzen. Betrachtet man die
Reallohnverluste vergangener Jahre, erinnert man sich daran, dass früher die
Faustformel galt: Inflationsausgleich plus Produktivitätssteigerung plus
Umverteilung, dann sind wir davon sehr weit weg.
Diese
beiden Tarifrunden liefern relativ zeitgleich ab. Noch in der letzten
Parteivorstandstagung hatten wir darauf hingewiesen, dass diese Situation die
Möglichkeit bietet, dass es zu gemeinsamen Aktionen von Beschäftigten im
öffentlichen Dienst und der Metall- und Elektroindustrie kommen müsste. Um wie
viel besser die Ergebnisse gewesen wären, können wir nur erahnen.
Liebe
Genossinnen und Genossen,
im
Gesundheitswesen wird mit den Kämpfen um Personalbemessung endlich gefragt, wie
viel Personal für ein Gesundheitswesen notwendig ist, das für Patienten und
Beschäftigte erträglich ist – anstatt zu fragen, was sich rentiert. Ein
wichtiger Schritt.
Sehen wir
uns hierzu zunächst die Ergebnisse von drei Untersuchungen an: 2013 wurde in
200 Krankenhäusern durch ver.di ein Personalcheck durchgeführt. Die
Beschäftigten wurden befragt. Das Ergebnis ist so erschütternd wie eindeutig:
hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Beschäftigten und Krankenhäuser fehlen
bundesweit 162.000 Vollzeitstellen, das sind knapp 20 Prozent aller Vollzeitstellen
in Krankenhäusern in Deutschland. Auf die Pflege entfallen 70.000, unter allen
anderen Dienstarten, also zum Beispiel im ärztlichen Dienst, im
medizinisch-technischen Dienst oder in der Haustechnik 92.000 Stellen. 2015
besuchte ver.di 237 Krankenhäuser mit insgesamt etwa 2.800 Bereichen, in denen
regelmäßig Nachtdienst geleistet wird, damit wurden etwas mehr als 11 Prozent
aller Kliniken erreicht. Und auch hier sind die Ergebnisse mehr als
erschreckend. Auf fast 56 Prozent der Stationen arbeitete eine Fachkraft
allein, sie musste durchschnittlich 25 PatientInnen versorgen. Knapp 60 Prozent
der Beschäftigten zeigten auf, dass durch mehr Personal gefährliche Situationen
hätten verhindert werden können. Mehr als drei Viertel aller Befragten gaben an,
in der letzten Nachtschicht keine ungestörte Pause gehabt zu haben. Und auch
der Fachstandard, dass eine Intensivpflege-Fachkraft zwei Patientinnen betreut,
wird nur auf wenigen Intensivstationen (8 Prozent) eingehalten. Auf rund 92
Prozent der Stationen musste eine Pflegekraft drei und mehr Patientinnen
betreuen.
Nur
wenige Tage alt ist die aktuellste Untersuchung. Hier wurden die Beschäftigten
in 295 Krankenhäusern zum Thema Überstunden befragt. Das Ergebnis: Die
Beschäftigten in den Krankenhäusern schieben 35,7 Millionen Überstunden vor
sich her, also 32,5 Überstunden pro Person. Ursache ist ein Personalmangel, der
dazu führt, dass zur Aufrechterhaltung der Versorgung im Durchschnitt vier
Überstunden pro Beschäftigten schon im Voraus in die Dienstpläne eingestellt
werden. Hinzu kommen zwölf unvorhersehbare Überstunden pro Beschäftigten und
Monat. Anders ausgedrückt: die Pflegekräfte müssen 10 Prozent ihrer Arbeitszeit
Monat für Monat zu einem nicht planbaren Zeitpunkt erbringen.
Ohne das
zusätzliche Engagement des Pflegepersonals würde das System Krankenhaus nicht
mehr funktionieren. Nach Berechnungen von ver.di sind 17.800 zusätzliche
Stellen in den Krankenhäusern notwendig, um Überstunden dauerhaft zu vermeiden.
Gleichzeitig wird das Pflegestellenförderprogramm der Bundesregierung
kritisiert, mit dem in den nächsten Jahren lediglich nur bis zu 6.200
zusätzliche Stellen finanziert werden sollen.
Für diese
Missstände können mindestens zwei Ursachen genannt werden: Zum einen die
Einführung von Fallpauschalen (DRGs), in deren Folge vor allem die Anzahl der
Pflegekräfte in den Krankenhäusern gesunken, die Fallschwere („Wie krank sind
die Patientinnen?“) und die Fallanzahl („Wie viele Patientinnen werden
gepflegt?“) jedoch gestiegen ist. Zum anderen die Privatisierung von
Krankenhäusern, die dazu führt, dass die Krankenhäuser im Wettbewerb
untereinander Profite erwirtschaften müssen, und das unter anderem durch
Personalabbau und Fachkräfteschwund erreicht wird.
Aufgrund
der dargestellten erschreckenden Ergebnisse will ver.di jetzt für einen
„Tarifvertrag Entlastung“ die Weichen für einen Arbeitskampf im Herbst diesen
Jahres stellen. Die Kolleginnen und Kollegen bei der Charité haben einen ersten
wichtigen Erfolg errungen und wichtige Erfahrungen gesammelt. Im Saarland
bereitet ver.di sich auf einen Kampf vor, der die einzelbetriebliche Ebene
verlässt und alle 21 Krankenhäuser umfasst – eine wichtige neue Qualität, die
das Ausspielen untereinander verhindern kann. Neue Erfahrungen werden mit der
Verwurzelung des Kampfes an der Basis gemacht. Über Tarifberater werden auch
(noch) unorganisierte Kolleginnen und Kollegen einbezogen. In Hamburg wurde
Anfang dieser Woche durch den ver.di-Vorstand beschlossen, initiativ zu werden.
Es soll eine Bewegung durch ein breites Bündnis bzw. Netzwerk bis weit in
bürgerliche Gesellschaftsschichten und unter Einbindung bekannter
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vorangetrieben werden. Diese Bewegung
soll einerseits das öffentliche Klima positiv beeinflussen, und andererseits die
Tarifauseinandersetzung der Gewerkschaft aktiv begleiten.
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