In wenigen
Tagen beginnt in Frankreich die »größte EM aller Zeiten«, wie die Veranstalter
nicht gerade bescheiden erklären. Die reibungslosen Reisemöglichkeiten zu den
mit viel Geld für die UEFA-Ansprüche renovierten oder neu gebauten Arenen
stehen allerdings aktuell noch auf der Kippe.
Der Abbau grundlegender sozialer
Errungenschaften zugunsten einer »Agenda 2010« auf Französisch wollen sich die
arbeitenden Massen und ihre Gewerkschaften nicht so einfach von der
sozialdemokratischen Regierung stehlen lassen.
Diskreditieren durch Wühlen im Privatleben, wie in der Vergangenheit unter
anderem bei dem Präsidenten der deutschen Lokführergewerkschaft, Claus
Weselsky, geschehen, der im Gegensatz zu den sozialdemokratisch befriedeten
Gewerkschaften nicht klein beigeben wollte und mit Hilfe der Massenmedien zum
Haßobjekt der Bevölkerung gemacht wurde. Zu offener Solidarität mit den
Kollegen in Frankreich oder Belgien will man sich anscheinend unter deutschen
Gewerkschaften noch nicht hinreißen lassen, aus Angst vor Rüffeln. In
Frankreich gehen die Uhren noch immer anders. Rund drei Viertel der Bevölkerung
sympathisieren mit den Forderungen der Streikenden, obwohl sie das Land lähmen.
Auch die
Eisenbahner streiken unbefristet und gestern fuhren nach Informationen der SNCF
nur rund 60 Prozent aller TGV. Viele Fußballfans werden mit dem Zug anreisen.
Sollte der Streik bis in die Europameisterschaft hinein andauern, wird der Plan
von Regierung und Wirtschaftsbossen wahrscheinlich sein, die Enttäuschung über
nicht gesehene Spiele zu ihren Zwecken gegen den sozialen Widerstand der
Streikenden zu lenken. Auch wer den Fußball und solche Turniere liebt, ist in
den meisten Fällen vermutlich selbst Lohnabhängiger und sollte darüber
nachdenken, ob trotz der Enttäuschung nicht Solidarität angebracht ist.
Aus
diesem Grund sollten auch linke Politiker und Aktivisten nicht, wie in schöner
Regelmäßigkeit vor und während der letzten Turniere, wieder den Fehler begehen,
reaktionäre Parolen gegen Fußballfans nachzuplappern, weil sie selbst in den
meisten Fällen mit Fußball nichts zu tun haben und es nicht besser wissen. Es
sind mitnichten alle Fußballanhänger hohlköpfige, Bunnyohren in Länderfarben
tragende Kleingeister, die nur konsumieren wollen. Das haben nicht nur die
Proteste der französischen Ultras gegen den Ausnahmezustand seit dessen
Bestehen im Lande gezeigt, sondern auch Tahrir und Taksim bei den Aufständen in
der arabischen Welt, wo etwa die Ultras der großen lokalen Klubs die Versorgung
der Demonstrierenden sicherstellten.
Zeigen
wir Fußballfans den Streikenden in Frankreich, daß Solidarität stärker ist als
die Hetze, welche Regierung und Wirtschaft in ihren Medien verbreiten, und daß
Fußball, bei aller Liebe zum Spiel, nicht das Wichtigste auf dem Erdball ist.
Von
Christoph Kühnemund
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