Am 8. Mai
1945 wurde ganz Europa von dem Verbrechersystem des deutschen Faschismus und
seinem Krieg befreit. Mehr als 55 Millionen Menschen waren zuvor Nazi-Terror,
Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer gefallen. Millionen Menschen auf der
ganzen Welt bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit
unvorstellbarem Leid.
Anstifter
und Nutznießer des Raub- und Vernichtungskrieges waren deutsche Banken und
Konzerne, allen voran der Chemie- und Rüstungsindustrie. Die deutsche
Wirtschaft profitierte von der „Arisierung“ und der Ausbeutung von
KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern ebenso wie von der Ausplünderung der
besetzten Länder. Unvorstellbar, welch weitere Opfer es gekostet hätte, wäre
der Faschismus nicht besiegt und zerschlagen worden.
Deshalb verdanken wir als
heute Lebende die Grundlagen eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den
Siegern des 8. Mai. Die alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote Armee mit
Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen hatte, sind auch unsere
Befreier. Ihre Rolle und die des Widerstands in Deutschland und den von der
Wehrmacht besetzten Ländern zu würdigen und die geschichtliche Wahrheit über
Ursachen und Folgen des Faschismus zu bekräftigen, ist bis heute eine
unerlässliche Pflicht.
Trotz
schwieriger politischer Konstellationen folgte dem Sieg über den Faschismus in
Europa eine lange Friedensperiode. Der Drang der Völker, nach zwei mörderischen
Kriegen dauerhaft friedliche Beziehungen aufzubauen und demokratische
Verhältnisse zu errichten, trug Früchte. Diese Periode endete mit dem
Jugoslawien-Krieg, an dem sich auch Deutschland wieder beteiligte. Dieser
Wiedereintritt Deutschlands in die Reihe der Krieg führenden Länder war ein
eklatanter Bruch mit den Lehren der jüngeren deutschen Geschichte. Heute sind deutsche
Waffen – und oft auch deutsches Militär – wieder an den meisten Kriegen in der
Welt beteiligt. Die Bereitschaft, „deutsche Interessen“ mit militärischen
Mitteln durchzusetzen, wurde gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung
erneut zur politischen Praxis der Regierenden.
Mit
großer Sorge sehen wir, dass die gegenwärtige Krise um die Ukraine Europa an
den Rand eines neuen Krieges treibt. An dieser gefährlichen Entwicklung tragen
die deutsche Regierung, die EU und die NATO erhebliche Mitschuld. Entgegen den
Festlegungen des 2-plus-4-Vertrages haben sich NATO und EU Schritt für Schritt
an die heutigen Grenzen Russlands heran erweitert. Mit der Einbeziehung der
Ukraine in EU und NATO-Strategien wurde eine explosive Situation geschaffen.
Nicht als Vermittler, sondern als Konfliktpartei, behandeln NATO und EU
Russland heute als neuen alten Feind, dem sie mit Propaganda, Drohgebärden und
Sanktionen gegenübertreten. Wir fordern die sofortige Beendigung dieser
gefährlichen Politik. Im 70. Jahr der Befreiung vom Faschismus steht die
Bundesregierung in der historischen Verantwortung, eine neue
Entspannungspolitik mit Russland auf den Weg zu bringen, in der die
Sicherheitsinteressen aller Beteiligten Berücksichtigung finden. An den 8. Mai
1945 zu erinnern, heißt heute mehr denn je, den Frieden in Europa zu sichern.
Eine starke Friedensbewegung muss Druck machen für Verständigung und Abrüstung
statt Hetze und Rüstungsexport.
Wir
werden als Antifaschist/innen und Aktive aus der Friedensbewegung diese Lehre
aus der Geschichte mit vielfältigen Veranstaltungen, die am und um den 8. Mai
in der ganzen Republik stattfinden werden, in die Öffentlichkeit bringen. Und
wir rufen alle Demokratinnen und Demokraten, insbesondere die jungen Menschen
auf: Erinnert mit einer Vielzahl von regionalen und örtlichen Veranstaltungen
das ganze Jahr über an die Befreier und an die großen Hoffnungen der Befreiten.
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!
Ein Aufruf von:
Ludwig Baumann, Rolf Becker, Esther Bejarano, Volker Bethge, Henny
Dreyfuss, Prof. Dr. Heinrich Fink, Silvia Gingold, Lühr Henken, Willi
Hoffmeister, Liesl Jäger, Jutta Kausch, Patrik Köbele, Dieter Lachenmeyer,
Bernd Meimberg, Willi van Ooyen, Günter Pappenheim, Peggy Parnass, Karl-Heinz
Peil, Sally Perel, Tobias Pflüger, Anne Rieger, Ulrich Sander, Monty Schädel,
Horst Schmitthenner, Gert Schramm, Prof. Dr. Ursula Schumm-Garling, Friedo
Seydewitz, Frank Skischus, Justin Sonder, Eckart Spoo, Dr. Peter Strutynski,
Horst Trapp, Bernhard Trautvetter, Peter Christian Walther, Konstantin Wecker,
Marianne Wilke, Steffi Wittenberg, Kutlu Yurtseven
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