Donnerstag, 29. Januar 2015

Antifa ist mehr

Debatte: Reichen Blockaden, Outings und Demonstrationen, um den Zulauf für rechte Kräfte zu stoppen? Gesellschaftliches Terrain wird anders gewonnen.

»Ein Faschist, der nichts ist als ein Faschist, ist ein Faschist. Ein Antifaschist, der nichts ist als ein Antifaschist, ist kein Antifaschist.« 
(Erich Fried)

In Griechenland kam die offen terroristisch agierende Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung) bei den Parlamentswahlen am Wochenende auf 6,3 Prozent, in Österreich ist die islamophobe rassistische FPÖ längst zur etablierten Größe im bürgerlichen Politspektakel geworden, in Frankreich wächst der Front National seit Jahren, und wenn man sich die Stärke neofaschistischer Gruppen in Polen oder der Ukraine ansieht, wird einem angst und bange.

Deutschland hatte lange Zeit – trotz unbestreitbar vorhandener rechter und rassistischer Überzeugungen in einem nicht marginalen Teil der Bevölkerung – keine neofaschistische Bewegung, die Massenwirksamkeit entfalten konnte. Zu einzelnen Events reiste eine größere Anzahl Neonazis an, aber von einer tatsächlichen »Bewegung« konnte kaum die Rede sein.

Hier ist seit kurzer Zeit eine Art nachholende Entwicklung zu beobachten. Nachdem Redner der »Montagsmahnwachen für den Frieden« den Unterschied zwischen links und rechts für überholt erklären wollten, trat bei den Aufmärschen der »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa) sowie diversen »Nein zum Heim«-Demonstrationen und schließlich bei denen der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida) ein rassistisches, nationalistisches Milieu zutage, das Anknüpfungspunkte für organisierte Neonazis bietet. Für neoliberale rechte Parteien wie die »Alternative für Deutschland« und »Pro Deutschland« sowieso.

Für Antifaschistinnen und Antifaschisten stellt sich die drängende Frage: Was tun? Zurückgegriffen wird auf Konzepte, wie wir sie aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kennen: möglichst breite Bündnisse, Gegendemonstrationen, Blockaden, hin und wieder ein »Outing«, um die Köpfe hinter den rechten Mobilisierungen unter Druck zu setzen. Falsch ist das alles nicht. Aber es wird nicht reichen.

Denn all diese Mittel zielen darauf ab, den organisierten Ausdruck rechter Mobilisierungen zu unterdrücken. Im Kampf um das gesellschaftliche Terrain bringen sie keinen Meter Fortschritt. Den kann es nur geben, wenn reale Gegenmacht in Wohngegenden, Betrieben und gesellschaftlichen Milieus hergestellt wird. Dafür braucht es mehr als antifaschistische Gegenproteste, es braucht eine radikale Linke, die den alltäglichen Bedürfnissen der arbeitenden Klasse gerecht wird.

Dieser Ansatz ist nicht neu, im Gegenteil. Er ist der älteste in der antifaschistischen Bewegung überhaupt. »Antifaschistische Aktion«, so ein Artikel des KPD-Politikers und Widerstandskämpfers Theodor Neubauer von 1932, »das heißt Kampf gegen jeden Pfennig Lohn- und Unterstützungsabbau, gemeinsame Aktion von Betriebsarbeitern und Arbeitslosen gegen die Hungerdiktatur.« Antifaschistische Aktion, so Neubauer, sei auch »die Organisierung des Massenkampfes für die Verteidigung der Lebensinteressen der Werktätigen« und nicht zuletzt auch »rote Einheitsfront im Kampf gegen die Gefahr des imperialistischen Weltkriegs«.

Unsere Sprache hat sich geändert, aber antifaschistische Aktion muss auch heute mehr als der Kampf gegen Neonazis auf der Straße sein: Der Kampf um das »Recht auf Stadt«, gegen Gentrifizierung und Mietsteigerung, der gemeinsame Kampf mit Beschäftigten wie denen bei Amazon oder der »Mall of Berlin«.

Denn hier, nicht in reaktiven Gegenprotesten, wird gesellschaftliches Terrain gewonnen. Hier entsteht Gegenmacht, hier beginnt die Politisierung größerer Menschenmassen. Dies ist Voraussetzung für eine weitere von Neubauer genannte Kampfform, die wir angesichts der zunehmenden Angriffe auf Flüchtlinge dringend brauchen: »Antifaschistische Aktion, das heißt Organisierung des roten Selbstschutzes der Massen gegen den Terror des Faschismus.« Nicht zuletzt muss es der Kampf gegen die aggressive Außenpolitik Deutschlands sein – nicht nur, aber zum Beispiel in der Ukraine.

»Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen.«
Max Horkheimer (1939)

Peter Schaber ist Redakteur des Blogs Lower Class Magazine

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