Dänemark sucht Standort für ein atomares
Endlager – auch ein Gebiet am Fehmarnbelt nahe der künftigen Querung steht zur
Debatte
Kein
einziges kommerzielles Atomkraftwerk hat Dänemark betrieben, und doch sucht das
Land jetzt nach einem Endlager für seinen radioaktiven Müll. Ein möglicher
Standort ist ein 20 Quadratkilometer großes Gelände bei Rødbyhavn am
Fehmarnbelt, direkt am nördlichen Ausgang des geplanten Straßen- und
Eisenbahntunnels unter der Ostsee. An dem laufenden Umweltprüfungsverfahren
kann sich auch die deutsche Öffentlichkeit beteiligen.
Es geht
um die dauerhafte Deponierung von etwa 5.000 Kubikmetern schwach- und mittelradioaktiver
Abfälle – strahlende Hinterlassenschaft aus der Forschung, aus Krankenhäusern,
vor allem aber aus dem dänischen Forschungszentrum Risø bei Roskilde. Dort
waren zwischen 1957 bis 2000 insgesamt drei Forschungsreaktoren in Betrieb. Die
hochradioaktiven Rückstände aus Risø wurden bereits vor Jahren in die USA
exportiert. Der weniger stark strahlende und Wärme entwickelnde Abfall – unter
anderem radioaktiver Bauschutt und Schrott sowie kontaminierte Arbeitskleidung
– soll nun unter dänischem Boden verbuddelt werden.
Die
Fläche am Fehmarnbelt ist dabei nicht unbedingt der Favorit, denn sie liegt nur
vier Meter über dem Meeresspiegel. »Klimaveränderungen werden begrenzte
Auswirkungen auf das Gebiet haben«, zitierten lokale Medien kürzlich aus einem
Bericht des federführenden Gesundheitsministeriums in Kopenhagen. Ein
steigender Meeresspiegel werde den Kamm des dortigen Deichs zwar nicht
erreichen – »doch bei extremen Sturmverhältnissen wird der Druck auf den Deich
zunehmen«.
Im Rahmen
einer sogenannten »strategischen Umweltprüfung« werden derzeit die möglichen
Folgen eines Atommüllendlagers untersucht. Weil zu diesen auch
grenzüberschreitende Auswirkungen gehören, dürfen auch Einwohner, Verbände und
Behörden aus der Bundesrepublik schriftliche Einwände vorbringen. Die Frist
dafür läuft am 25. Januar ab, wie das niedersächsische Umweltministerium auf
seiner Homepage mitteilt.
Kritische
Kommentare zu den Endlagerplänen und insbesondere dem möglichen Standort
Rødbyhavn liegen bereits aus Schleswig-Holstein vor. Dabei positionierten sich
die Parteien auf Fehmarn ebenso gegen ein Endlager auf der Nachbarinsel wie der
Tourismusverband Schleswig-Holstein. Dessen Kogeschäftsführerin Catrin Homp
sagte dem Zeitungsverbund shz, das Image des Bundeslandes werde durch eine so
nahe Atomanlage empfindlich gestört.
Die SPD
im holsteinischen Oldenburg forderte das dänische Gesundheitsministerium auf,
die Planungen für ein solches Endlager in Rødbyhavn fallen zu lassen. »Ein
Deichbruch hätte unmittelbar die Überflutung der Endlagerstätten und damit eine
Gesundheitsgefahr der Bevölkerung auf Lolland und in Ostholstein zur Folge«,
hieß es. »Es darf nicht sein, dass die gemeinsamen touristischen Bemühungen zur
Stärkung der Region durch ein solches Endlager für radioaktive Abfälle
konterkariert werden.« Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) setzt darauf,
dass ausschließlich strahlender Müll aus Dänemark in das Endlager kommt.
Atommülltourismus über den Fehmarnbelt dürfe es nicht geben.
Unabhängig
von den aktuellen Endlagerplänen gilt Dänemark für Atomkraftgegner durchaus als
eine Art Vorzeigeland. Zwar zählte der Staat lange Zeit zu den führenden
Forschungsnationen im Bereich der Atomenergie, der Physiker Niels Bohr erhielt
1922 den Nobelpreis. Doch Ende der 1970er Jahre formierte sich eine starke
Gegenbewegung, die auch die Parole »Atomkraft? – Nein danke!« (»Atomkraft? –
Nej tak!«) und den zugehörigen Anstecker mit lachender roter Sonne auf gelbem
Grund erfand. Bis heute wurden geschätzt 30 Millionen Sticker und Aufkleber in
mehr als 40 Sprachen hergestellt. Sogar im Deutschen Historischen Museum in
Berlin, dessen Exponate alle Epochen der deutschen Geschichte dokumentieren,
hat der Button unter der Katalognummer AK300241 Aufnahme gefunden.
Maßgeblich
unter dem Druck dieser Bewegung untersagte das Parlament in Kopenhagen 1985 den
Bau von kommerziellen Atomkraftwerken. Nach der Fukushima-Katastrophe 2011
forderte das Land den europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie. Stattdessen
setzt Dänemark verstärkt auf erneuerbare Energien. 2014 deckten Wind, Sonne und
Wasserkraft bereits mehr als die Hälfte des heimischen Strombedarfs. Allein 30
Prozent der elektrischen Energie wird von Windkraftanlagen ins Netz gespeist.
An stürmischen Tagen wie zuletzt Anfang 2015 kommt es bereits vor, dass diese
Anlagen mehr als 100 Prozent des Bedarfs produzieren und Strom exportiert
werden muss.
Glaubt
man der Propaganda der hiesigen Atom- und Kohleindustrie, die den Umbau der
Stromversorgung nach Kräften sabotiert, müsste in Dänemark bei so viel
unregelmäßigem Windstrom eigentlich alle paar Wochen das Netz zusammenbrechen.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Stromversorgung ist die sicherste in Europa.
Das liegt auch daran, dass Großkraftwerke in Dänemark eine Ausnahmeerscheinung
sind. Meist sind kleinere Einheiten mit Kraftwärmekopplung am Netz, die
flexibel gefahren werden können.
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