Montag, 26. Januar 2015

Gefahr am Tunnelende

Dänemark sucht Standort für ein atomares Endlager – auch ein Gebiet am Fehmarnbelt nahe der künftigen Querung steht zur Debatte

Kein einziges kommerzielles Atomkraftwerk hat Dänemark betrieben, und doch sucht das Land jetzt nach einem Endlager für seinen radioaktiven Müll. Ein möglicher Standort ist ein 20 Quadratkilometer großes Gelände bei Rødbyhavn am Fehmarnbelt, direkt am nördlichen Ausgang des geplanten Straßen- und Eisenbahntunnels unter der Ostsee. An dem laufenden Umweltprüfungsverfahren kann sich auch die deutsche Öffentlichkeit beteiligen.

Es geht um die dauerhafte Deponierung von etwa 5.000 Kubikmetern schwach- und mittelradioaktiver Abfälle – strahlende Hinterlassenschaft aus der Forschung, aus Krankenhäusern, vor allem aber aus dem dänischen Forschungszentrum Risø bei Roskilde. Dort waren zwischen 1957 bis 2000 insgesamt drei Forschungsreaktoren in Betrieb. Die hochradioaktiven Rückstände aus Risø wurden bereits vor Jahren in die USA exportiert. Der weniger stark strahlende und Wärme entwickelnde Abfall – unter anderem radioaktiver Bauschutt und Schrott sowie kontaminierte Arbeitskleidung – soll nun unter dänischem Boden verbuddelt werden.

Ab 2008 hatten die Behörden des Landes zunächst 22 mögliche Lagerstätten ausgewählt und nach geologischen Kriterien bewertet. Nach diesen Prüfungen blieben Rødbyhavn und fünf weitere Standorte übrig. Drei davon liegen am Limfjord in Nordjütland, einer in der Nähe der Großstadt Odense auf Fünen und einer auf der Ferieninsel Bornholm.

Die Fläche am Fehmarnbelt ist dabei nicht unbedingt der Favorit, denn sie liegt nur vier Meter über dem Meeresspiegel. »Klimaveränderungen werden begrenzte Auswirkungen auf das Gebiet haben«, zitierten lokale Medien kürzlich aus einem Bericht des federführenden Gesundheitsministeriums in Kopenhagen. Ein steigender Meeresspiegel werde den Kamm des dortigen Deichs zwar nicht erreichen – »doch bei extremen Sturmverhältnissen wird der Druck auf den Deich zunehmen«.

Im Rahmen einer sogenannten »strategischen Umweltprüfung« werden derzeit die möglichen Folgen eines Atommüllendlagers untersucht. Weil zu diesen auch grenzüberschreitende Auswirkungen gehören, dürfen auch Einwohner, Verbände und Behörden aus der Bundesrepublik schriftliche Einwände vorbringen. Die Frist dafür läuft am 25. Januar ab, wie das niedersächsische Umweltministerium auf seiner Homepage mitteilt.

Kritische Kommentare zu den Endlagerplänen und insbesondere dem möglichen Standort Rødbyhavn liegen bereits aus Schleswig-Holstein vor. Dabei positionierten sich die Parteien auf Fehmarn ebenso gegen ein Endlager auf der Nachbarinsel wie der Tourismusverband Schleswig-Holstein. Dessen Kogeschäftsführerin Catrin Homp sagte dem Zeitungsverbund shz, das Image des Bundeslandes werde durch eine so nahe Atomanlage empfindlich gestört.

Die SPD im holsteinischen Oldenburg forderte das dänische Gesundheitsministerium auf, die Planungen für ein solches Endlager in Rødbyhavn fallen zu lassen. »Ein Deichbruch hätte unmittelbar die Überflutung der Endlagerstätten und damit eine Gesundheitsgefahr der Bevölkerung auf Lolland und in Ostholstein zur Folge«, hieß es. »Es darf nicht sein, dass die gemeinsamen touristischen Bemühungen zur Stärkung der Region durch ein solches Endlager für radioaktive Abfälle konterkariert werden.« Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) setzt darauf, dass ausschließlich strahlender Müll aus Dänemark in das Endlager kommt. Atommülltourismus über den Fehmarnbelt dürfe es nicht geben.

Unabhängig von den aktuellen Endlagerplänen gilt Dänemark für Atomkraftgegner durchaus als eine Art Vorzeigeland. Zwar zählte der Staat lange Zeit zu den führenden Forschungsnationen im Bereich der Atomenergie, der Physiker Niels Bohr erhielt 1922 den Nobelpreis. Doch Ende der 1970er Jahre formierte sich eine starke Gegenbewegung, die auch die Parole »Atomkraft? – Nein danke!« (»Atomkraft? – Nej tak!«) und den zugehörigen Anstecker mit lachender roter Sonne auf gelbem Grund erfand. Bis heute wurden geschätzt 30 Millionen Sticker und Aufkleber in mehr als 40 Sprachen hergestellt. Sogar im Deutschen Historischen Museum in Berlin, dessen Exponate alle Epochen der deutschen Geschichte dokumentieren, hat der Button unter der Katalognummer AK300241 Aufnahme gefunden.

Maßgeblich unter dem Druck dieser Bewegung untersagte das Parlament in Kopenhagen 1985 den Bau von kommerziellen Atomkraftwerken. Nach der Fukushima-Katastrophe 2011 forderte das Land den europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie. Stattdessen setzt Dänemark verstärkt auf erneuerbare Energien. 2014 deckten Wind, Sonne und Wasserkraft bereits mehr als die Hälfte des heimischen Strombedarfs. Allein 30 Prozent der elektrischen Energie wird von Windkraftanlagen ins Netz gespeist. An stürmischen Tagen wie zuletzt Anfang 2015 kommt es bereits vor, dass diese Anlagen mehr als 100 Prozent des Bedarfs produzieren und Strom exportiert werden muss.

Glaubt man der Propaganda der hiesigen Atom- und Kohleindustrie, die den Umbau der Stromversorgung nach Kräften sabotiert, müsste in Dänemark bei so viel unregelmäßigem Windstrom eigentlich alle paar Wochen das Netz zusammenbrechen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Stromversorgung ist die sicherste in Europa. Das liegt auch daran, dass Großkraftwerke in Dänemark eine Ausnahmeerscheinung sind. Meist sind kleinere Einheiten mit Kraftwärmekopplung am Netz, die flexibel gefahren werden können.

Keine Kommentare: