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Die USA bereiten sich seit Jahren auf eine
Militärintervention in Venezuela vor
Die seit
Jahren verhängten Sanktionen gegen Venezuela sollen, wie es im Fall der
Blockade gegen Kuba bereits 1960 in einem Memorandum der US-Regierung offen
formuliert wurde, »Hunger, Elend und Verzweiflung« erzeugen.
In Washingtons
Planspielen erfordert die Not der Bevölkerung dann irgendwann »humanitäre
Hilfsmaßnahmen«, die notfalls mit einer militärischen Intervention durchgesetzt
werden und zum Sturz unbequemer Regierungen führen. In Jugoslawien, dem Irak
und Libyen, wo die Einrichtung eines »humanitären Korridors« jeweils einem
Krieg vorausging, war die Methode erfolgreich. In Lateinamerika wird sie
deshalb seit Jahren geübt.
Nur fünf
Monate später wurde in dem »Tres Fronteras« genannten Dreiländereck zwischen
Brasilien, Peru und Kolumbien das einwöchige Militärmanöver »Amazon Log 17«
durchgeführt. Neben Truppen der drei Staaten waren – nach dem parlamentarischen
Staatsstreich gegen die linke Präsidentin Dilma Rousseff – zum ersten Mal in
der Geschichte auch die USA an einer Übung im Amazonasgebiet beteiligt. Auch
dieses natürlich von Southcom überwachte Manöver diente offiziell vor allem dem
Training »humanitärer Hilfsmaßnahmen«.
Anfang
Januar 2018 berichtete das Strategische lateinamerikanische Zentrum für
Geopolitik (Celag), dass 415 Angehörige der US-Luftwaffe zu einer
Southcom-Übung mit dem Namen »Nuevos Horizontes« (Neue Horizonte) in Panamá
eingetroffen waren. Ihr Auftrag seien der »Schutz« der Kanalzone sowie
»humanitäre Einsätze«. Und das multinationale Großmanöver in Guatemala im April
2018? Wie der Name »Ejercicio Fuerzas Aliadas Humanitarias« (Übung der
verbündeten humanitären Streitkräfte) bereits verrät, bestand eine Aufgabe der
Southcom unterstellten Einheiten natürlich in der Koordinierung von
»humanitären Interventionen«.
Ton wird schärfer
Foto: junge Welt |
Der von
Washington organisierte Putschversuch gegen die Regierung Venezuelas droht sich
zu einem globalen Konflikt auszuweiten. Nachdem Kuba über einen Aufmarsch von
US-Truppen in der Karibik berichtet hatte, warnten Russland, China und andere
Länder die USA vor einer weiteren Eskalation. »Wir sind sehr besorgt darüber,
dass einige Länder offenbar eine Militäraktion gegen Venezuela in Betracht
ziehen«, erklärte der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Wassili
Nebensja, am Donnerstag. Er teile den Vorwurf des kubanischen Außenministers
Bruno Rodríguez, dass die Vereinigten Staaten »humanitäre Hilfsmaßnahmen«
lediglich als Vorwand nutzten, um von ihren Putschabsichten abzulenken und eine
militärische Aggression gegen Venezuela zu rechtfertigen, sagte der Diplomat
vor Journalisten in New York.
In Moskau
wies die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, darauf hin, dass
der von den USA und den Putschisten geplante »humanitäre Korridor« eine
gezielte Provokation sei, die Menschenleben kosten könne. Putschistenführer
Juán Guaidó hatte wiederholt angekündigt, am 23. Februar »so oder so« die vor
allem aus den USA stammenden »Hilfsgüter« vom kolumbianischen Grenzort Cúcuta
nach Venezuela zu bringen. Dafür will er nach eigenen Angaben rund 150.000
»Freiwillige« mobilisieren.
Beobachter
fürchten, dass der unter Erfolgsdruck stehende Guaidó es darauf anlegen könne,
Zwischenfälle mit den Polizei- und Militäreinheiten zu provozieren, die die
Staatsgrenzen schützen. Die seit gut einer Woche in der Region konzentrierten
US-Spezialeinheiten könnten die gewünschten Bilder von gewalttätigen
Auseinandersetzungen als Rechtfertigung für eine »humanitäre Intervention«
nutzen. »Washington ist davon besessen, die legitime Regierung einer souveränen
Nation zu stürzen und die Prinzipien des Völkerrechts zu missachten«, erklärte
Maria Sacharowa am Donnerstag.
»Wir
unterstützen Maduro und werden alle militärischen Verträge erfüllen«, betonte
am selben Tag im Nachrichtensender Rossija 24 auch Juri Borissow, der für
Verteidigung und internationale militärische Zusammenarbeit zuständige
Vizeministerpräsident. Russland werde sich strikt an die Verteidigungsabkommen
mit der Regierung von Nicolás Maduro halten, versicherte Borissow.
Auch
Chinas Ton gegenüber Washington wurde schärfer. Beijing akzeptiere
ausschließlich die »legitime Regierung Venezuelas«, unterstrich die Sprecherin
des Außenministeriums, Hua Chunying, am Donnerstag. Von westlichen Medien
gestreute Gerüchte, wonach sich chinesische Diplomaten in Washington mit
Vertrauten des Putschistenführers Juán Guaidó getroffen hätten, um »über die
chinesischen Investitionen in Venezuela« zu sprechen, wies Hua zurück. »Die
Berichte sind falsch, das sind Fake News«, erklärte sie. Sie forderte die
Korrespondenten aus dem Westen auf, »nach den Grundsätzen der Objektivität und
Fairness« zu berichten. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete
derweil, dass in der venezolanischen Hafenstadt La Guaira 64 Container mit 933
Tonnen medizinischen Geräten und Medikamenten eingetroffen seien. Der größte
Teil der Hilfslieferung komme aus China und Kuba, erklärte Gesundheitsminister
Carlos Alvarado. Auch Russland, Palästina, die Türkei sowie weitere Länder
hätten sich daran beteiligt.
Es gebe
eine ganze Gruppe von Ländern, die die Souveränität Venezuelas, dessen Recht
auf Selbstbestimmung und die Charta der Vereinten Nationen verteidigten,
stellte der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza dazu auf einer
Pressekonferenz am Sitz der Weltorganisation in New York fest. Er beschuldigte
Washington, eine »neue Art der psychologischen Kriegführung« zu betreiben. Eine
Verletzung der Souveränität werde sein Land auf keinen Fall dulden, kündigte
Arreaza an. »Wir werden jeden Millimeter des venezolanischen Territoriums auf
dem Luft-, See- oder Landweg schützen«, versicherte er.
Für
Oppositionspolitiker Juan Guaidó geht es mittlerweile um alles oder nichts.
Präsident Nicolás Maduro kündigte am Mittwoch eine juristische Strafverfolgung
der Putschisten an. »Juán Guaidó und seine Gefolgsleute werden früher oder
später vor Gericht gestellt, weil sie dafür verantwortlich sind, einen
Staatsstreich zu organisieren und an dem Versuch beteiligt waren, diesen
auszuführen«, erklärte Maduro in einem Interview des libanesischen
Nachrichtensenders Al-Majadin.
Während
es für Guaidó eng wird, will US-Präsident Donald Trump seinem Schützling knapp
eine Woche vor dem von diesem angekündigten Showdown zu Hilfe eilen. Der
US-Präsident kündigte an, am Montag auf dem Campus der »Florida International
University« (FIU) eine Rede zu halten, in der er seine Unterstützung für Guaidó
bekräftigen und – nach Angaben des Weißen Hauses – den Sozialismus als »Plage«
bezeichnen werde. Tatsächlich dürfte es Trump dabei weder um die Zukunft der
Menschen noch um das Schicksal der Putschisten in Venezuela gehen, sondern vor
allem um die Präsidentschaftswahl 2020. Der Verwaltungsbezirk Miami-Dade, in
dem das Campusgelände liegt, ist die Hochburg der rechten Exilvenezolaner in
den USA.
Kuba schlägt Alarm
US-Militärübung in der Dominikanischen Republik 2009, Foto: junge Welt |
Ein Krieg
gegen Venezuela wird wahrscheinlicher. Die kubanische Regierung hat den USA in
der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) vorgeworfen, ein »als humanitäre Mission
getarntes militärisches Abenteuer« vorzubereiten. In einer offiziellen
Erklärung ruft Havanna die »internationale Gemeinschaft« auf, alle Kräfte zu
mobilisieren, um eine Intervention in Venezuela zu verhindern.
Nach
Angaben Kubas wurde zwischen dem 6. und 10. Februar die Ankunft von US-Spezialeinheiten
auf verschiedenen Flughäfen in der Region registriert. Unter anderem habe es
Militärtransportflüge der USA zu einem Flughafen auf Puerto Rico, zum
Luftwaffenstützpunkt San Isidro in der Dominikanischen Republik und auf »andere
strategisch gelegene Karibikinseln« gegeben, heißt es in der Erklärung.
Die
Transporte seien von US-Militärstützpunkten gestartet, von denen Truppen für
Sondereinsätze und der Marineinfanterie operierten. Derartige Einheiten setzten
die USA für »verdeckte Aktionen, darunter gegen Führer anderer Länder« ein,
erklärte die Regierung in Havanna weiter. Die USA bereiteten ein »als
humanitäre Intervention getarntes Militärabenteuer in Venezuela« vor, warnte
auch Außenminister Bruno Rodríguez auf Twitter.
Zeitgleich
bestätigte die US-Botschaft in Brasilien eine Visite von Craig Faller,
Kommandeur des Südkommandos der US-Streitkräfte (Southcom), dem alle
militärischen Operationen der USA in Lateinamerika unterstehen. Zwischen dem
10. und dem 13. Februar habe Faller sowohl mit dem Außen- und dem
Verteidigungsminister als auch mit den Spitzen des brasilianischen Militärs
über Maßnahmen zum Schutz »des Friedens in der Region und der Stabilität der
westlichen Hemisphäre« beraten, heißt es in einer US-Mitteilung.
Am
Donnerstag meldeten Aktivisten dann die Ankunft Fallers auf der nur 60
Kilometer von der venezolanischen Küste entfernten niederländischen
Karibikinsel Curaçao. Über der dortigen Militärbasis, wo die größte Ansammlung
westlicher Einheiten in der gesamten Karibik konzentriert ist, wehe statt der
holländischen die US-Fahne.
Der Ring
zieht sich offenbar zu. Am Mittwoch hatte sich bereits der kolumbianische
Präsident Iván Duque in Washington mit US-Präsident Donald Trump über das
weitere Vorgehen zum Sturz der Regierung in Caracas verständigt. Für die
Strategie Washingtons nimmt Kolumbien eine Schlüsselrolle ein.
Im Juni
2018 hatte die Regierung in Bogotá eine »Vereinbarung zur Zusammenarbeit und
Verteidigung« mit der NATO unterzeichnet. Als einziges Land in Lateinamerika
wurde Kolumbien daraufhin im Juli 2018 der spezielle NATO-Status eines »Global
Partner« zugesprochen. Damit sind – im Falle einer Invasion – auch die
europäischen NATO-Staaten zumindest teilweise involviert.
Die
aktuelle Situation in Lateinamerika erinnere an die von Washington
organisierten Kriege in Jugoslawien, dem Irak und Libyen, die unter dem
Vorwand, einen »humanitären Korridor« zum Schutz der Zivilbevölkerung
einzurichten, begonnen worden seien, erklärte die kubanische Regierung. Das
Ergebnis derartiger »Maßnahmen« seien unzählige Tote gewesen.
Angesichts
der akuten Bedrohung ruft Kuba die Solidaritätsbewegungen auf, ihre Kräfte zu
bündeln, »um eine militärische Aktion gegen Venezuela zu verhindern«. So finden
am Samstag in Berlin und Hamburg jeweils um 14 Uhr Kundgebungen zur
Unterstützung Venezuelas statt.
Alle Artikel von Volker Hermsdorf
Aus „junge Welt“ vom 15. & 16.02.2019
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