Hunderttausende demonstrieren für Präsident Maduro - Foto: junge Welt |
Von wegen Demokratie - wieder droht Krieg für Öl und Rohstoffe!
Bundesregierung unterstützt Putsch gegen
Präsident Maduro. Gerüchte über bevorstehende Militärintervention
Bundesaußenminister
Heiko Maas (SPD) hat am Montag per Pressemitteilung die Regierung Venezuelas
ausgewechselt. »Für Deutschland ist Juan Guaidó im Einklang mit der
venezolanischen Verfassung Übergangspräsident, um freie, faire und
demokratische Präsidentschaftswahlen zu organisieren«, teilte er am Vormittag
per Presseerklärung mit. Die Bundesregierung werde fünf Millionen Euro für
»humanitäre Hilfe« zur Verfügung stellen, »sobald die politischen
Rahmenbedingungen in Venezuela dies zulassen«.
Auch die
Regierungen Spaniens, Frankreichs, Großbritanniens, Österreichs, der
Niederlande, Schwedens, Dänemarks, Portugals und Tschechiens teilten mit, dass
sie nun Guaidó, der sich am 23. Januar bei einer Kundgebung in Caracas selbst
zum »Übergangspräsidenten« ernannt hatte, als Staatschef Venezuelas betrachten.
Sie stützen sich dabei auf Artikel 233 der venezolanischen Verfassung, in dem
festgelegt wird, was bei einer Vakanz des Präsidentenamtes zu geschehen hat.
Diese sei gegeben, weil die Präsidentschaftswahl im Mai 2018 nicht legitim
gewesen sei.
Das sieht
der Bundestagsabgeordnete Michel Brandt (Die Linke) anders. Er hatte auf
Einladung der venezolanischen Wahlbehörde CNE die Abstimmung begleitet. »Ich
konnte am Tag der Präsidentschaftswahlen in Venezuela im Mai 2018 keine
Manipulationen oder Mängel feststellen«, sagte er junge Welt. »Anhaltspunkte,
die eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen in Frage gestellt hätten,
konnte ich nicht finden. 112 Länder haben die Wahl anerkannt und somit Maduro
als demokratisch gewählten Präsidenten bestätigt. Man muss Maduro oder seine
Politik nicht mögen, um den gegen ihn verübten Putsch zu verurteilen.«
Maduro
selbst rief am Montag die »unabhängigen Regierungen der Welt« auf, die
Drohungen von US-Präsident Donald Trump zurückzuweisen. Der hatte am Sonntag in
einem Fernsehinterview eine militärische Intervention in dem südamerikanischen
Land nicht ausschließen wollen. Bei einer Demonstration in Maracay warnte
Maduro, dass sich »kriegerischer Wahnsinn« des Weißen Hauses bemächtigt habe.
In Venezuela
ist die Stimmung derweil angespannt. Im ganzen Land kursierten am Wochenende
Gerüchte und Falschmeldungen über eine unmittelbar bevorstehende Intervention
ausländischer Truppen. Anhänger Guaidós verbreiteten Nachrichten, wonach die in
der kolumbianischen Stadt Cúcuta gelagerte »humanitäre Hilfe« über die Grenze
gebracht werde. In diesen Meldungen hieß es, dass die USA bei einem Stopp der
Konvois durch die venezolanische Armee »chirurgische Militärschläge« gegen
Einrichtungen der Regierung planten.
Passiert
ist bislang nichts. Am frühen Montag morgen um vier Uhr berichtete der
Regierungsfunktionär Freddy Bernal, der im Auftrag von Präsident Maduro die
Lage an Venezuelas Westgrenze überwacht, dass in dem nahe Kolumbien gelegenen
Bundesstaat Táchira völlige Ruhe und Normalität herrsche. »Es gibt viel
Anspannung, weil Donald Trump die Bolivarische Regierung stürzen und nicht nur
Venezuela, sondern die ganze Region destabilisieren will. Die Bolivarischen
Streitkräfte sind an allen Grenzposten aufmarschiert«, erklärte er.
Eine Intervention wird jüngsten Umfragen zufolge von mehr
als 80 Prozent der Menschen in Venezuela abgelehnt. Die sehr regierungskritisch
eingestellte Menschenrechtsorganisation Provea forderte am Sonntag abend
(Ortszeit), dass jede Aktion der »internationalen Gemeinschaft« zur
Unterstützung des venezolanischen Volkes dem Völkerrecht entsprechen müsse:
»Wir verurteilen Wirtschaftssanktionen, die die Krise verschärfen.«
Von André Scheer und
Modaira Rubio, Caracas
Verfassung
Venezuelas, Artikel 233
Als zwingende Hinderungsgründe bezüglich der
Amtsausübung des Präsidenten oder der Präsidentin der Republik gelten: sein
oder ihr Tod, sein oder ihr Rücktritt sowie seine oder ihre durch Urteil des
Obersten Gerichtshofes verfügte Absetzung; seine oder ihre durch Attest einer
vom Obersten Gerichtshof eingesetzten und von der Nationalversammlung
bestätigten medizinischen Kommission bescheinigte dauernde körperliche oder
geistige Handlungsunfähigkeit, die Nichtwahrnehmung des Amtes, die von der
Nationalversammlung als solche festgestellt wird, sowie die Amtsenthebung durch
Volksabstimmung.
Ergibt sich vor der
Amtseinführung ein zwingender Hinderungsgrund bezüglich der Person des
gewählten Präsidenten oder der gewählten Präsidentin, folgen neue allgemeine,
direkte und geheime Wahlen innerhalb der nächsten dreißig Tage. Bis der neue
Präsident oder die neue Präsidentin gewählt ist und das Amt antritt, nimmt der
Präsident oder die Präsidentin der Nationalversammlung die Präsidentschaft der
Republik wahr.
Gedenken in Maracay an den Aufstand am 4.02.1992 - Foto: junge Welt |
Heiko Maas im Labyrinth
Berlin legitimiert Putsch in Venezuela
Bundesaußenminister
Heiko Maas versucht, den laufenden Staatsstreich in Venezuela mit dem Verweis
auf die Gesetze des südamerikanischen Landes zu rechtfertigen. Die versuchte
Machtergreifung des Oppositionspolitikers Juan Guaidó, der sich am 23. Januar
selbst zum »Übergangspräsidenten Venezuelas« ernannt hatte, stehe »im Einklang
mit der venezolanischen Verfassung«, behauptete der SPD-Politiker am Montag in
Berlin.
Auch wenn
es schwerfällt: Nehmen wir Herrn Maas mal ernst. Der Passus der venezolanischen
Verfassung, um den es hier geht, ist Artikel 233. Dieser legt fest, was
passiert, wenn ein Staatschef sein Amt nicht übernehmen oder ausüben kann, etwa
durch Tod oder Rücktritt. Das ist zwar nicht der Fall, weil Nicolás Maduro ganz
offensichtlich regiert. Aber Venezuelas Opposition und mit ihr die
Bundesregierung berufen sich darauf, dass die Präsidentschaftswahl im
vergangenen Jahr nicht legitim und deshalb ungültig gewesen sei. Damit gebe es
keinen gewählten Staatschef, somit sei der Posten seit Beginn der neuen
Amtszeit am 10. Januar vakant. Deshalb müsse der Parlamentspräsident das Amt
übernehmen.
Wenn das
stimmte, dann müsste allerdings auch der zweite Absatz von Artikel 233
angewendet werden. Dieser schreibt vor, dass es im Fall der Vakanz des Postens
»neue allgemeine, direkte, und geheime Wahlen« geben muss – und zwar »innerhalb
der nächsten dreißig Tage«! Die neue Amtszeit des Präsidenten begann am 10.
Januar – die 30-Tage-Frist läuft also am nächsten Sonntag ab. Das wird knapp.
Oder nehmen wir das Datum von Guaidós Selbsternennung als Ausgangspunkt, dann
muss es Wahlen bis zum 23. Februar geben. Und selbst wenn für uns die Frist
erst mit der Anerkennung des »neuen Präsidenten Guaidó« durch die
Bundesregierung beginnt, hätte er nur vier Wochen Zeit.
Was aber,
wenn der Herr »Übergangspräsident« diese Frist verstreichen lässt? Erkennt
Heiko Maas dann den Oppositionsführer, nach dieser Logik Nicolás Maduro, als
neuen Präsidenten an?
Es wäre
zum Lachen, wenn es nicht ein Spiel mit dem Feuer wäre. Was da in Berlin,
Paris, Madrid, Wien und einigen anderen Hauptstädten veranstaltet wird, hat mit
Diplomatie und Rechtsstaatlichkeit wenig zu tun. Viel zu tun hat es dagegen mit
den Beziehungen zu den USA. Die sind aktuell nicht sonderlich gut, denn der
außenpolitische Amoklauf Donald Trumps stört die einträglichen Geschäfte der
westeuropäischen Konzerne. Deshalb setzt man einerseits darauf, mit einer
Zweckgesellschaft die von Washington gegen den Iran verhängten Sanktionen zu
umgehen und die Handelsstreitigkeiten mit China und Russland nicht aus dem Ruder
laufen zu lassen. Andererseits versucht man, den Machthaber aus Washington
dadurch zu beschwichtigen, dass man die Aggression gegen Venezuela mitmacht.
Zumal auch gute Geschäfte winken. Deutsche Unternehmer in Caracas freuen sich
bereits ganz unverhohlen auf den »Wiederaufbau«.
Von André Scheer
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