Über eine Kabarettsendung zur Leiharbeit und
eine Klagekampagne von Leiharbeitern
„Ich
dachte, man braucht Gewerkschaften, um gemeinsam mehr zu erreichen?“ Diese
Frage stellt Claus von Wagner als Werkvertragsarbeiter in der Kabarettsendung
„Die Anstalt“. Gemeinsam mit Max Uthoff, der den Firmenboss „Zwetschge“ spielt,
erklären sie das geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und die
Tarifvereinbarungen der IG Metall.
Der
Werkvertragsarbeiter Wagner kommt zu dem Schluss: „Eine Öffnung nach unten ist
ein Loch. Das heißt, die Tarifpartner haben das Gesetz nicht geöffnet, sondern
durchlöchert.“
Kabarett
hat eine Ventilfunktion. Man kann endlich einmal über alles, was einen an
Politik und Gesellschaft ärgert, lachen und sich über das Aussprechen von
Wahrheiten freuen. Die Auswahl der Themen zeigt also auch an, was vielen
Menschen unter den Nägeln brennt. Dass die ZDF-Kabarett-Sendung „Die Anstalt“
eine ganze Sendung fast ausschließlich der Leiharbeit gewidmet hat, ist ein
Ausdruck dafür, dass viele sauer und empört sind.
Sie ist
dazu da, sagt ein Vertreter der Gewerkschaft zum Firmenboss Zwetschge, „um mit
uns die Tarife nach unten zu drücken.“ Auf die Frage des Werkvertragsarbeiters,
warum die beiden Gewerkschaftsvertreter am kleinen Tisch im Büro des
„Klassenfeinds“ (Zitat) sitzen, antworten diese: „Wir verstehen uns als
gleichberechtigte Partner in einem Bündnis für Arbeit.“ Und man sei schließlich
im internationalen Wettbewerb. Verdutzt fragt der Werkvertragler: „Ich dachte,
ihr steht für internationale Solidarität?“ Antwort: „Am 1. Mai, aber doch nicht
werktags“.
Das
Publikum geht bei der ganzen Sendung emotional mit. Den meisten und lautesten
Applaus gibt es, als es um die Streikfrage geht. Einer der beiden von der
Gewerkschaft steht auf und regt sich auf, dass sie schon lange keinen richtigen
Kampf mehr geführt haben. Der letzte Arbeitskampf war 1984 für die
35-Stunden-Woche. Begeistert erzählt er, dass mehr als 57 000 Kollegen
gestreikt und demonstriert haben – und das Publikum klatscht laut und lange.
Als es um
die Streikfrage geht und klar wird, dass weder der Werkvertragsarbeiter noch
der Leiharbeiter streiken kann, sondern nur die Stammbelegschaft, erklärt aber
der andere Kollege der Gewerkschaft, dass so ein Puffer von Leiharbeitern doch
eigentlich ganz gut für die Stammbelegschaft ist – und der Streik ist vom
Tisch.
Firmenboss
Zwetschge ist zufrieden, die Gefahr gebannt.
Nur eine
Gefahr drohe, nämlich durch die EU-Richtlinie, die gleiche Bezahlung ab dem
ersten Tag für Leiharbeiter vorsieht. Bisher hätten sie Leiharbeiter von einer
Klage abhalten können durch Abfindungen. Aber zum Glück kenne niemand die E-Mail-Adresse
des Arbeitsrechtlers Wolfgang Däubler. Die ist dann auf dem Ordnerrücken des
Werkvertragsarbeiters deutlich zu sehen und wird eingeblendet: prof.daeubler@labournet.de.
„Wenn
sich nun da viele Leiharbeiter melden würden…“ sagt Claus von Wagner.
Das haben
bereits über 200 Leiharbeiter in ernsthafter Absicht getan. Das Internet-Forum
„labournet“, dessen Materialien auch
als Teil des Info-Materials von „Der Anstalt“ angeboten werden, koordiniert die
Klagekampagne. In den Zuschriften berichten viele Kollegen auch über die
unhaltbaren und schlimmen Arbeitsverhältnisse. Labournet
gibt Tipps für die Klage und vermittelt Anwälte und sammelt Spenden für die
Klagen.
Die
Kampagne kann dazu dienen, Aufmerksamkeit zu erregen und vielleicht einige
Gerichtsurteile zu erzwingen. Der Weg über Klagen kann letztlich nur ein
Hilfsmittel im politischen Kampf für eine Umorientierung der
Gewerkschaftsbewegung sein – gegen die Spaltung und die Aushöhlung der
Gewerkschaft. Aber je mehr Kollegen – auch aus der Stammbelegschaft davon
erfahren, desto besser. Die Mehrheit dürfte die Leiharbeit genau so ablehnen,
wie dies die Leiharbeiter tun.
Von
Philipp Kissel
aus „unsere zeit (UZ) – Zeitung der DKP“ vom 02. Juni 2017
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