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Die deutsche Industrie traf sich in Berlin mit
ihren Lieblingsparteien. Es ging harmonisch zu
Der
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) richtete am Montag und
Dienstag im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt seinen jährlich wichtigsten
wirtschaftspolitischen Kongress aus, den »Tag der Deutschen Industrie«. Gestern
marschierten dort Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Martin Schulz
(SPD), der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir, Verkehrsminister Alexander Dobrindt
(CSU) und FDP-Chef Christian Lindner auf.
Die
Linkspartei war nicht zur Ablieferung einer »Keynote« eingeladen. BDI-Präsident
Dieter Kempf begründete das am Morgen im Deutschlandfunk (DLF): »Die
Nomenklatur lautet, jeder, der Regierungsverantwortung in Bund und Land trägt,
wird eingeladen.« Der Mann hat sein bisheriges Leben vor allem in Bayern
zugebracht, muss also Thüringen, Brandenburg und Berlin – Bundesländer mit
Linke-Regierungsbeteiligung – nicht kennen.
Entsprechend
ging es im klassizistischen Gebäude zu, das im Zweiten Weltkrieg zerstört
worden war und zwischen 1979 und 1984 von DDR-Architekten durch den
ostdeutschen Staat rekonstruiert wurde: Es herrschte Harmonie, man dienerte
sich gegenseitig an. Mehr war auch nicht nötig: Die Befehlsausgabe an die
geladenen Parteien hatte bereits im Januar stattgefunden:
»Handlungsempfehlungen der Deutschen Industrie für die 19. Wahlperiode des
Deutschen Bundestages« heißt das Papier. Es enthält 173 Punkte, der Dienstag
diente Kanzlerin und anderen Rednern vor allem dazu, sich dazu zu bekennen.
Mehr ist
nicht nötig, denn die Lage ist erfreulich, wie Kempf in dem DLF-Interview
darlegte. Die Moderatorin sprach ihn dort auf »die Schere zwischen Arm und
Reich« an, die in Deutschland »noch nie so groß wie jetzt« sei. Kempf beruhigt
sie: »Es ist richtig, dass die Schere größer wird, aber sie wird nicht deshalb
größer, weil die Armen ärmer werden, um das sehr plakativ zu sagen, sondern
weil die Reichen reicher werden.«
Von solch
paradiesischen Zuständen und davon, wie Umverteilung dieser Art noch schöner
werden kann, berichteten dann auch die Parteien am Dienstag. Favorit ist
eindeutig: Am deutschen Wirtschaftswesen soll die EU genesen. Etwa durch die
Einrichtung eines Euro-Finanzministers und eines eigenen Budgets, wofür sich
Angela Merkel ebenso wie Kempf einsetzte.
Mit der
Merkel-Variation: »Wenn die Rahmenbedingungen stimmen.« Wichtig sei, Risiken,
Entscheidungsmöglichkeiten und Haftungen in einer Hand zu lassen. Sie könne
sich »sehr gut eine Wirtschaftsregierung vorstellen«. Voraussetzung sei aber,
dass diese dann darüber nachdenke, was die besten Vorbilder aus anderen Ländern
etwa für die Schaffung von Arbeitsplätzen seien. Lindner sah das fast genauso,
nur »sehr viel skeptischer«, wie Reuters formulierte. Schulz, Özdemir und
Dobrindt hatten dem nichts hinzuzufügen.
Von
Arnold Schölzel
aus „junge Welt“ vom 21.06.2017
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