Quelle: www.rente-muss-reichen.de |
„Riester“ ist selbst für Befürworter
gescheitert
„Rente
muss reichen“, heißt es aktuell beim DGB. Er will vor der Bundestagswahl Druck
aufbauen: Stoppt die Senkung des Rentenniveaus und hebt es wieder an!
Seit
nicht mehr das Brutto weiterhin Bemessungsgrundlage der Beiträge, sondern der
Nettolohn zur Berechnungsgröße der Renten wurde, sank deren Niveau weit unter
die früheren 60 Prozent. Mit der Riester-“Reform“, der Teilprivatisierung der
Rente, sank es auf aktuell rund 48 Prozent.
Die
durchschnittliche Rentenhöhe lag 2014 bei den männlichen Rentenzugängen im
Westen bei 980 Euro (Frauen 562) und bei denen im Osten bei 952 Euro (Frauen
814). Wo der Durchschnitt schon mager ist, langt es im unteren Drittel nicht
mal für die Existenzsicherung, wenn die gesetzliche Rente das einzige
nennenswerte Einkommen ist.
Quelle: www.rente-muss-reichen.de |
Insgesamt
beziehen 20,8 Mio. Menschen Rente, 53,3 Mio. sind versichert. 17,7 Mio. haben
eine betriebliche Altersversorgung, 16,5 Mio. Riesterverträge. Wenn man jetzt
im Arbeitsministerium feststellt, dass bis 2045 das Rentenniveau auf 41,6
Prozent sinken werde, überrascht das nicht. Die Agendapolitik schuf einen
Niedriglohnsektor, Beschäftigungsverhältnisse ohne Rentenversicherungspflicht,
Scheinselbstständige wie Ich-AG usw. und erhöhte damit den Druck auf alle
Löhne, deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt auf historische Tiefststände sank.
2015 betrug er wieder 68 Prozent, 1974 knapp 75 Prozent.
Hier wird
deutlich, dass alles, was die Kampfkraft der Gewerkschaften schwächt, sich
rentensenkend auswirkt. Von Kohls „Reform“ des damaligen § 116 AFG über
Schröders Tariföffnungsklauseln (wenn das die Tarifvertragsparteien nicht
selbst regeln, machen wir das per Gesetz) bis hin zu Nahles‘
Tarifeinheitsgesetz. Wer in den Medien anlässlich gewerkschaftlicher Kämpfe für
mehr Lohn Zeter und Mordio schreit, trägt auch zur Rentenmisere bei; denn die
Höhe der Löhne über die Jahre entscheidet, von was es z. B. 48 oder 41,6
Prozent gibt.
Nicht
jeder, der klagt, hat progressive Lösungen im Sinn. Die Finanzwirtschaft und
deren Sachwalter in Politik und Medien drängen auf mehr „private Vorsorge“ und
eine kapitalgedeckte Altersvorsorge. Sie fabulieren von der „überlebten“
gesetzlichen Rentenversicherung, aus der die heute jungen Beitragszahler nichts
mehr bekämen. Zugleich sollen die Alten auf Kosten der Jungen leben. Dabei ist
die gesetzliche Rentenversicherung seit über 130 Jahren grundsätzlich stabil,
während u. a. „Riester“ selbst für Befürworter gescheitert ist.
Quelle: www.rente-muss-reichen.de |
Es geht
den Banken und Versicherungen um jene 270 Mrd. Einnahmen (2015) der
gesetzlichen Rentenversicherung, die privater Profitmacherei entzogen sind.
Auch deshalb sollten sich die Gewerkschaften auf keine „Lösungen“ einlassen,
die nicht vorrangig die gesetzliche Rentenversicherung stärken. Wer jetzt über
Förderung von Betriebsrenten oder „privater Vorsorge“ nachdenkt, muss mal
darlegen, weshalb da Beitrags- und staatliche Gelder besser als bei der
Gesetzlichen aufgehoben wären.
Ziel der
Rentenpolitik seit Jahrzehnten war es, die Beiträge, vor allem den
Arbeitgeberanteil, stabil zu halten oder zu senken. Da der in den Bilanzen
unter Lohnkosten zu finden ist, wird klar, dass es im Kern um einen partiellen
Lohnstopp bzw. um eine Lohnsenkung ging. Dem dient auch die Erhöhung des Renteneintrittsalters
auf 67 Jahre. Die Bundesbank fordert schon 69 und die Junge Union im Einklang
mit Frau Petry von der AfD gar 70 Jahre. Kaum ein Dachdecker oder eine
Krankenschwester werden das durchhalten. Sie werden früher in Rente gehen
müssen, mit erheblichen Abschlägen.
Für ein
höheres Rentenniveau will der DGB u. a. allmählich steigende Beiträge bis 2030
von 18,7 auf bis zu 22 Prozent akzeptieren. Für einen urchschnittsversicherten
mit 2 400 Euro Lohn wären das maximal 40 Euro mehr. Das Geld wäre so besser
angelegt als in Riesterbeiträgen etc., zumal noch 40 Euro indirekter Lohn
(Arbeitgeberbeitrag) hinzukämen. Eine aktivere Tarifpolitik könnte das
ausgleichen. Die ist aber nicht allein vom Wollen der Gewerkschaften abhängig,
siehe 2. Absatz oben. Weitere konkrete Vorschläge des DGB aus Platzgründen
nicht hier, sondern unter www.rente-muss-reichen.de
Die von
der Großen Koalition beabsichtigte „solidarische Lebensleistungsrente“, ein
Zuschussrentenmodell, brächte z. B. nach Angaben von Frank Bsirske derzeit
gerade mal 66 000 Versicherten etwas, ab 2023 noch 40 000. Ein
Wahlkampfmanöver, mehr nicht.
Rentenfragen
sind Klassen- und Machtfragen. Das beginnt im Kampf um die Löhne, gegen die
alltägliche Enteignung der Arbeitenden durch das Kapital. Das geht weiter im
Kampf um die Steuerpolitik, da ca. 70 Mrd. Steuergelder in die Rentenkasse
fließen, und darum, wer politisch gewollte versicherungsfremde Leistungen
bezahlt, die Beitragszahler oder die Reichen via Millionärssteuer. Die
Lohnbezogenheit der Renten darf nicht aufgegeben werden, sie schafft eine
Interessengleichheit zwischen Arbeitenden und Rentnern.
Wo die
Rente aus individuellen Gründen nicht reicht, kann keine Mindestrente die
Lösung sein, sondern ein System, das alle mit zu geringem Einkommen repressionsfrei
und ausreichend versorgt. Per Stimmzettel alleine wird es von all dem nichts
geben, deshalb ist die Beteiligung an den gewerkschaftlichen Aktionen
unerlässlich.
Von Volker Metzroth
Aus„UZ – unsere zeit – Zeitung der DKP“ vom 7. Oktober 2016
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen