Rede des DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele auf der
Lenin-Luxemburg-Liebknecht -Veranstaltung (dem politischen Jahresauftakt) der
DKP in Berlin am 9.1.2016
Gerardo (Anmerkung der Redaktion: Gerardo Hernández gehörte
zu den »Cuban Five«, die in Miami antikommunistische Terrorgruppen unterwandert
hatten, um Anschläge auf ihre Heimat zu verhindern. Die US-Justiz verfolgte
jedoch nicht die Terroristen, sondern die Aufklärer und verurteilte diese zu
langjährigen Haftstrafen. Nach 16 Jahren in US-Gefangenschaft wurde er zusammen
mit zwei Leidensgefährten am 17. Dezember 2014 freigelassen und konnte in seine
kubanische Heimat zurückkehren.), verurteilt zu zweimal lebenslänglich plus
15 Jahre, er ist zurück bei seiner Familie, wieder in seinem sozialistischen
Heimatland und heute bei uns, der Deutschen Kommunistischen Partei – wer hätte
das gedacht.
Deshalb
will ich über Realismus, Euphorie und Pessimismus sprechen. Nun, Euphorie kann
ein schlechter Berater sein, wenn sie dazu führt, dass Widersprüche, Halbheiten
übersehen werden.
Es gab
sie, diese Euphorie. 1945 der Faschismus besiegt, die sozialistische
Sowjetunion, die rote Armee die Hauptkraft dabei, die Entstehung des sozialistischen
Lagers in Europa als Voraussetzung für die Überwindung des Kolonialsystems.
1949 die Gründung der VR China. Viele der befreiten Länder antiimperialistisch,
manche mit einer Orientierung in Richtung Sozialismus. Chile 1973 ein
Rückschlag, aber 1975 der Sieg im Vietnamkrieg, Indochina befreit.
Und so
war es in den 70iger und 80iger Jahren nicht selten, dass wir Weltkarten zu
Hause hatten, auf denen wir mit kleinen roten Fähnchen den Vormarsch des
Sozialismus markierten. Heute lächeln viele darüber. Viele, die darüber lächeln
zitieren aber auch gerne Che Guevara: „Seien wir realistisch, versuchen wir das
Unmögliche.“
Gerardo Hernández, Foto:jW |
Heute.
Wir sehen unser Land, wir sehen die Welt. Die Anzahl der vom Imperialismus
angezettelten Kriege wächst, die Gefahr der Eskalation ist riesig, der deutsche
Imperialismus hat die Fesseln abgestreift, die Bundeswehr wirbt mit „Mach was
wirklich zählt“ für seine Waffengänge, die Plakate viel zu oft unzerstört.
60
Millionen Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Ausbeutung und Umweltzerstörung.
Die Fußnote im Kapital von Marx, dass das Kapital bei entsprechendem Profit
kein Verbrechen scheut ist nicht Theorie sondern Praxis. Kapital und seine
Politik, schuld daran, nutzen das Ganze für Angriffe auf Löhne und Gehälter,
für ihre Versorgung mit Fachkräften, für das Ausspielen der „auswärtigen“ Armen
gegen die „inländischen“ Armen, sie stacheln damit Rassismus und Faschismus an,
und das nutzen sie für den Angriff auf die kärglichen Reste des Asylrechts.
Widerlich, wie sie die Solidarität von Menschen, die den Flüchtlingen helfen,
ausnutzen, um national und international gut dazustehen. Widerlich, wenn Sie
von Willkommenskultur reden, die Flüchtlinge in Großzelte pferchen, während
tausende Gebäude und hunderttausende Wohnungen leerstehen, die Bundeswehr
zigfach Kriege führt, Rüstungsexporte die Profite anheizen, Konzerne Profiteure
der internationalen Ausbeutung und Umweltzerstörung sind. Widerlich, wenn sie
von Willkommenskultur reden und gleichzeitig Flüchtlingsheime in Flammen
aufgehen, Nazis und Rassisten ungehindert marschieren, die faschistische
Mordbande NSU jahrelang nicht unerkannt, sondern besser gesagt staatlich
gedeckt durch die Republik morden konnte.
Wenn das
nicht reicht, alleine eine andere Zahl beweist, dass diese Gesellschaft faulend
und parasitär ist. 15,6 % aller Kinder sind auf Hartz IV angewiesen, in Berlin
32,6 %´, in Bremen gar 33,1 %. Das heißt ferngehalten von Kultur und Bildung,
das heißt ungesunde Ernährung, wenn nicht Unterernährung, das heißt Schädigung
der Gesundheit – das ist ein Verbrechen.
Die
Perspektiven für 2016 sind nicht schön. Aktuell beweist das auch die Debatte um
die Kölner Ereignisse. Sexuelle Übergriffe sind widerlich und zu bestrafen.
Sexuelle Übergriffe von Männern in Rudeln sind widerlicher. Trotzdem müssen
Fragen gestellt werden. Was war das für ein Polizeieinsatz? Wie erkennt man
eigentlich Nordafrikaner? Gibt es auch hier geborene Nordafrikaner? Und wer
untersucht die Häufigkeit von sexuellen Übergriffen beim Münchner Oktoberfest
durch, sagen wir mal, Hamburger? Und vor allem wem nützt das und wer nützt es
aus?
Die
Perspektiven für 2016 sind nicht schön. Wir werden wohl mit der Grundaussage
des Leitantrags des 21. Parteitags recht behalten. Der deutsche Imperialismus
wird aggressiver, nach innen und außen – die Arbeiterbewegung ist darauf
schlecht eingestellt. Diesen Realismus brauchen wir – hilft aber Pessimismus?
Ich bin mir sicher: Nein.
„Seien
wir Realisten – versuchen wir das Unmögliche“ – Che Guevara.
„Morgenröte
der Revolution“ – Karl Marx, nachdem französische und deutsche Truppen die
Pariser Kommune niedergeschossen hatten.
„Trotz
alledem, unser Schiff zieht weiter seinen stolzen, geraden Kurs“ – Karl
Liebknecht, nachdem die Sozialdemokratie ein Bündnis mit der Reichswehr
eingegangen war, um den Kapitalismus in Deutschland gegen die
Novemberrevolution zu verteidigen.
Salvador
Allende im von den Putschisten bombardierten Amtssitz: „Werktätige meines
Vaterlands! (…) In diesen düsteren und bitteren Augenblicken, in denen sich der
Verrat durchsetzt, sollt ihr wissen, dass sich früher oder später, sehr bald,
erneut die großen Straßen auftun werden, auf denen der würdige Mensch dem
Aufbau einer besseren Gesellschaft entgegengeht.“
Am Beginn
dieses Jahres, vor hundert Jahren fand die erste Reichskonferenz der „Gruppe
Internationale“ statt. Um Rosa und Karl scharten sich die Kriegsgegner und
Revolutionäre, eine kleine Gruppe, verlassen von ihrer Partei der ehemals
revolutionären SPD, die riesige Teile der Arbeiterklasse mit in den Sumpf von
Kriegsbegeisterung und Burgfriedenspolitik, der damalige Namen von
Sozialpartnerschaft, gezogen hatte. Der Weltkrieg tobte, Proletarier wurden zu
hunderttausenden gegeneinander gehetzt und hunderttausende starben für die
Interessen der Imperialisten. Eine schier aussichtslose Situation. Rosa und
Karl, also L und L waren verzweifelt, da bin ich sicher, aber sie verzweifelten
nicht. Ihre Aufgabe war Ihnen klar.
Unsere
Aufgabe ist klar. So unschön sie ist, unsere Analyse stimmt. So schwach wir
sind, unsere strategische und taktische Orientierung ist richtig. So fern es
ist, ohne unser Ziel geht es nicht: Sozialismus oder Barbarei.
Wir
können uns klein finden, das stimmt ja auch. Wir können unseren Gegner
übermächtig empfinden, das scheint er ja auch. Auch Wohlgesinnte mögen uns als
nicht besonders sexy ansehen – kann man darüber streiten. Nimmt aber alles
nichts an unserer Notwendigkeit weg.
Daran
sollten wir denken, wenn wir uns bei der jungen welt für diese tolle Konferenz,
für die Möglichkeit uns zu präsentieren, bedanken. Dieser Notwendigkeit sollten
wir uns bewusster sein, wenn wir morgen auf die Straße gehen, wenn wir mit dem
Pressefest unserer Zeitung, unserer UZ, das größte Fest des Friedens, des
Antifaschismus und der Solidarität vorbereiten und durchführen.
Kämpfen
wir um Leserinnen und Leser für Position und UZ!
Stärken
wir die SDAJ und die DKP!
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