Ein Diskussionsbeitrag
des Delegierten und DKP-Mitglieds Jürgen B. auf dem 23. ordentlichen
Gewerkschaftstag der IG Metall, der am 24. Oktober endete – und die Reaktion
des (jetzt) ehemaligen IGM-Vorsitzenden, Detlef Wetzel.
Liebe
Kolleginnen und Kollegen,
am gestrigen Tag haben wir unseren Kongress begonnen.
Aufgabe dieses Kongresses ist es, unsere Arbeit, unsere Gewerkschaftsarbeit
einer positiven, aber auch einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Sind
wir mit unseren Analysen, mit unseren Einschätzungen an den realen Problemen im
Betrieb und in der Gesellschaft? Sind wir mit der Einschätzung unseres
Noch-Vorsitzenden, dass die Sozialpartnerschaft ein Erfolgsrezept ist, auf dem
richtigen Weg?
gestern
ebenfalls berichtet -, als dass Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam
Verantwortung tragen. Wenn dem so ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, warum
wird der prekäre Bereich in unseren Betrieben und in der Gesellschaft immer
größer?
Wenn dem so ist, liebe
Kolleginnen und Kollegen, warum sinkt die Lohnquote, warum wird die Arbeitszeit
immer mehr verlängert und warum wird der Druck auf unsere Kolleginnen und
Kollegen in den Betrieben immer schlimmer?
Wenn dem
so ist, warum werden unsere sozialen Errungenschaften immer weiter abgebaut?
Heute zahlen wir für die Erhöhung von Krankenkassenbeiträgen alleine.
Es gab
mal eine Zeit, da wurde das von beiden getan. Wenn dem so ist, dass die Verantwortung
auf beiden Seiten liegt, warum wird der Reichtum in unserem Land für wenige
immer größer? Mittlerweile ist es ein gesellschaftlicher Skandal, in wie
wenigen Händen der Reichtum konzentriert ist.
Es mag
sein, dass die Sozialpartnerschaft ein Erfolgsfaktor der deutschen Wirtschaft
ist. Aber ist sie das auch für uns?
Wenn wir
nüchtern die Fakten analysieren, haben wir sicherlich einige Erfolge. Aber in
Summe, im Saldo befinden wir uns doch alle in permanenten Abwehrkämpfen.
Der
Alltag in den Betrieben, auch in unserer Ortsverwaltung, ist durch Abwehrkämpfe
geprägt. Von Partnerschaft kann in den Betrieben keine Rede sein.
Kolleginnen
und Kollegen, das, was wir auf diesem Kongress darstellen, hat teilweise mit
der realen Welt wenig zu tun. Manchmal frage ich mich: Was geht in den
Köpfen
unserer Führung so vor? Ich nehme als Beispiel die IG Metall-Zeitung vom August
dieses Jahres. In dieser Zeitung machen wir Werbung für ein Sportauto. Für
dieses
Auto, so schreiben wir, kostet ein Schlüssel in Wagenfarbe 952 Euro, eine
Fußmatte kostet 1.190 Euro, ein Kofferset 17.731 Euro. Das Auto selbst schlappe
768.000 Euro.
Dann
schreiben wir in der gleichen Zeitung, der Preis stört nicht. Alle 918 Exemplare
sind
bereits verkauft. Zwei stehen bei mir in der Garage. (Heiterkeit – Beifall)
Für viele
Menschen, so wird geschrieben, ist ein rasanter Sportwagen ein Traum. Ich
zitiere die Metallzeitung unserer Organisation vom August.
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, hat das noch etwas mit der realen Arbeitswelt zu tun?
Dass wir die Autos bauen müssen, ist klar. Aber ist dies das, was unsere
Kolleginnen
und
Kollegen bewegt?
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, statt die Sozialpartnerschaft zu hofieren, sollten
wir unsere Kolleginnen und Kollegen aufklären, dass nur eine
interessenorientierte, eine gesellschaftskritische und eine systemkritische IG
Metall eine Chance hat, unsere Besitzstände zu verteidigen. (Beifall)
Auch wenn
ich damit nicht auf komplette Zustimmung stoße, bleibt es eine Wahrheit: Die
reale Welt ist durch den Gegensatz von Arbeit und Kapital geprägt. Ein Euro von
uns muss immer gegen den Willen der anderen erkämpft werden. Dies den
Kolleginnen und Kollegen zu erklären, ist unsere Aufgabe, und nicht diese
Sozialpartnerschaft zu bejubeln, die es sowieso nicht gibt. (Beifall)
Machen
wir es nicht, werden wir weitere Rückschritte in unseren sozialen Standards
hinnehmen müssen. Ich hoffe, dass wir auf diesem Kongress damit beginnen,
diesen Widerspruch unseren Kolleginnen und Kollegen zu erläutern. Dafür ist
unsere metallzeitung wichtig, und nicht für Kampagnen für Autos. – Ich bedanke
mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall)
Auf diesen Beitrag reagierte Detlef Wetzel
folgendermaßen:
Liebe
Kolleginnen und Kollegen,
erst
einmal ganz herzlichen Dank für die vielen Diskussionsbeiträge.
Da soll
mir noch mal jemand sagen, diese IG Metall diskutiert nicht.
Es ist
jetzt ein bisschen ungünstig, nicht weil so viele gesprochen haben, sondern
weil ich jetzt nicht eine halbe Stunde Pause habe, um die ganzen Wortbeiträge
ein
bisschen
zu sortieren. Insofern seht es mir nach, wenn ich das nicht systematisch mache.
Jürgen,
zur Sozialpartnerschaft: Wenn Du unterstellen würdest, dass Sozialpartnerschaft
Friede, Freundschaft, Eierkuchen ist, dann hättest Du Recht. Aber ich glaube,
Sozialpartnerschaft
ist etwas anderes, insbesondere wie wir unsere Arbeit als Gewerkschaft
verstehen. Wir sind mitgliederorientiert, wir sind beteiligungsorientiert,
wir sind
konfliktorientiert. Dort, wo wir mit den Arbeitgebern gemeinsame Interessen
haben, wie zum Beispiel bei der Frage CO2, bei der Frage der Zukunft der
Industrie
und bei
vielen anderen Themen mehr, wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir
nicht gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Kräften versuchen würden, unsere
Interessen durchzusetzen. Insofern teile ich das nicht. Insbesondere auch
deshalb, weil beispielsweise die Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit,
die Selbstverwaltung der Krankenkassen, um nur mal zwei Beispiele zu nennen, wo
wir natürlich auch mit den Arbeitgebern und der öffentlichen Hand
zusammensitzen,
sozusagen
die Inkarnation der Sozialpartnerschaft ist. Kein Mensch würde ja verlangen,
dass wir aus der Bundesagentur für Arbeit oder aus den Verwaltungsräten der
Krankenkassen ausscheiden, nur weil wir das Wort Sozialpartnerschaft nicht so
mögen.
Also, ich
meine, da sollten wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Die Blog-Redaktion des DKP-Lübeck / Ostholstein merkt zu dieser Reaktion Wetzels an, dass der Kollege Wetzel hier einem Missverständnis erliegt: Das Problem mit der Sozialpartnerschaft besteht nicht im Mitarbeiten von Gremien der Bundesagentur für Arbeit oder den Krankenkassen, um zwei Beispiele aufzugreifen. Das Problem besteht darin, dass – um bei den Beispielen zu bleiben – die Erhöhungen der Krankenkassebeiträge allein von den Lohnabhängigen gezahlt werden und die ALG-II-Sätze inkl. Sanktionen Menschen ohne Arbeit in die Verelendung treiben. Übrigens auch die Kolleginnen und Kollegen mit einem Leiharbeitsvertrag bei eienem Vorzeige-Konzern in Sachen „Sozialpartnerschaft“ wie Volkswagen, die jetzt vor die Tür gesetzt werden im Zuge des VW-Skandals – ein Skandal, den allein das VW-Management und die Konzernführung zu verantworten haben. Das Problem mit der Sozialpartnerschaft ist kurzum, dass von Wetzels „unsere Interessen durchzusetzen“, (leider) nicht die Rede sein kann.
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