Dienstag, 11. März 2014

Weltmeister der Ungleichheit

Deutschlands Reiche werden immer reicher, die Armen immer ärmer

In den Jahren 2002 bis 2012 konnten die oberen Einkommensgruppen in Deutschland „ihren Vermögensbestand weiter ausbauen“, während das Vermögen der unteren Gruppen teils stagnierte, sank, oder sogar ganz verschwand.

Das ergab eine Studie mit dem Titel „Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland“, die am 25. Februar vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) veröffentlicht wurde. Unterstützt wurde die Studie von der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Im Durchschnitt besaßen die hierzulande Lebenden im Jahr 2012 rund 6,3 Billionen Euro Vermögen. Das „Nettovermögen je Erwachsenen (Personen ab 17 Jahren) lag 2012 bei gut 83 000 Euro“ – aber eben nur im Schnitt. Diese 83 000 Euro sind bei den meisten EinwohnerInnen weder auf dem Kontoauszug zu finden, noch sind sie irgendwo einklagbar.

Diese Zahl verführt, das Vermögen der breiten Masse zu überschätzen. Tatsächlich besitzt die Hälfte der Bevölkerung weniger als 17 000 Euro pro Person. Dass die beiden Werte so weit voneinander abweichen, ist nach Ansicht der Forscher eine „Folge der ungleichen Verteilung des Vermögens“. So hat mehr als ein Fünftel der Erwachsenen gar kein Vermögen, 7,4 Prozent sind sogar überschuldet, also pleite.

Darunter befinden sich viele Arbeitslose, von denen rund zwei Drittel kein Vermögen haben. „Die sind von der Hartz-IV-Gesetzgebung betroffen“, so einer der Autoren der Studie. 2002 besaßen die Arbeitslosen durchschnittlich noch 30 000 Euro an Vermögen, 2012 waren es nur noch 18 000 Euro, da sie ja nun ihr Vermögen aufbrauchen müssen, bevor sie Arbeitslosengeld II beziehen können.

Wie weit sich die Schere zwischen Arm und Reich hierzulande spreizt, zeigt ein anderes, von den Forschern benutztes Maß, nämlich der so genannte Gini-Koeffizient. Liegt dessen Wert bei Null, besitzen alle Bürger das Gleiche. Ist er gleich eins, besitzt den ganzen Reichtum nur eine einzelne Person. Mit einem Gini-Koeffizienten von 0,78 ist die BRD der Champion in Sachen Ungleichheit.

Die Anzahl der Millionäre ist laut Informationen der Frankfurter Rundschau in der achtjährigen Regierungszeit von Kanzlerin Merkel um 120 000 auf 892 000 gestiegen. Das Vermögen dieser Millionäre ist in den acht Jahren um 406 Milliarden auf 2,38 Billionen angewachsen.

Gleichzeitig ist der Bevölkerungsanteil der von Armut bedrohten Menschen (zur Zeit bei 869 Euro pro Monat für einen Einpersonenhaushalt) von 14,0 auf 15,2 Prozent gestiegen.

Die realen Nettolöhne der Arbeitnehmer liegen heute im Durchschnitt unter dem Niveau von vor 20 Jahren. Und auch 2013 mussten die Beschäftigten eine Reallohnsenkung um 0,2 Prozent verkraften. Zum Vergleich: Der VW-Chef Martin Winterkorn bezieht ein Jahreseinkommen von rund 18 Millionen Euro und damit etwa das Tausendfache eines VW-Leiharbeiters.

Aber: So was kommt von so was. Die immer größer werdende Ungleichheit der Vermögensverteilung in unserem Lande ist das Ergebnis einer massiven Umverteilung von unten nach oben. Die Millionäre verfügen über ein Gesamtvermögen in Höhe von rund 2 200 Milliarden Euro (ohne eigengenutzte Immobilien). Das entspricht ziemlich genau der Höhe der Gesamtverschuldung des Bundes, der Länder und der Kommune. Wie viele Superreiche es tatsächlich gibt, wissen selbst die Forscher nicht. Dazu gehören aber mit Sicherheit die Aldi-Familien mit einem Besitz von knapp 18 bzw. 16 Milliarden Euro und auch der Lidl-Gründer Dieter Schwarz mit 13 Milliarden Euro.

Dass es so nicht ewig weiter geht, muss die Umverteilung des von den Arbeitenden geschaffenen Reichtums, dort erkämpft werden, wo der gesellschaftliche Reichtum erarbeitet wird – bevor er in den Taschen der Reichen verschwinden kann.

Dass dazu in nichtrevolutionären Zeiten bestgeeignete Instrument ist der Kampf um höhere Löhne. Löhne, die nicht nur die Inflation ausgleichen, sondern auch die erreichte Produktivitätssteigerung berücksichtigen, und eine saftige Umverteilungskomponente bewirken. Die aktuelle 100-Euro-Festgeldforderung von ver.di ist ein wertvoller Schritt in Richtung mehr Verteilungsgerechtigkeit.

Manfred Dietenberger
Quelle: unsere zeit vom 7. März 2014

Die Studie lässt sich auf der Homepage des DIW herunterladen:
https://www.diw.de/deutsch

Keine Kommentare: