Samstag, 8. März 2014

Faschistische Hegemonie

Anhänger des »Rechten Sektors« und anderer 
faschistischer Organisationen auf dem Maidan 
sind mit Knüppeln und auch Schußwaffen ausgestattet
Die Propaganda-Maschiene rollt: Auf allen Medien erfahren wir dieselben Lügen-Trommelfeuer über die angeblich "friedlichen und demokratischen Aktivisten" des Kiewer Maidans. Die Wahrheit sieht anders aus. 

Wir dokumentieren daher einen Bericht aus der heutigen Ausgabe der "jungen Welt".

Hintergrund. Entgegen anderslautender Behauptungen dominieren ultrarechte Gruppen den Kiewer Maidan. Ihr Anhang wächst

Von Thomas Eipeldauer aus „junge Welt“ vom 08.03.2014

In der Kiewer Chreschtschatik-Straße, kurz bevor man zum zentralen Maidan kommt, bewachen Vermummte mit Schildern und Knüppeln den Eingang zu einem Gebäude. An der Tür klebt das Symbol des »Rechten Sektors«, der Trisub (dt. etwa Dreizack) auf schwarz-rotem Untergrund. Davor warten, eigentlich zu fast jeder Tageszeit, einige Dutzend Menschen, vor allem junge Männer, auf Einlaß. Sie wollen beitreten, mitkämpfen. Gegen Korruption, gegen die Oligarchen, wie sie sagen.
Ich treffe einen Mann, der den Kampfnamen Sucha, »der Trockene«, trägt. Auch er ist erst seit kurzem dabei, aber er hat sich schon in den Rang eines stellvertretenden Kommandanten hochgearbeitet. Seit 1991, seit er den Komsomol, den kommunistischen Jugendverband, verlassen habe, sei er in keiner politischen Partei mehr gewesen. Jetzt erst fühle er sich gut aufgehoben: »Ich dachte, ich sei ganz allein mit meinen Gedanken. Aber jetzt habe ich Freunde gefunden, Gesinnungsgenossen.« Er würde alles für den Sektor tun, »was immer man mir sagt«.

Was ihn dazu bewegt hat, sich gerade dem Rechten Sektor anzuschließen, frage ich ihn. »Diese Politiker, die auf dem Maidan stehen und reden, die sagen den Leuten: Ok, laßt uns was unternehmen. Aber sie beschützen die Leute nicht, und sie haben keinen politischen Plan. Das gefällt mir nicht. Der Rechte Sektor ist anders. Der Rechte Sektor ist auf dem Maidan die Kraft, die weiß, was sie tut. Ich wollte mich hier beteiligen und die Menschen beschützen, deshalb bin ich beigetreten.« Sucha ist kein Einzelfall. Dieselbe Antwort bekomme ich in den nächsten Tagen häufig und von Menschen mit ganz unterschiedlichen Charakteren.

No-Go-Area Kiew

In Gruppen von zehn, vielleicht fünfzehn Mann patrouillieren die Vermummten durch die Innenstadt. Wer mit dem Auto ankommt, muß an ihren Straßensperren halten und sein Fahrzeug durchsuchen lassen. Will man in die öffentlichen Einrichtungen, das Parlament oder den Präsidentensitz, sind sie es, bei denen man sich auszuweisen hat. Jene Linken, die zu Beginn der Proteste versucht hatten, auf dem Maidan ihre politischen Inhalte einzubringen, haben sie mit Gewalt vertrieben. Kiew ist zu einer No-Go-Area für Kommunisten, Antifaschisten und Anhänger der »Partei der Regionen« des abgesetzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch geworden.

In den meisten westlichen Medien wurde das lange Zeit konsequent verschwiegen oder verharmlost. Eine Kampagne der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung unter dem Titel »Keine extremistische, sondern eine freiheitliche Massenbewegung« war besonders wirkungsvoll. Dort meldete sich »eine Gruppe von Sozial- und Geisteswissenschaftlern, die sich mit ukrainischer nationaler Identität befassen« zu Wort. Sie diffamierte alle, die von neonazistischen und faschistischen Gruppen auf dem Maidan berichteten, als Sprachrohre der Putinschen Propagandamaschinerie.1 Skurril muteten die Statements von Prominenten wie Marina Weisband, der ehemaligen politischen Geschäftsführerin der Piratenpartei, an: »Die Neonazis, von denen man so viel hört, sind ein verschwindend kleiner Teil. Ich habe sie auf dem Maidan so gut wie nicht gesehen«, behauptete sie im Interview mit dem Spiegel noch Ende Februar. 2

BRD-Vizekanzler Sigmar Gabriel am 
Freitag auf dem Kiewer Maidan
Wo immer die Experten der Böll-Stiftung und Marina Weisband waren, der Kiewer Maidan kann es nicht gewesen sein. Denn dort ist es schlichtweg unmöglich, die Faschisten »so gut wie nicht zu sehen«. Wolfsangel, abgewandeltes Keltenkreuz und die Kürzel der verschiedenen militanten Organisationen zieren jede Wand in der Kiewer Innenstadt. Direkt neben der Bühne steht ein meterhohes Porträt des Faschistenführers Stepan Bandera, dessen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) während des Zweiten Weltkriegs für die Ermordung Zehntausender Juden und Polen verantwortlich zeichnet. »Die Juden werden wir abschlachten, die Polen erdrosseln, aber die Ukraine müssen wir erkämpfen«, hieß es in einem der Lieder der OUN-Milizen, deren schwarz-rote Fahne heute auf dem Maidan weht.

Er werde »gegen Kommunisten, Juden und Russen kämpfen, solange Blut in meinen Adern fließt«, erklärte 2007 der nationalistische Terrorist Alexander Musitschko, der in den vergangenen Wochen als Kommandant des Rechten Sektors in der Ukraine Bekanntheit erlangte, weil er besonders skrupellos gegen politische Gegner vorgeht.

Der »Prawi Sektor« ist eine der bekanntesten faschistischen Organisationen auf dem Maidan geworden. Er ist ein Zusammenschluß mehrerer Gruppierungen, so der OUN, der stark antisemitischen UNA-UNSO (Ukrainische Nationalversammlung mit ihrem bewaffneten Arm Ukrainische Nationale Selbstverteidigung) und anderer kleinerer Gruppen wie Bili Molot (»Weißer Hammer«).

Inhaltlich sind die meisten dieser Gruppen, ob sie sich am Nazifaschismus oder an den ukrainischen Hitler-Kollaborateuren orientieren, vor allem antikommunistisch, antirussisch und bisweilen stark antisemitisch. Profilieren können sie sich als eine Bewegung von unten, als die einzig echte Opposition.

International noch akzeptierter als die Straßenkämpfer des Rechten Sektors und der anderen neofaschistischen Kleingruppen ist die Partei Swoboda (»Freiheit«) des Antisemiten Oleg Tjagnibok. Sie verfügte im Westen des Landes bereits vor dem Euromaidan über eine größere Schar an Anhängern und gilt westlichen Politikern heute als normaler Teil der ukrainischen Opposition. Der prominente Republikaner und ehemalige US-Präsidentschaftskandidat John McCain trat mit ihrem Führer gemeinsam auf, BRD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier schüttelte ihm die Hand, für Witali Klitschko zählte er ohnehin zu den wichtigsten Bündnispartnern im Kampf gegen Wiktor Janukowitsch.

Foto: UZ
Gleichwohl ist Swoboda nicht einfach eine »rechtspopulistische« Partei, wie die Sprachregelung in deutschen Medien lautet. Es ist eine neofaschistische Organisation, die einen bewaffneten Verband unterhält, die – wenn es etwa um antisemitische Ausfälle geht – den Prawi Sektor eher noch rechts überholt. Zur NPD pflegt die Truppe enge Kontakte, der letzte Besuch bei den »Kameraden« im sächsischen Landtag im Mai 2013 verlief in größter Harmonie.

Der Jüdische Weltkongreß hat die Partei als neonazistisch eingestuft und fordert ihr Verbot. Der Swoboda nahestehende Militante der Organisation C 14 haben die Zentrale der Kommunistischen Partei in Kiew besetzt, Hakenkreuze an die Außenwand geschmiert und über dem Eingang eine Keltenkreuzfahne gehißt. Im Haus residiert Jewhen Karas, einer der Kommandanten von C 14. Er erklärte gegenüber dem britischen Sender BBC, was er und die Seinen wollen: »Die Hauptkonfrontation ist: Einige ethnische Gruppen haben die Kontrolle über viele Unternehmen, über die ökonomische und politische Macht.« Welche, wollte der BBC-Reporter wissen. Karas: »Russen, Juden und Polen. Einige nichtukrainischen Gruppen kontrollieren einen riesigen Teil der ökonomischen und politischen Macht.«3

»Unsere Jungs«

Gleichwohl sind selbstverständlich nicht alle Menschen, die sich gegen die unbestreitbar korrupte und kleptokratische Regierung Wiktor Janukowitschs zur Wehr setzten, Faschisten. Viele sind auf die Straße gegangen, weil die soziale Situation in der Ukraine katastrophal ist. Löhne von umgerechnet 200 bis 300 Euro sind keine Seltenheit, während eine kleine Schicht von ­Oligarchen ein Leben in unvorstellbarem Luxus führt. Die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums könnte ungleicher kaum sein, die Akkumulation von Kapital läuft hier nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch »ursprünglich« im Marxschen Sinne, nämlich durch »Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt«.

Janukowitschs Residenz Meshigorje samt Zoo und Luxuskarossen wurde für die Demonstranten zum Sinnbild eines maßlosen Diebstahls zu Lasten der ukrainischen Bevölkerung. Zehn Nullen habe die Summe, die Janukowitsch und seine Familie außer Landes geschafft haben sollen, erzählt mir der Ökonom Igor Umanski. »Was ist Korruption? Es ist das Phänomen, wenn ein Individuum seine Stellung, seine Macht mißbraucht. In der Ukraine ist das allerdings nicht so einfach. Hier ist Korruption das ganze System der Macht«, sagt er.

Insofern sich die Menschen auf dem Maidan gegen diese Form kapitalistischer Akkumulation und die Herrschaft der Oligarchen wandten, handelte es sich bei dem Aufstand im Kern auch um einen Sozialprotest. Allerdings um einen, der von vornherein eine Ausdrucksform hatte, die seinem Inhalt widerspricht, insofern als die Organisatoren und Repräsentanten der Protestbewegung selbst der Oligarchie, nur eben der dem Westen genehmen, angehörten und die Demonstranten auf der Straße nicht für ihre eigenen klassenmäßigen Interessen kämpften, sondern für die ihrer »Nation«.

Im Verlauf dieses Protests sind die Faschisten eindeutig hegemonial geworden. Sie geben die politischen Inhalte vor, sie sind diejenigen, die Zulauf haben, sie sind die Kraft, die von der Straße aus Druck auf die politischen Entscheidungen ausüben kann. »Es sind unsere Jungs, sie beschützen uns«, sagt mir eine junge Frau, die seit November an den Demonstrationen teilnimmt. Jeden Tag gewinnt die äußerste Rechte neue Anhänger. Wenn der Führer des Prawi Sektor, Dmitro Jarosch, auf der großen Bühne spricht, erntet er wesentlich mehr Beifall als Klitschko oder Julia Timoschenko. Die Faschisten haben die kulturelle Hegemonie über den Platz errungen.

Das wiederum ist durchaus nicht unerklärlich. Auch unter den »normalen« Demonstranten sind antirussische Ressentiments und ein übersteigerter ukrainischer Nationalismus allgegenwärtig. Auf dem Maidan grüßt man nicht mehr mit »Hallo« oder »Guten Tag«, die neue Formel lautet »Slawa Ukraini«, Ruhm der Ukraine, auf die der Gegrüßte mit »Heroyam Slava«, Ruhm den Helden, antwortet – eine ebenfalls auf die Nazikollaborateure der OUN zurückgehende Parole (siehe jW vom 20.2.). Tausende rufen die Formel immer und immer wieder, wenn auf der Bühne der »gefallenen Helden« der Schlacht vom Maidan, die oft aus den nationalistischen Gruppen kamen, gedacht wird.

Hinzu kommt, daß der Westen sich schon bei vorherigen Versuchen, die Ukraine in die eigene »Wertegemeinschaft« einzugliedern, der äußersten Rechten bedient hat. Schon während Julia Timoschenko als Galionsfigur eines prowestlichen Aufbruchs nach der Macht griff, hatte sie Ultranationalisten als enge Berater – zum Beispiel Andrij Schkil, zuvor Gründungsmitglied der rechtsterroristischen UNA-UNSO.

Der Anführer der »Organisation Ukrainischer Nationalisten« 
und zeitweilige Nazikollaborateur Stepan Bandera 
wird in Kiew von vielen verehrt
Auch damals bezog sich die »demokratische Opposition« offen auf die faschistischen Traditionen des ukrainischen Nationalismus. Wiktor Juschtschenko, neben Timoschenko der zweite Hauptdarsteller der »Orangenen Revolution«, verlieh Stepan Bandera posthum den Ehrentitel »Held der Ukraine«. In den Schulen begann, so der ukrainische Journalist Dmitri Kolesnik, eine »Kampagne, die eine Glorifizierung der Nazikollaborateure zum Inhalt hatte«.4

Überhaupt scheint es in einem Teil der ukrainischen Gesellschaft kein kritisches Bewußtsein hinsichtlich der Rolle der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und der Ukrainischen Aufständischen Armee während des Zweiten Weltkriegs zu geben. Der Mythos, Stepan Bandera könne schon deshalb kein Faschist gewesen sein, weil ihn Hitler, nachdem er am 30. Juni 1941 die Unabhängigkeit der Ukraine proklamierte, im Juli verhaften ließ, ist bis in die bürgerliche Presse hinein weit verbreitet: »Faschisten sind keine Banderisten, und Banderisten sind keine Faschisten. Wäre Stepan Bandera, Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten, ein Faschist gewesen, er würde doch wohl keine drei Jahre von 1941 bis 1944 in einem deutschen Nazigefängnis verbracht haben (…)«, schreibt die Kyivpost in einer »Top Ten der Lügen des Kremls«.5 Kein Wort von den Morden an Juden, Kommunisten und Polen, kein Wort von der Ausrichtung der OUN an Hitlerdeutschland, kein Wort von den ukrainischen Hilfstruppen der Wehrmacht.

Oligarchen und Faschisten

Der wesentlichste Grund für das Erstarken der Faschisten auf dem Maidan dürfte allerdings sein, daß die Menschen das Vertrauen in das gängige Politpersonal verloren haben. So ist ein Vakuum entstanden, das die Nationalisten füllen konnten. Man trifft, spricht man mit noch so vielen Menschen in Kiew, kaum jemanden, der von Witali Klitschko oder Julia Timoschenko irgendeine Verbesserung der Lage erwartet. Auch die Übergangsregierung steht nicht hoch im Kurs.

Die Gründe, die zu dem Aufbegehren eines großen Teils der Bevölkerung der Ukraine gegen ihren Präsidenten geführt haben, waren und sind legitim. Das Fehlen einer politischen Alternative und die nationalistische Form, die der Aufstand angenommen hat, zusammen mit der imperialistischen Einflußnahme der USA und der Europäi­schen Union, haben aber dazu geführt, daß diese Protestbewegung nur ein katastrophales Resultat hervorbringen konnte. Der Maidan ist ein Lehrstück dafür, wie unter bestimmten Bedingungen faschistische Gruppierungen innerhalb kürzester Zeit zu einem ernstzunehmenden politischen Faktor werden können.

Was nun als vorläufiges Ergebnis in Form einer vom Westen eilig anerkannten »Regierung« existiert, könnte schlimmer kaum sein. Als Premierminister fungiert der Banker Arseni Jazenjuk, Fraktionschef von Julia Timoschenkos Allukrainischer Vereinigung Vaterland, der bereits Privatisierungen im großen Maßstab angekündigt hat. Sein Stellvertreter ist Olexandr Sitsch, Abgeordneter der Swoboda, der sich insbesondere durch die Mißachtung von Frauenrechten einen Namen gemacht hat: Auf ihn geht eine Gesetzesinitiative zum vollständigen Verbot von Abtreibungen zurück, auch bei Vergewaltigungen. Denn an denen seien Frauen, so Sitsch, ohnehin selbst schuld, wenn sie einen nicht angemessenen »Lebensstil« hätten.

»Innenminister« ist der unter Korruptionsverdacht stehende und ebenfalls ein gutes Verhältnis zu Julia Timoschenko pflegende Multimillionär Arsen Awakow. Ein Gefolgsmann eines anderen Oligarchen, nämlich des Medienzars und Maidan-Finanziers Petro Poroschenko, Wolodimir Groisman, ist als stellvertretender Minister für Regionenpolitik vertreten. Chef der Nationalen Sicherheit wird mit Andrij Parubi ein überzeugter Faschist und Gründungsmitglied der Sozial-Nationalen Partei der Ukraine. Sein Stellvertreter ist Dmitro Jarosch vom Rechten Sektor. Es ist eine »Regierung« aus westlichen Marionetten, Strohmännern von Oligarchen und Faschisten.

Dem entsprechen auch deren erste Handlungen: Kontakte mit dem Internationalen Währungsfonds wurden wieder aufgenommen, Budgetkürzungen und die Verscherbelung des Staatseigentums stehen auf dem Programm. Der Versuch, Russisch als Amtssprache abzuschaffen, gibt einen Vorgeschmack auf die Minderheitenpolitik, die von dieser Koalition aus neoliberalen und Ultranationalisten zu erwarten ist.
Die Geister, die man rief ...
Allerdings ist diese temporäre Teilung der Macht zwischen den traditionellen prowestlichen Oligarchencliquen und den erstarkten Faschisten fragil. Früher oder später wird sie auch für die westlichen Unterstützer des Umsturzes ein Problem darstellen. Denn die Faschisten, die man als Fußtruppen auf dem Maidan akzeptierte, werden kaum gewillt sein, sich den Wunschkandidaten Washingtons und Berlins unterzuordnen.

Sie haben ihre eigene Agenda, die »nationale Revolution«, wie sie sagen. Fragt man die martialisch ausstaffierten Schläger auf dem Maidan, so bekommt man schnell zu hören, daß Janukowitsch nur ein erster Schritt zu diesem Ziel war. »Timoschenko, Klitschko, Poroschenko, alle müssen weg«, sagt mir ein Mann mit gelber Armbinde und Wolfsangel-Zeichen. Wenn überhaupt einer Präsident werden soll, dann Dmitro Jarosch, aber eigentlich sei das auch nicht so wichtig, solange man die Kontrolle über die Straße behalte und Druck machen könne.

Während der harten Auseinandersetzungen auf dem Maidan, als es darum ging, die Straße von der »Berkut«, den Spezialkräften des Innenministeriums, zu erobern, brauchte die prowestliche Oligarchie die rechten Hundertschaften. Als zukünftige Ansprechpartner zum Aushandeln neoliberaler Reformen und bei der Erschließung der Ukraine als Absatzmarkt westlicher Produkte und Investitionsraum westlichen Kapitals werden sie kaum taugen. Spätestens im Mai, nach den Wahlen, wird sich die Frage stellen, wer die rechten Milizen, die längst nicht mehr nur über Holzknüppel und Molotowcocktails verfügen, entwaffnen soll. Zumal zu erwarten ist, daß die äußerste Rechte zumindest in einigen Regionen der Ukraine in den nächsten Monaten weiter wachsen wird. Denn die Politik der Übergangsregierung, die schon jetzt den Ausverkauf des Landes begonnen hat, wird weiter massenhaft junge Menschen in die Arme des »Rechten Sektors« treiben. Je mehr das aber der Fall ist, desto unwahrscheinlicher wird es, daß es auf absehbare Zeit möglich sein wird, eine Regierung zu bilden, die von der ohnehin anhand sprachlicher, kultureller, ethnischer und politischer Linien geteilten Ukraine von einer Mehrheit der Bevölkerung zumindest toleriert wird.

Anmerkungen

1 https://www.boell.de/de/2014/02/20/euromaidan-freiheitliche-massenbewegung-zivilen-ungehorsams

2 www.spiegel.de/politik/ausland/interview-mit-marina-weisband-auf-dem-maidan-viele-sind-frustriert-a-955163.html

3 BBC-Dokumentation: www.youtube.com/watch?v=5SBo0akeDMY (Kurzlink: kurzlink.de/BBC-Neonazi-Threat)

4 lowerclassmagazine.blogsport.de/2014/03/04/der-widerstand-waechst-auch/



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