Bei zwei von drei Reichen fußt das Vermögen auf
Erbschaften oder Schenkungen
Im
Abstand von vier Jahren gibt es jeweils ein Daten-Update zur sozialen Lage in
Deutschland, genannt Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.
Vorgeblich eine objektiv erstellte, große Sozialbilanz der Regierungspolitik.
Der aktuell vorgestellte Bericht „informiert“ auf mehreren hundert Seiten über
den Stand von Löhnen, Vermögen, Wohnraum, Renten und zum Beispiel auch
Gesundheit.
Im
Vorgängerbericht der damaligen CDU/FDP-Regierung von 2013 war keine
qualifizierte Aussage zum Thema Reichtum in diesem unserem Lande zu finden, die
wurden damals auf Druck des Koalitionspartners FDP gestrichen. Warum? „Weil,
sie nicht ins Weltbild der jetzigen Bundesregierung passen“, so Andrea Nahles
als damalige SPD-Generalsekretärin. 2017 aber selbst zur Arbeitsministerin und
Sozialministerin aufgestiegen, legt Andrea Nahles unverfroren einen ebenfalls
frisierten neuen Armuts- und Reichtumsbericht vor.
Gestrichen
wurde entlarvend auch: „Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikveränderung ist
wesentlich höher, wenn diese Politikveränderung von einer großen Anzahl von
Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird“, – die wohl ehrlichste Aussage
über die herrschenden politischen Verhältnisse in Deutschland.
Seit
Oktober vergangenen Jahres zog sich das Gefeilsche um wohlfeile Passagen
innerhalb der Koalition hin.
Das
Schönfärbbad der Bundesregierung überlebt aber hat z. B. die Aussage „Gerade
weniger privilegierte Bürger empfinden ihre Anstrengungen vielfach als nicht
ausreichend respektiert“. Für die Menschen sei es aber sehr wichtig, dass sie
und ihre Kinder den erreichten Status verbessern oder wenigstens erhalten
könnten. Verschwiegen wird auch nicht, dass zwei Millionen Kinder
armutsgefährdet sind, weil entweder kein Elternteil erwerbstätig ist oder ein
Alleinverdiener eben nur in Teilzeit arbeitet.
Hat kein
Elternteil bezahlte Arbeit, liegt das Armutsrisiko der Kinder bei 64 Prozent.
Während die Stelle, die im Bericht darauf hinweist, dass Menschen mit größerem
Geldbeutel mehr Einfluss auf politische Entscheidungen haben als
Einkommensschwache, eliminiert wurde, spricht Nahles bei ihrer mündlichen
Vorstellung des Berichts denn doch vom Auseinanderklaffen der Schere bei
Vermögen und Einkommen: Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besäßen mehr
als die Hälfte des gesamten Nettovermögens, während die untere Hälfte nur über
ein Prozent verfügte.
Gesellschaftspolitisch
bedenklich sei nicht nur die Größe des Reichtums, sondern dass dieser häufig
nicht auf der eigenen Leistung beruhe. Bei zwei von drei Reichen fuße er
vielmehr auf Erbschaften oder Schenkungen. Und Nahles stellt selber fest: „Je
weniger aber Reichtum mit eigener Leistung zu tun hat, umso mehr stellt sich
die Frage nach Gerechtigkeit“.
Obwohl
sich die höheren Einkommen gut entwickelten, zeige sich, so der Bericht, dass
die unteren 40 Prozent der Arbeitenden 2015 real weniger verdienten als Mitte
der 90er Jahre. Besonders in der Transport- und Einzelhandelsbranche
stagnierten die Löhne auf niedrigem Niveau.
Je mehr
Menschen mit hohem Einkommen eine politische Meinung vertreten, desto größer
sei aber die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung in deren Sinne, sagte sie.
Bei den unteren Einkommensgruppen verhalte es sich anders. Deren Meinung werde
seltener umgesetzt. „Das ist ein alarmierender Befund“. Besser kann es niemand
zusammenfassen.
Mit der
Vorlage des Berichts erst Ende März 2017 verstößt die Bundesregierung gegen
Vorgaben des Bundestages, die verlangen, dass der Bericht zur Hälfte der
Legislatur vorgestellt werden muss. Das war aber berechnende Absicht. Bewusst
legt Andrea Nahles den Bericht jetzt zu Beginn des Bundestagswahlkampfs 2017
vor, um ihrem Parteifreund Martin Schulz im SPD Wahlkampf beizuspringen. Auch
Frau Nahles ist klar, zu große Unterschiede zwischen arm und reich könnten „die
Akzeptanz der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verringern“. Nicht zuletzt
deshalb meldet Nahles an nicht wenigen Stellen selbst Verbesserungsbedarf an,
ohne selbst Lösungsvorschläge zu nennen. Damit bietet sie Martin Schulz
Steilvorlagen, und der wird das verbleibende halbe Jahr damit beschäftigt sein,
damit seinen Wahlspeck Marke „Soziale Gerechtigkeit“ zu räuchern.
Bei der
Pressekonferenz verwies die Ministerin so nebenbei darauf, dass im September
mit der Bundestagswahl die Chance für einen politischen Wechsel bestünde.
Stimmt. Und es liegt an uns, ob es der SPD bis dahin gelingen wird, vergessen
zu machen, dass es die SPD war, die durch Schaffung der Hartz-IV-Gesetze den
größten Niedriglohnsektor in Europa geschaffen hat und dass Nahles und Schulz
immer feste mit dabei waren, wenn es darum ging, den Sozialstaat zu
demontieren.
Von
Manfred Dietenberger
aus „UZ – unsere zeit – Zeitung der DKP“ vom 7. April 2017
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