Montag, 13. April 2015

Stärker als die Wölfe

In diesen Tagen erinnern wir an die Selbstbefreiung des KZ Buchenwald vor 70 Jahren. 

„Der feste solidarische Zusammenhalt, das Bestehen einer internationalen Organisation und das Wissen, nicht wehrlos zu sein, geben den Buchenwalder Antifaschisten in den ersten Apriltagen 1945 den Mut, die Ausführung von Befehlen der SS offen zu verweigern. Am 11. April nutzten die bewaffneten Kampfgruppen der Häftlinge den Angriff amerikanischer Panzerspitzen für die Befreiungsaktion.“ So wurde in der Dauerausstellung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald in der DDR das Kapitel der Selbstbefreiung Buchenwalds eingeleitet. Zu denen, die aktiven Widerstand leisteten, gehörten politische Häftlinge u. a. aus Frankreich, den Niederlanden, der Sowjetunion, Belgien, Ungarn, Österreich, Jugoslawien und natürlich Deutschland.

Nach der Übernahme der DDR und dem Anspruch der regierenden Politiker der Bundesrepublik, das gesamte sozialistische Erbe zu delegitimieren, bekamen jene Kräfte wieder die Oberhand, die in der Tradition des „Kalten Krieges“ militanten Antikommunismus verbreiten und durch die Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus alle progressiven und antifaschistischen Bestrebungen „endgültig erledigen“ wollten und noch wollen.

Bald nach 1990 „korrigierte“ deshalb die neue Gedenkstättenleitung auf Vorgabe der Politik die bisherige DDR-Darstellung. Diese – und vor allem die Rolle der Kommunisten und Sozialisten im Widerstand – war nicht mehr erwünscht. Nicht des Sieges über den Faschismus sollte gedacht werden, nicht der Kraft der Solidarität unter unmenschlichsten Bedingungen, nicht des unbeugsamen Widerstandes von Kommunisten, Sozialdemokraten und vieler anderer Häftlinge. Geschichte sollte entsorgt werden – und vor allem die Erinnerung an den Kampf der Kommunisten.

Statt dessen ging man daran, die nach 1945 Internierten „angemessen“ zu würdigen, die zivilen Funktionsträger der Nazis, die hohen Wehrmachtsangehörigen, die Mitglieder der SS, des SD und der Gestapo. Internierungslager für Faschisten waren keine „Erfindung“ der Sowjetunion, sondern waren auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 beschlossen worden und wurden in allen Besatzungszonen errichtet.

Die Auseinandersetzung um die Geschichte und um die Geschichte der Häftlinge des faschistischen Konzentrationslagers Buchenwald geht bis heute. Dreist behauptet die Gedenkstättenleitung nach wie vor: „Die 1958 eingeweihte Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald war als Nationaldenkmal der DDR geplant worden, der Widerstandskampf der kommunistischen Häftlinge wurde überbetont.“

Überbetont? Ganz offensichtlich soll verdrängt werden dass sich in Buchenwald Kommunisten und Sozialisten international organisierten, sich Häftlinge unter den Augen der SS bewaffneten und schließlich Lagertor und Wachtürme stürmten. Und dass die überwältigten SS-Schergen nicht gelyncht, sondern den später eintreffenden US-Truppen übergeben worden sind.

Überbetont? Es geht ganz offensichtlich darum, jede Erinnerung daran auszulöschen, dass die Kommunistinnen und Kommunisten in Deutschland als erste organisiert den Widerstand gegen das Hitlerregime begannen – und diesen selbst unter den schwierigsten Bedingungen und trotz Terror  fortsetzten. Dass sie gemeinsam mit anderen Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen den Faschismus kämpften, dass sie selbst in den schwersten Stunden Solidarität mit allen Verfolgten dieses barbarischen Systems übten.

Behauptet wird im Zusammenhang mit der Gedenkstätte in Buchenwald auch: „Dabei wurde“, zu Zeiten der DDR, „weitgehend ausgeblendet, dass die SS im KZ Buchenwald noch zahlreiche andere Häftlingsgruppen festgehalten hatte: rassistisch Verfolgte (Juden sowie Sinti und Roma), ‚Gemeinschaftsfremde’ (sogenannte Arbeitsscheue, Asoziale, Gewohnheitsverbrecher und Homosexuelle), Zeugen Jehovas sowie Frauen, die in Außenlagern des KZ Buchenwald Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten mussten.“

Aber nichts und niemand. wurde ausgeblendet, wurde vergessen, nicht die vielfältigen Gruppen der Opfer – und auch nicht die Täter.

Die Täter konnten in der westdeutschen Republik nach der Befreiung 1945 nach einer nur kurzen Schamfrist in ihre Schaltzentralen zurückkehren. Justiz und Polizei, Wirtschaft und später die Bundeswehr waren von den „alten Kameraden“ durchsetzt. Geheimdienste nach innen und außen nutzen die Erfahrungen der Nazi-Verbrecher. Verurteilte Kriegsverbrecher saßen in den Aufsichtsräten vieler Industriebetriebe, ehemalige Gestaposchergen spähten wieder KPD-Mitglieder aus – und auch die Zehntausenden anderen, die sich gegen die Remilitarisierung der westdeutschen Gesellschaft zur Wehr setzten.

Konsequent reduziert die westdeutsche Geschichtsschreibung den antifaschistischen Widerstand auf den 20. Juli 1944 – und verschweigt weitgehend den Arbeiterwiderstand und vor allem den der Kommunisten.

Der Fälschung der Geschichte müssen wir entgegentreten. Die Erfahrungen der Geschichte zeigen: Gegen Rechts, gegen Faschisten braucht es eine breite Bewegung, einen breiten Widerstand und die Solidarität mit jenen, die das Ziel von Terror und Angriffen der heutigen Nazis sind. Aktuelle Ereignisse wie in Tröglitz, Dortmund usw. zeigen, wie notwendig das gemeinsame Handeln ist.

Werner Sarbok

Keine Kommentare: