Freitag, 27. März 2015

Befreiung! Was sonst?

Aufruf der DKP zum 70. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus

(Beschlossen auf der 12. Parteivorstandstagung, 14./15.3.2015)

Am 8. Mai 2015 jährt sich zum 70. Mal der Tag der Befreiung Deutschlands und Europas vom deutschen Faschismus. Es brauchte 40 Jahre bis 1985 der Präsident der Bundesrepublik das verpönte Wort „Befreiung“ über die Lippen bekam. 

Richard von Weizsäcker, der selbst Offizier der faschistischen deutschen Aggressionsarmee war, erklärte damals: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. (…) Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen. (…) wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.“ Das war fast eine Sensation.

40 Jahre brauchte der ranghöchste Repräsentant dieses Staates auch bis der Anteil der Arbeiterbewegung und – der Kommunistinnen und Kommunisten – an dieser Befreiung erwähnt wurde: „Wir denken an die Opfer des Widerstandes in allen von uns besetzten Staaten. Als Deutsche ehren wir das Andenken der Opfer des deutschen Widerstandes, des bürgerlichen, des militärischen und glaubensbegründeten, des Widerstandes in der Arbeiterschaft und bei Gewerkschaften, des Widerstandes der Kommunisten.“

Es war kein Zufall, dass die historische Bedeutung des 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg in Westdeutschland lange verschwiegen wurde. Denn in seinen ökonomischen und politischen Grundstrukturen, sowie in seinen politischen, intellektuellen und später auch militärischen Eliten wurzelte die westdeutsche BRD fest im faschistischen Vorgängerstaat.

Dieses Verschweigen fand auch in einem Großteil der unmittelbaren Nachkriegsgeneration einen Widerhall, da das deutsche Volk, verblendet durch die faschistische Ideologie und verängstigt durch die brutale Unterdrückung und Willkür der faschistischen Terrorherrschaft, nicht die Kraft aufgebracht hatte, sich selber der faschistischen Unterdrücker zu entledigen, so wie es viele andere europäische Völker geschafft haben. Dies bedurfte des heldenhaften Kampfes der Sowjetarmee im Bündnis mit den anderen Armeen der Antihitlerkoalition. Vor den Hintergrund der antikommunistischen Staatsdoktrin fiel es vielen Deutschen schwer, ausgerechnet die von der KPdSU geführte Sowjetmacht als Befreier zu akzeptieren.

Der Kapitalismus, die Wurzel des Faschismus

„Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.“ Dies waren die einleitenden Sätze des Ahlener Programms der CDU von 1947.

Welcher Politiker aus CDU/CSU, SPD, FDP oder Grünen, würde solche Sätze heute noch über die Lippen bringen? Heute wird alles getan um vergessen zu machen, dass die Errichtung der faschistischen Diktatur mit den Eigentums- und Besitzverhältnissen des Kapitalismus zu tun hat. Diese sind bis heute die Basis für das Streben des deutschen Monopolkapitalismus/Imperialismus nach Eroberung von Rohstoffquellen, von Absatzmärkten, von Kolonien und Anteilen am kapitalistischen Weltmarkt.

Die Kommunisten schätzten auf dem VII. Kongress ihrer III. Internationale 1935 ein, dass der Faschismus an der Macht die terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, der brutalsten und chauvinistischsten Kräfte des Groß- und Finanzkapitals ist. Die Reichtümer und Bodenschätze der Ostukraine und vor allem Russlands locken den deutschen Imperialismus, seine Industrie-, Handelsmonopole und Banken heute genauso wie vor 80 Jahren. So erklärt sich auch die Unterstützung Deutschlands für die heutige Regierung der Ukraine – an die Macht geputscht mit Hilfe von Faschisten.

In dieser Verbindung zu dem reaktionärsten Sektor des Groß- und Finanzkapitals liegen die Wurzeln von Militarismus und Krieg, den Zwillingsbrüdern des Faschismus.

Der antifaschistische Neuanfang im Osten Deutschlands

In Deutschland wird heute das Verschweigen und Verdunkeln der Ursachen des Faschismus mit einem besonders perfiden Propagandatrick unterfüttert. Die Parolen von der „Ablösung einer Diktatur durch eine andere“, vom „Unrechtsstaat DDR“ sollen die die historische Besonderheit und Schuld des Faschismus verschleiern.

In der DDR waren es gerade die aus Konzentrationslagern und Gefängnissen befreiten und aus dem Exil zurückgekehrten Antifaschisten, Sozialdemokraten, Kommunisten und christlichen Widerstandskämpfer, die gemeinsam mit der sozialistischen Sowjetunion, die den Hauptanteil an der Befreiung geleistet hat, einen neuen demokratischen und antifaschistischen Staat aufbauten. Nur in der DDR wurde gemäß der Beschlüsse der Konferenz der Siegermächte von Potsdam Ernst gemacht mit der Verurteilung von Nazi- und Kriegsverbrechern. Hier wurden die Kriegs- und Rüstungsgewinnler bestraft und enteignet. Hier wurde im Zuge einer demokratischen Kulturrevolution das Schul- und Bildungswesen von Faschisten gesäubert. Hier besetzten nicht wieder alte Nazis die Führungspositionen in den Verwaltungen und in der Polizei.

Und erst nachdem im kapitalistischen Westen mit Unterstützung der kapitalistischen Besatzungsmächte eine von Hitlers Generälen geführte Bundeswehr geschaffen wurde, wurde „im Osten“ eine Nationale Volksarmee als Verteidigungsarmee aufgebaut, an deren Spitze Antifaschisten und Kämpfer aus dem spanischen Befreiungskampf gegen den Franco-Faschismus standen.

Verantwortung übernehmen für neue Kriege?

Die faschistischen Aggressoren standen für die Ideologie und die Macht der Feinde aller demokratischen Freiheiten, für Rassismus, Pogrome und imperialistische Aggression. Die Überfallenen verkörperten die sozialistische Oktoberrevolution von 1917, den Sturz der kapitalistischen Ausbeutung und die Absage an imperialistische Kriege.

Aus diesem Grundwiderspruch zwischen der faschistischen Variante des Monopolkapitalismus und der politischen Macht der Werktätigen resultierte auch die besondere Unmenschlichkeit der Kriegsziele der deutschen Aggressoren. Darauf verwies der sowjetische Oberkommandierende und Vorsitzende des Staatlichen Verteidigungskomitees, J. W. Stalin, im belagerten Moskau am 24. Jahrestag der Oktoberrevolution in seiner Rede auf dem „Roten Platz“. Er zitierte vor den sowjetischen Armeeeinheiten aus einem Appell des deutschen Oberkommandos an die deutschen Soldaten. Darin hieß es: „Habe kein Herz und keine Nerven, man braucht sie im Kriege nicht. Vernichte in dir Erbarmen und Mitleid – töte jeden Sowjetrussen, mach nicht halt, auch wenn du eine Greis oder eine Frau, ein kleines Mädchen oder einen Jungen vor dir hast – töte, denn dadurch rettest du dich vorm Untergang, sicherst die Zukunft deiner Familie und erwirbst dir ewigen Ruhm.“

Und heute?

Das diesjährige Gedenken an die Befreiung von Faschismus und Krieg fällt in eine Etappe, in der aus Sicht der 1945 geschlagenen politischen und ökonomischen Eliten der deutsche Imperialismus wieder die globale Karte spielen und weltweit „Verantwortung“ übernehmen soll. Dazu riefen bereits vor einem Jahr die politischen Spitzen der BRD, Bundespräsident Joachim Gauck, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister Walter Steinmeier auf. Und dazu gehört auch die Neuauflage des alten „Drangs nach dem Osten“. Deutsche Soldaten werden wieder darauf trainiert, wie einst unter „dem Führer“, blitzschnell „zurückzuschießen“ und militärische Schläge gegen Russland mit „schnellen Einsatzgruppen“ der NATO auszuführen.

Die Rolle und Aufgabe der deutschen Kommunisten gestern und heute

Der Widerstand der Kommunisten war nach der Errichtung der faschistischen Diktatur nie zum Erliegen gekommen. Ein britischer Historiker schrieb: „Der Preis an Menschenleben war ungeheuer hoch. Von den 300.000 Mitgliedern, die die Partei 1932 hatte, waren schätzungsweise 150.000 verhaftet und verfolgt worden; an die 25.000 bis 30.000 waren ermordet oder hingerichtet worden oder infolge von Misshandlungen in Konzentrationslagern gestorben. Die Verluste überstiegen bei weitem die jeder anderen Widerstandsgruppe oder Partei in Deutschland.“

Es waren nach Kriegsende Kommunistinnen und Kommunisten, die sich an vielen Orten zusammen mit anderen Antifaschisten an die Spitze des Wiederaufbaus stellten. Nicht nur in der sowjetischen, sondern auch in der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone wurden Kommunistinnen und Kommunisten an verantwortliche Positionen in den Kommunen und auf Minister- und Staatssekretärsposten in den ersten Landesregierungen eingesetzt.

Mit den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz der vier Siegermächte im Sommer 1945 gab es die Chance für ein entmilitarisiertes, demokratischeres und antifaschistisches Deutschland. Doch diese Entwicklungschance wurde mit Beginn des vom amerikanischen und britischen Imperialismus entfachten Kalten Krieges, der Spaltung Deutschlands und mit der Errichtung eines westdeutschen Separatstaates und dessen Remilitarisierung bewusst blockiert und vertan.

Aber 40 Jahre antifaschistischer und sozialistischer Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik und 70 Jahre Kampf der Kommunisten und Antifaschisten in beiden deutschen Staaten und in dem seit 1989 „wiedervereinigten“ Deutschland haben dennoch ihre Spuren im Bewusstsein vieler Menschen hinterlassen.

Dass sich in diesen Wochen und Monaten in relativ kurzer Zeit in vielen Städten unseres Landes breite Protestbewegungen gegen die Aufmärsche von Rassisten und Neofaschisten entwickelt haben, belegt eine starke Verwurzelung antifaschistischer Gesinnung in weiten Bevölkerungskreisen. Auch dass die Anti-Russland-Kampagne nicht die gewünschte Breitenwirkung erzielt hat, ist ein Beleg dafür, dass das antifaschistische Vermächtnis lebendig ist.

Für diesen Antifaschismus und Antimilitarismus steht auch die DKP. Wir betrachten die Losung „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ als unseren Auftrag.

Der Schwur von Buchenwald und die damit verbundenen Verpflichtungen sind heute so aktuell wie 1945. Die Lehre ist, die gesellschaftlichen Ursachen für Krieg und Faschismus zu besei­tigen. Die DKP ist – wie auch andere Antifaschistinnen und Antifaschisten – dem Schwur von Buchenwald im Kampf um eine neue Welt des Friedens, der Solidarität, der sozialen Gerech­tigkeit verpflichtet.

In diesem Schwur heißt es unter anderem: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.”

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