Dienstag, 18. Februar 2014

Positionen zur EU-Wahl: Wie links ist die "Partei die Linke" (PDL)?

Bei unseren Unterschriftensammlungen für die eigenständige Kandidatur der DKP zu den Europawahlen wurden wir häufig mit der Frage konfrontiert, warum wir nicht die Kandidatur der Partei "Die Linke" (PdL) unterstützen würden.

Unsere Antworten waren vielfältig, liefen aber immer auf dieselbe zentrale Aussage hinaus, dass die PdL im Ganzen inzwischen kein klares antikapitalistisches Profil mehr vertreten würde, sondern sich vielmehr dem Mainstream immer weiter anpassen würde um in diesem System anzukommen.

Als hätte es für diese unsere Position noch eines Beweises bedurft, so wurden unsere Einschätzungen auf dem gerade in Hamburg zuende gegangenen PdL-Wahlparteitag zur EU-Wahl auf die deutlichste Weise belegt.

Wir dokumentieren daher an dieser Stelle zwei Einschätzungen dieses Parteitages.



Die Linkspartei-Politik im EU-Parlament wird die Parteirechte machen


Eine Meinung zum Hamburger Parteitag der Linkspartei

Der Hamburger Parteitag der Linkspartei stand im Zeichen der kommenden Wahlen zum Europaparlament. Ein Wahlprogramm wurde mit grosser Mehrheit verabschiedet. Es wird demnächst online stehen. Die Kandidaten wurden zum Teil in Kampfabstimmungen aufgestellt, bei denen die aussichtsreichen vorderen Listenplätze fast ausschliesslich mit “Reformern” besetzt wurden. Die Politik der Linkspartei im Europäischen Parlament wird die Parteirechte machen.

Der Metatext der Parteitagsmehrheit war: Wir wollen “regierungsfähig” werden. Das “Projekt” heisst Rot-Rot-Grün. Die SPD hat vorgegeben, dass die Linkspartei unter anderem die imperialistische deutsche Aussenpolitik mitzutragen habe, wenn sie Ministerposten haben will. Mit dem Hamburger Parteitag hat die Linkspartei einen grossen Schritt getan, diese Auflage zu erfüllen.

Gysi gibt die Stichworte vor. “Wir wollen Europa gestalten, und zwar gemeinsam”. Auch die Linkspartei muss “den Euro retten”.  Für Vorschläge zu eine “kleinen EU-Armee zum Schutze der EU” sei er zu haben. Gysi schlägt deutlich anti-USamerikanische Töne an (Ich möchte, dass die Hasenfüßigkeit gegenüber den USA endlich aufhört …”) und setzt den USA “Europa” entgegen – im Klartext: Die EU als imperialer Block in der weltweiten Staatenkonkurrenz. Das bleibt von der “alternativen EU” in der Praxis.

Die Linkspartei habe als “stärkste Oppositionskraft … eine grössere Verantwortung”. Deshalb dürfe sie nicht nur “das linke Wählerinnen- und Wählerpotential ansprechen”, sondern auch die “Wählerinnen und Wähler von CDU/CSU und SPD”. Die “Wählerinnen und Wähler ansprechen” meint unverkennbar, die Linkspartei mainstreamig machen, das “Ankommen” im bürgerlichen Politikbetrieb vollenden, die Linkspartei zu einer Partei unter anderen zu machen, die einige “Alleinstellungsmerkmale” pflegt, um sich eine Wählerklientel zu sichern, sich aber in den grossen Konsens der politischen Elite der BRD einfügt.

Bernd Riexinger beschwört in seiner Rede die sozialen Anliegen der Linkspartei. Die Spitzenkandidatin Gabi Zimmer und die Kovorsitzende Katja Kipping tun desgleichen. Die Worte klingen an vielen Stellen gut. Aber die schönsten Reden und Programme sind Makulatur, wenn das praktische Ziel ist, 2017 mit der SPD und Grünen an die Regierung zu kommen. Mit der SPD für Solidarität und soziale Gerechtigkeit ? Mit der Partei, die Hartz IV und die Deregulierung des Arbeitsmarkts, Hungerlöhne und Hire and Fire in Gang gebracht hat ? Mit der SPD und den Grünen für Frieden, – mit Parteien, die sich im Jugoslawienkrieg, bei der Besetzung Afghanistan und diversen Interventionen in aller Welt hervorgetan haben, die unter dem verlogenen Vorwand von “Hilfe” und “Durchetzung der Menschenrechte” die alte deutsche Interventions- und Kriegspolitik wieder aufnehmen ? Mit den grünen Bürgerkriegshetzern, die sich unverfroren in der Ukraine einmischen, für Frieden und ein “solidarisches Europa” ?

Rot-Rot-Grün bedeutet, dass die Linkspartei ihre antimilitaristischen Positionen aufgeben und sich in die deutsche Expansionspolitik einreihen muss. Damit wäre die letzte Bastion geschleift, die die Linkspartei grundlegend von den übrigen Parlamentsparteien unterscheidet. Und genau darum geht es. Wer Gysis Rede aufmerksam liest, wird finden, dass das vorbereitet wird.

Der Parteitag hat einige wohlklingende Resolutionen verabschiedet, darunter eine tadellose zur Solidarität mit Kuba und Lateinamerika. Aber es werden die Parteirechten um Gabi Zimmer sein, die sie im Europaparlament vertreten.

Gabi Zimmers “Solidarität” mit Kuba erhellt aus ihrem Verhalten zu antikubanischen Initiativen. Die junge welt notiert dazu im Juli 2013: “Die Ehrung eines erklärten kubanischen Konterrevolutionärs durch Frau Zimmer ist konsequent. Die frühere PDS-Vorsitzende setzte sich 2003 unter dem Titel »Castro, Mauer auf!« in der taz für die Einreise von Claudia Roth (Grüne) nach Kuba ein. Mit Rückblick auf die DDR vermutete die Sozialistin in der kubanischen Führung »Altersstarrsinn« und »Verweigerungshaltung« und nannte en passant Hugo Chávez »Polithasardeur«. Folgerichtig gehörte sie im Februar 2006 zu den drei PDS-Europaabgeordneten, die einer antikubanischen Resolution zustimmten.”

Mit den künftigen Linksparteivertretern imEU-Parlament “voran zu einem demokratischen, einem sozialen, einem ökologischen Europa – einem Europa des Friedens und der sozialen Rechte. ” ? (Katja Kipping) – Die Botschaft hör´ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

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Quelle: junge Welt

Selbstzensur


Nach Hamburger Linke-Europaparteitag

Von Andreas Wehr
(Quelle: junge Welt vom 17.02.2014)

Die bürgerlichen Medien zeigten sich am Ende doch noch gnädig: Die Linke ist nicht »europafeindlich«. So bewerteten sie das in Hamburg beschlossene Europawahlprogramm der Partei. Noch davor hatten sie ihr die Schelle der »Europafeindlichkeit» umgebunden. 

Grund war jener Satz im Entwurf des Programms, der zwar Selbstverständliches wiedergab, SPD, Grüne und Medien aber wohl gerade deshalb maßlos empörte. Er lautete: »Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Macht, die nach 2008 eine der größten Krisen der letzten 100 Jahre mit verursachte.« 

Das wollte man nicht hören, und das hört man nun auch nicht mehr von der Linkspartei.

Nachdem auch Fraktionschef Gysi in den Chor der Kritiker eingestimmt hatte, entfernte der Parteivorstand diesen Satz aus dem zuvor von ihm selbst geschriebenen Programm. So etwas nennt man Selbstzensur! 

Um die Sache noch schlimmer zu machen, strich man kurz vor dem Parteitag sogar die gesamte Präambel, enthielt sie doch noch immer zu viele kritische Aussagen, und ersetzte sie durch eine Fassung aus der Feder des Forums demokratischer Sozialismus, in der der neoliberale, undemokratische und militaristische Charakter der EU regelrecht verniedlicht wird. »Die EU hat ihr Ziel, Frieden – auch sozialen – zu schaffen und zu erhalten, aus den Augen verloren«, heißt es nun. Harmloser, aber auch alberner kann man es kaum noch formulieren.

Die Rücknahme der eigenen Programmatik verfolgt den Zweck, Die Linke paßförmig für eine künftige Zusammenarbeit mit SPD und Grünen auch auf Bundesebene zu machen. Ob es je dazu kommt, ist ungewiß. Gewiß ist aber jetzt schon, daß diese Anpassung an den europapolitischen deutschen Mainstream eine in Teilen desorientierte und entmutigte Partei hinterläßt. Es wird nicht einfach sein, mit diesem Programm einen offensiven und innerparteilich geschlossenen Europawahlkampf zu führen.

Zusätzlich erschwert wird der Wahlkampf durch die Personal­entscheidungen des Parteitags. Der linke Flügel konnte mit Sabine Lösing und Fabio de Masi nur zwei seiner Kandidaten auf den ersten neun aussichtsreichen Plätzen durchbringen. Der Vertreter der Friedensbewegung, Tobias Pflüger, und die Repräsentantin des Gewerkschaftsflügels und gegenwärtige Europaabgeordnete Sabine Wils fielen in mehreren Wahlgängen durch. Vor fünf Jahren, auf dem Europaparteitag in Essen, war das Verhältnis zwischen den Flügeln noch ausgewogen. Diesmal nutzten aber die Ostlandesverbände ihre Delegiertenübermacht zum Durchmarsch. Am Rande des Parteitags war daher häufig zu hören, daß man sich wieder in der Zeit vor der Fusion von PDS und WASG 2007 befände und auf den Stand einer Ostpartei zurückgeworfen sei.


Quelle: http://www.jungewelt.de/2014/02-17/052.php

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