Dienstag, 3. Juli 2012

3.500 demonstrieren in Kiel gegen Frontalangriff auf Streikrecht

Für das Grundrecht auf Streik, für Solidarität mit den 1000 Entlassenen der zum Helios/Fresenius-Konzern gehörenden Beschäftigten der Damp-Gruppe und gegen die Tarifpolitik nach Gutsherrenart gingen am Samstag 3500 Mitarbeiter aus norddeutschen Kliniken in Kiel auf die Straße. Wut, Empörung - aber vor allem Kampfbereitschaft prägten das Bild der Demonstration und Kundgebung, zu der die Gewerkschaften Ver.di und NGG (Nahrung Genuss Gastronomie) aufgerufen hatten. Im Mittelpunkt der Forderungen stand die Rücknahme der Massenkündigung  der Damper Mitarbeiter der Zentralen Service-Gesellschaft (ZSG) durch den Helios-Konzern und das "Angebot" des Abschlusses eines Überleitungstarifvertrages zu  miserabeleren Bedingungen (z.B. Lohneinbußen von 20 Prozent).


Für jeden fünften der bisherigen ZSG-Mitarbeiter wird es auch bei dem neuen Helios-Dienstleister keinen Arbeitsplatz geben, da die Bereiche "neu organisiert werden würden"(so Helios in einem Brief an die Mitarbeiter). Zur Damp-Gruppe gehören elf Krankenhäuser und Reha-Kliniken in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg mit 5.600 Mitarbeitern. Helios verweigert sich seit Monaten in den Tarifverhandlungen für die Damp-Gruppe einer konstruktiven Verhandlung. Die Arbeitgeber wollen insbesondere den Beschäftigten der Rehakliniken und der Servicegesellschaft die üblichen tariflichen Standards bei Entgelt und Jahressonderzahlung sowie bei der Eingruppierung der Fachpflege vorenthalten. Bei einer Urabstimmung sprachen sich daraufhin 86 Prozent der ver.di-Mitglieder für einen Streik aus. Daraufhin hatte die Damp-Gruppe die Verträge mit der ZSG gekündigt, die dann wiederum ihren rund 1000 Beschäftigten kündigte. Mit diesem offensichtlich rechtswidrigen Schritt versucht Helios, den Streik der Beschäftigten zu unterlaufen.

Den 1000 Mitarbeiten während der Tarifauseinandersetzung zu kündigen sei unglaublich, rief Ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske den Demonstranten in Kiel zu. "Das ist ein beispielloser Vorgang, den es in der Bundesrepublik Deutschland seit 1947 nicht gegeben hat." Das sei ein Frontalangriff auf das Streikrecht, der alle Gewerkschaften und Arbeitnehmer betreffe. "Hier soll ein Exempel statuiert werden, um den 38.000 Mitarbeitern des Helios Konzerns zu zeigen, was passieren kann, wenn man sich für seine Belange einsetzt", sagte Bsirske. "Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl." Die Kündigungen und die Begleitschreiben des Konzerns an die Mitarbeiter dienten offenkundig der Einschüchterung und der Erpressung. Ziel der Rotstiftpolitik von Helios sei allein die Steigerung der Rendite – auf dem Rücken der Mitarbeiter, aber auch zu Lasten der Patienten und der Versorgungsqualität.

Unterstützung sicherte den Mitarbeitern auch Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der NGG, zu. Die Gewerkschaften ließen sich durch die Arbeitgeber nicht spalten, man habe den Tarifstreit gemeinsam begonnen und werde gemeinsam für das Streikrecht und die Rücknahme der Kündigungen kämpfen. Es könne nicht zugelassen werden, dass sich Helios den Kauf der Damp-Gruppe durch das Lohndumping bei den Mitarbeitern finanzieren lasse.

Ziel der Gewerkschaften sei ein Überleitungstarifvertrag für die Mitarbeiter der ZSG, in dem Mitarbeiterrechte gewahrt werden und Löhne gesichert würden, die nicht dazu führten, dass die Mitarbeiter so wenig verdienten, dass sie um Aufstockerleistungen des Bundes bitten müssten, machte Möllenberg deutlich.

Ellen Paschke, Mitglied des Verdi-Bundesvorstandes, forderte auf der Kundgebung: "Krankenhäuser bilden die Grundlagen der Daseinsfürsorge und gehören deshalb in die öffentliche Hand- sie dürfen keine Spekulationsobjekte für Konzerninteressen sein". Die Streiks bei Helios in der aktuellen Tarifrunde werden fortgesetzt und ausgeweitet, kündigte sie an - trotz Streikbrechern, die vom Helios-Konzern 300 Euro Tagesprämie, freie Kost und Logis und freies Kilometergeld erhielten. Die Gewerkschaft werde deshalb ihre Aktivitäten ausweiten: ver.di wird die Patienten in den Helios-Krankenhäusern informieren und Solidaritätsunterschriften sammeln, es finden Mahnwachen vor allen Helios-Kliniken statt und es werde geprüft, ob an allen Helios-Standorten zu Warnstreiks aufgerufen werden soll.

Politik mache Fehler, räumte Ralf Stegner, SPD-Landesvorsitzender, ein. Aber sie mache sie nicht zwei Mal, versicherte er mit Blick auf zurückliegende Privatisierungen im Gesundheitswesen. Er versprach, im Schleswig-Holsteinischen Landtag ein Tariftreuegesetz auf den Weg zu bringen. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nicht vernünftig bezahlten, dürften auch nicht in den Genuss öffentlicher Gelder kommen, so wie der Helios Konzern, der für den Schleswiger Klinikbau 50 Millionen eingestrichen habe, so Stegner. Und er schloss mit den Worten: "Wir wollen keine marktkonforme Demokratie sondern demokratische Märkte" und "Wir werden die Gesundheitskonzern in die Knie zwingen." Die UZ-Leser unter den Kundgebungsteilnehmern rieben sich verwundert die Augen – hatte Stegner vor seinem Aufritt noch kurz in die aktuelle Ausgabe der Zeitung der DKP geguckt oder hatte ihm gar die Parteivorsitzende diese Worte während der Demo ins Ohr geflüstert? Wir wissen es nicht. Es bleibt abzuwarten ob diesen kraftvollen Worten Taten folgen werden. Die Unterstützung der aktiven GewerkschafterInnen sind ihm gewiss.

In dem auf der Demonstration verteilten Solidaritätsschreiben des DKP-Parteivostandes an die Beschäftigten der ZSG Damp heißt es u.a.: "Das deutsche Arbeitskampfrecht verwehrt uns allen ein demokratisches Streikrecht, wie es unsere Kollegen in Westeuropa kennen. Dennoch geht es dem Kapital, vielen Politikern und Juristen noch zu weit.(...) Eure willkürliche Entlassung empfinden nicht nur wir als einen brutalen Erpressungsversuch. Der Privatisierung mit Ausgliederungen, Lohn- und Sozialdumping sowie Unternehmerwillkür sind Riegel vorzuschieben. Die Gesundheit Eurer Patienten und Eure berufliche Existenz dürfen nicht weiter Spielball privater Profitinteressen sein. Einrichtungen des Gesundheitswesens gehören in gesellschaftliche Hand unter demokratischer Kontrolle und Mitbestimmung durch Euch und Eure Gewerkschaft!"

Die Verbreiterung der Solidartät mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen und die Verteidigung des Streikrechts gegen die Angriffe des internationalen Kapitals und der Politik müssen Aufgabe aller Gewerkschafter, aller Demokraten sein - das war die Botschaft der Kieler Demonstration.

text/fotos: gst
Quelle: www.kommunisten.de

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