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Steuersenkung fehlt im
Koalitionsvertrag – Lässt sich aber später durchsetzen
Die
Unternehmerverbände geben sich in ihrer Mehrheit unzufrieden mit dem mühsam
gebastelten Koalitionsprogramm, das in der vorigen Woche der staunenden
Öffentlichkeit vorgestellt worden war.
„Dieser
Vertrag ist noch scheußlicher als erwartet“, sagt beispielsweise
Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander, der Sozialstaat werde
„explosionsartig ausgeweitet“. Auch der Präsident des BDA (Dachverband der
„Arbeitgeber“-Verbände), Ingo Kramer, befindet, die künftige
Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Firmen werde zu wenig beachtet. Dass eine
Unternehmenssteuerreform nach dem Vorbild des US-Präsidenten Donald Trump
fehlt, beklagen auch die Industrieverbände und die Handelskammern.
Es
gibt auch Ausnahmen: Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft
beispielsweise zeigt sich glücklich darüber, dass es der privaten, vom Staat
subventionierten Altersvorsorge nicht an den Kragen gehen wird. Bitcom, der
Verband der Informations- und Telefonunternehmen, freut sich, dass die künftige
Regierung sich auf eine großzügige Förderung der Digitalbranche festgelegt hat.
Für
die Banken in Privatbesitz sagt deren Verbandspräsident Hans-Walter Peters:
„Trotz einiger Schwächen, etwa in der Steuerpolitik, ist dieser
Koalitionsvertrag eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Regierungsarbeit“.
Positiv sei, dass sich die neue Merkel-Regierung stärker um die Attraktivität
des Finanzplatzes Deutschland kümmern und die Regulierung der Banken
zurücknehmen wolle.
Eindeutig
aber ist: Bei den Kapitalisten und ihren Verbänden überwiegt die Kritik. Liegt
es vielleicht daran, dass in in ihren Augen CDU-Merkel und CSU-Seehofer den
SPD-Unterhändlern zu viele Zugeständnisse gemacht haben?
Für
diese Theorie gibt es keine Belege. Weder beschweren sich die Unternehmer
darüber, noch finden sich im 177-seitigen Koalitionsvertrag Spuren solcher
Zugeständnisse. Von den Forderungen, welche die SPD-Führung ihrer Basis
gegenüber versprochen hatte, sie sollten durchverhandelt werden, bis „es
quietscht“, wird die Bürgerversicherung im Vertrag nicht einmal erwähnt.
Der
Kampf gegen die Altersarmut soll mit homöopathischen Mitteln nach
Hartz-IV-Modell geführt werden. Der Nachzug von Familienangehörigen wurde vom
Bundestag auf Antrag der Verhandlungsparteien bereits ausgesetzt und der
Willkür der Verwaltung überlassen. Und zur Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 2
Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukts) heißt es im durchverhandelten
Koalitionsvertrag wörtlich, Deutschland „wird dem Zielkorridor der
Vereinbarungen in der NATO folgen“. Bei den Verhandlungen über die
unabdingbaren SPD-Forderungen kann es nicht gequietscht haben.
Dass
es zwischen SPD und den beiden Christenparteien in der Sache große
Übereinstimmung gibt, erstaunt weder die Leser dieser Zeitung noch die
Geschäftsführer der Unternehmerverbände, noch auch die, die nur den Wahlkampf
der SPD und ihres Spitzenkandidaten Martin Schulz verfolgt haben. Schulz hielt
erklärtermaßen die Politik Angela Merkels und die der bisherigen Großen
Koalition für richtig.
Gequietscht
hat es in den Verhandlungen deshalb nicht beim Inhalt, sondern bei der
Verteilung der Ressorts. Auf diesem Feld haben Merkel und die CDU erstaunliche
Zugeständnisse an die SPD gemacht: Vier klassische Ministerien (Außen,
Finanzen, Arbeit & Soziales, Justiz), dazu die für Familie und Umwelt kann
dem Koalitionsvertrag zufolge die SPD-Führung nach ihrem Gusto besetzen.
Ist
das der Grund, warum die Unternehmer so unfreundlich auf den Koalitionsvertrag
reagieren?
Noch
ist die neue Regierung nicht im Amt. Erfahrungsgemäß stellen sich die wirklich
wichtigen Fragen und Entscheidungen erst im Laufe der Regierungszeit. Da kommt
es schon darauf an, wer an den wichtigen Stellen in der Regierung sitzt. Die
Entlastung der Bürger und Firmen von Steuern und Abgaben, die von BDI, BDA,
Bankenverband BdB und hinter ihnen stehenden Unternehmenslenkern und
Kapitalisten so ersehnt werden, lässt sich auch später noch erreichen.
Auch
die Agenda 2010 stand 2002 nicht im Koalitionsprogramm von SPD und Grünen. Der
BDI und die anderen Verbände geben sich zwar jetzt mit dem Koalitionsvertrag
unzufrieden. Dennoch wünscht BDI-Präsident Kempf, dass diese dritte Große
Koalition aus CDU, CSU und SPD zustande kommt. „Ich hoffe natürlich, dass die
SPD-Basis zustimmt“, sagt er und beweist damit sein tiefes Verständnis von
Politik
Von
Lucas Zeise
Aus „unsere zeit (UZ) – Zeitung der DKP“ vom 16.Februar 2018
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