Sonntag, 28. August 2016

Berichte von der Front

Buchstäblich bis zum letzten Moment hatten die Übertragungen von den Olympischen Sommerspielen in Rio im staatlichen deutschen Fernsehen wenig gemein mit dem Olympischen Gedanken. Frieden und Völkerverständigung, der Wille zum besseren gegenseitigen Kennenlernen – Idealvorstellungen, die der Gründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, der französische Baron de Coubertin, mit dem friedlichen Kräftemessen zwischen Sportlern aus aller Welt verband – all das spielte bei den stundenlangen Sendungen so gut wie keine Rolle. Zuweilen konnte man den Eindruck bekommen, die beiden großen deutschen TV-Sender hätten nicht Sportreporter, sondern Kriegsberichterstatter nach Rio geschickt.

Abgrundtiefe Verachtung gegen alles Russische war der Grundtenor in den vergangenen zwei Wochen. Das verstärkte sich noch einmal, als deutlich wurde, daß das deutsche Aufgebot das gesetzte Ziel nicht erreichen konnte: Trotz massenweiser Sperrungen russischer Sportler landete der BRD im Medaillenspiegel deutlich hinter Rußland auf Platz 5.

Russenhaß bestimmte jedoch keineswegs nur die Sportberichte. Mit wesentlich schlimmeren Folgen verbunden ist die Berichterstattung der Medien über den Krieg in Syrien. Da werden Foto- und Videoaufnahmen von unter dem Krieg leidenden syrischen Kindern schamlos benutzt als Propagandamittel gegen Rußland und gegen die rechtmäßige syrische Regierung. Zumal diese Aufnahmen höchstwahrscheinlich von gut bezahlten Medien-Profis genau zu diesem Zweck produziert wurden. Durchaus logisch klingende russische Erklärungen, daß das betroffene Gebiet in Aleppo, in dem die Kinder verletzt wurden, von radikal-islamistischen Assad-Gegnern beschossen worden war, finden keine Erwähnung in den ach so objektiven Massenmedien. Denn damit läßt sich keine Stimmung im Sinne von »Der Russe ist schuld« machen.

Wieder einmal sagen Politiker der EU und ihrer Mitgliedstaaten, man müsse den »Flüchtlingsansturm« aufhalten und »die Fluchtursachen« bekämpfen. Niemand von diesen Leuten unternimmt jedoch die geringsten Anstrengungen, um eine der wesentlichsten Fluchtursachen aus der Welt zu schaffen: den seit fünf Jahren andauernden Krieg in Syrien.

Auch vom vergangenen »Dreiergipfel« der Regierungschefs der BRD und Italiens sowie des französischen Präsidenten war in dieser Hinsicht absolut nichts zu erwarten. Man fragt sich, ob es diesen Leuten nicht peinlich ist, sich ausgerechnet auf einem Kriegsschiff über »die Zukunft Europas« verständigen zu wollen. Wissen Merkel, Renzi und Hollande nicht, daß der italienische Flugzeugträger »Giuseppe Garibaldi« an Kriegseinsätzen vor Somalia, im Kosovokrieg, in Afghanistan, im Libanon und in Libyen teilgenommen hat, wie die Agentur dpa meldete? Oder sind sie etwa stolz darauf? Welche Zukunft Europas kann man unter diesen Bedingungen erörtern? Warum traf man sich zum Beispiel nicht in Sant’Anna di Stazzema in der Toskana, um dort der Opfer der Faschisten zu gedenken und über eine antifaschistische Perspektive für die EU-Staaten nachzudenken?

Die Antwort liegt auf der Hand. Das ständige Gerede von Werten, von Frieden, Demokratie und Menschenrechten ist nichts als eine wertlose Fassade. Für die Europäische Union sind das leere Worthülsen, die lediglich schön klingen und das verdecken sollen, was in Wirklichkeit angestrebt wird: Profit um jeden Preis, und sei es um den Preis von Frieden, Demokratie und Menschenrechten.

Von Uli Brockmeyer
Aus Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek, vom 22. August 2016

Keine Kommentare: