Zehntausende demonstrierten in Hannover gegen
ein neues Handelsabkommen. Trotzdem soll der Vertrag noch in diesem Jahr
durchgepeitscht werden
Die
Oberen von BRD und USA wollen das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP auch
gegen Widerstände aus der Bevölkerung durchsetzen. »Unsere Regierung will eine
Lösung, und wir wollen es dieses Jahr hinkriegen«, ließ sich die
US-Handelsministerin Penny Pritzker am Sonntag von Spiegel online zitieren.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verwies im Handelsblatt (Montagausgabe)
auf das ähnlich gelagerte Abkommen CETA als »gutes Muster« für TTIP. An der
konzertierten Aktion beteiligte sich auch US-Präsident Barack Obama. Er traf am
Sonntag in Hannover ein, um eine Industriemesse zu eröffnen.
90.000
Menschen zeigten schon am Tag zuvor, dass diese Propaganda sie nicht
beeindrucken kann. So viele nahmen – laut den Veranstaltern – am Samstag an
einem Protestzug durch Hannover teil. Organisiert hatten den mehr als 20
Organisationen, darunter Gewerkschaften, Umweltverbände und
Verbraucherschützer. »Merkel und Obama kommen: TTIP und CETA stoppen«, hieß es
im Aufruf.
Angeregte
Diskussionen gab es auch unter den Demonstrationsteilnehmern. Schon um elf Uhr,
zwei Stunden bevor sich der Demonstrationszug von dort in Bewegung setzte,
hatte man sich auf dem Opernplatz kaum mehr bewegen können. Zu viele Menschen
waren anwesend. Bauern agitierten hier gegen den »brutalen Preiskampf«, der
drohte, würden die Handelsabkommen den Markt noch weiter deregulieren. Immer
wieder tauchte auch die Forderung einer Volksabstimmung über TTIP und CETA auf.
Beide Vertragswerke beruhten, wie es oft hieß, auf der der Ausschaltung von
Bürgerbeteiligung und Transparenz.
![]() |
Foto: jW/Hauke-Christian Dittrich/dpa |
Entsprechend
empfindlich reagierten viele auf unlautere »Annäherungsversuche«. Das durfte
der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch erfahren. Er sprach vor dem
Protestzug und verwies darauf, dass sich die SPD im September mit dem
Freihandelsabkommen beschäftigen werden. »Man kann uns da vertrauen«, sagte er.
Schließlich seien ja auch Sozialdemokraten unter den Protestierenden. Zu
verstehen war Miersch danach kaum mehr – zu laut waren Buhrufe, Pfiffe und
Gelächter.
Mit TTIP
würden Regeln über Bord geworfen, um die die Arbeiterbewegung jahrzehntelang
habe kämpfen müssen, sagte Andrea Kocsis. Die stellvertretende Vorsitzende der
Gewerkschaft ver.di kritisierte, dass mit dem Vertragswerk gerade Hedgefonds
und Großbanken die Chance gegeben werde, in die Politik einzugreifen. »Nur sie
dürfen dann entscheiden, wie wir in Europa zu leben und zu arbeiten haben.«
Noch bevor etwa Änderungen an Arbeitsschutzrechten in die Parlamente gegeben
werden könnten, müssten sie bei Annahme von TTIP den Konzernvertretern
vorgelegt werden. Deshalb, so Kocsis, würden die DGB-Gewerkschaften sich gegen
jedes Abkommen stellen, »das den Konzernen undemokratische Rechte gewährt«.
Von
Johannes Supe
Aus junge Welt vom 25.04.2016
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen