Dritte Verhandlung in Lübeck bringt keine
Annährung
Mitteilung der IGM und ein Kommentar in der
DKP-Zeitung UZ:
Die dritte Tarifverhandlung für die 140.000
Beschäftigten der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie hat keine
Annährung gebracht. „Die Arbeitgeber bewegen sich bislang nur im
Schneckentempo. Wir werden sie jetzt mit kräftigen Warnstreiks auf Trapp zu
bringen“, sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste.
Nachdem
die Arbeitgeber in der vorherigen Runde 0,9 Prozent mehr Geld für zwölf Monate
angeboten hatten, wollen sie jetzt alternativ 2,1 Prozent für 24 Monate in zwei
Stufen als dauerhafte Erhöhung geben. Dazu schlagen sie in der neuen Variante
eine Einmalzahlung von 0,3 Prozent für ein Jahr vor. „Die Beschäftigten lassen
sich nicht täuschen: Vom Volumen her hat sich nichts getan. Das Angebot ist
nach wie vor auf historisch niedrigem Niveau“, sagte Geiken. „Wer so etwas
vorlegt, muss sich über eine härtere Gangart nicht wundern.“
Die IG Metall Küste wird nach Ende der Friedenspflicht um 0 Uhr die
ersten Betriebe zu Warnstreiks aufrufen. Aktionen während der Nachtschicht gibt
es in zwölf Unternehmen: bei Daimler in Bremen, Premium Aerotec in Nordenham
und Varel, Airbus in Stade, Still, ArcelorMittal, Mercedes und Hydro in Hamburg
sowie Krones in Flensburg, Danfoss in Neumünster, Flowserve SiHi in Itzehoe und
Stryker in Schönkirchen. Im Laufe des Tages folgen Warnstreiks von mehreren tausend Beschäftigten aus insgesamt 50 Betrieben in Bremen, Hamburg, Nordwestniedersachsen und Schleswig-Holstein. Größere Kundgebungen sind am Vormittag unter anderem bei Airbus in Bremen und Hamburg, Jungheinrich in Norderstedt, Raytheon Anschütz in Kiel und Dräger in Lübeck geplant.
Vor Beginn der dritten Verhandlung in Lübeck gab es eine Aktion der IG Metall Jugend Lübeck-Wismar: Mit einem Schlauchboot stoppten die Metaller die MS Nordmetall auf der Trave, bevor diese mit den Gewinnen der Arbeitgeber nach Panama abdampfen konnte.
Quelle:
Dreist und provokativ
„Das ist
eine Kampfansage an die gesamte IG Metall!“, so bewertete Jürgen Wechsler,
Bezirksleiter der IG Metall Bayern das Angebot der „Arbeitgeber“ von 0,9
Prozent Lohnsteigerung und 0,3 Prozent Einmalzahlung. Die von den
Unternehmerverbänden als „Scheinkonjunktur“ heruntergespielten
Gewinnsteigerungen haben allein den Aktionären einen Dividendenregen von 11,2
Milliarden Euro beschert, eine Erhöhung der Entgelte der Beschäftigten um ein
Prozent würde die Unternehmen dagegen nur rund 0,9 Milliarden Euro jährlich
kosten. Ein im Grundsatz ähnliches Bild zeichnet sich bei den
Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst ab. Angesichts der aktuellen
Haushaltsüberschüsse bezeichnet Frank Bsirske, Vorsitzender der Gewerkschaft
ver.di und Verhandlungsführer in der Tarifrunde für die Beschäftigten von Bund
und Kommunen die angebotenen 0,6 Prozent Lohnsteigerung für 2016 und 1,2
Prozent für das kommende Jahr „dreist und provokativ“. Tatsächlich wären in
beiden Fällen durch die historisch niedrigen Einstiegsgebote massive
Reallohnverluste der Beschäftigten vorprogrammiert.
Zum Teil
mag das Gejammer der Unternehmerverbände über die schlechten
Konjunkturaussichten ebenso wie die bei Lohnverhandlungen stets leeren Kassen
der Öffentlichen Hand zum Ritual gehören, handelt es sich doch um „die alte
Platte, immer neu aufgelegt“ (Willi Bleicher). Allerdings dürften auch der sich
verschärfende Wettbewerb auf dem Weltmarkt, Unwägbarkeiten angesichts enormer
Schübe in der Produktivkraftentwicklung und nicht zuletzt die unbewältigten
Schwierigkeiten im Kernbereich der deutschen Industrie, der Automobilindustrie,
mit dazu beitragen, dass Unternehmerverbände und Politik gerade jetzt einen so
harten Konfrontationskurs fahren.
Für die
gewollte Konfrontation sprechen auch die unverhohlenen Drohungen mit
Produktionsverlagerung und dem Abbau von Arbeitsplätzen, wie sie insbesondere von
Dr. Wolf, Vorsitzender Südwestmetall, oder von Frau Renkhoff-Mücke,
Verhandlungsführerin der Bayerischen Metallarbeitgeber, seit Wochen in den
Medien gestreut werden. Geradezu orchestriert folgten die Ankündigungen von
Stellenabbau in großen Konzernen: Mitte März bei Siemens 2 000, bei VW 3 000,
Anfang April bei GE 1 700, Mitte April folgte Nokia mit 1 400, Ende April nun
noch Bombardier mit 930. Damit wird ein Bedrohungsszenario aufgebaut, das die
Tarifverhandlungen insgesamt schwer belastet.
Zu einem
immer bedeutenderen Feld der Auseinandersetzung werden nun auch die politischen
Forderungen der Gewerkschaften nach Eindämmung und Regulierung prekärer
Beschäftigung. ver.di fordert aktuell den Ausschluss sachgrundloser
Befristungen, um die Praxis sogenannter Kettenverträge zu beenden. Und die IG
Metall fordert im Bereich der Leiharbeit und der Werkverträge deutlich mehr
Mitbestimmungsrechte. Industrie und Teile der Politik lehnen diese Forderungen
rundweg ab, sehen gar „die Wirtschaftsordnung auf den Kopf gestellt“. So
erklärt die bayerische Metall- und Elektroindustrie sachgrundlose Befristungen
zum „Ausdruck der Unternehmerfreiheit“, die nicht in Frage gestellt werden
dürfe. Der zur Diskussion stehende Gesetzentwurf von Andrea Nahles zu
Leiharbeit und Werkverträgen weite die „bereits jetzt verfassungsrechtlich
maximal ausgereizte Mitbestimmung“ unzulässig aus, so der BDA. Auch die CSU
meldet zahlreiche Bedenken an, z. B. weil LeiharbeiterInnen künftig nicht mehr
als Streikbrecher eingesetzt werden könnten.
Hier
zeichnen sich gemeinsame Interessen der Gewerkschaften ab, die eine künftige
stärkere Zusammenarbeit nicht nur erforderlich, sondern auch möglich erscheinen
lassen. Dabei geht es in der Metall- und Elektroindustrie um die Tarife für
immerhin 3,8 Millionen Beschäftigte, im Öffentlichen Dienst wird für rund 2,2
Millionen Tarifbeschäftigte verhandelt, keine Kleinigkeiten also. Sollte beim
Verhandlungstermin für den Öffentlichen Dienst Ende April in Potsdam kein
Ergebnis erzielt werden, wird ver.di die Urabstimmung über Erzwingungsstreiks
durchführen müssen, während zeitgleich die IG Metall ab 29. April in
Warnstreiks geht.
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