Die ARD
hat in einem ausführlichen Interview den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad
zur Lage in seinem Land befragt.
Wer sich die Mühe machte, es komplett im
Internet nachzulesen bzw. sich dort die ungekürzte Originalversion anzuschauen,
der konnte zweierlei erfahren: Zum einen reichlich Fakten und Realistisches über
Syrien, den dortigen Krieg und über die politischen Zusammenhänge. Zum anderen,
wie ein journalistisch sauberes und faires Interview gemacht wird: mit
kritischen Fragen und dem Angebot an den Befragten, sie ungestört zu
beantworten.
So weit,
so gut. Doch das ist im vorliegenden Fall eben nicht sehr weit. Mehr als 90
Prozent der Nutzer des ARD-Informationsangebots beschränken sich auf die
TV-Sendungen, nur eine Minderheit sucht nach mehr Hintergrund im Internet. Wer
seinen Informationsbedarf lediglich mit „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ deckt,
erlebte das sattsam bekannte Elend: Desinformation mittels Verkürzung und
Manipulation vermittels abwegiger Interpretation.
Und nun
kommt, was kommen muss: Der Interviewer wird am Ende selbst von der
„Tagesschau“ interviewt und nach seinem Eindrücken befragt. Aders: „Ihm geht es
darum, dass das System überlebt, das System seines Regimes. Und er wird alles
dafür tun, dass das so weitergeht. (.…) Und trotzdem hat er, und das fand ich
sehr interessant, zugegeben, dass die Souveränität Syriens mittlerweile nicht
mehr vollständig sei, eben durch die Hilfe, durch die Waffenhilfe von Russland,
vom Iran und von der libanesischen Hisbollah.“
Da haben
wir es. Assad hat in Interview nirgends angemerkt, er wolle, dass „das System
seines Regimes“ überlebe. Er hat des genaue Gegenteil gesagt: „Wenn das
syrische Volk will, dass ich diesen Platz räume, dann habe ich das sofort und
ohne Zögern zu tun.“
V. Bräutigam, Foto: UZ |
Der
Präsident hat auch nicht gesagt, die Souveränität Syriens sei wegen der
„Waffenhilfe von Russland, dem Iran und der Hisbollah“ nicht mehr vollständig.
Sondern, dass „viele Flugzeuge der Amerikaner und ihrer Alliierten (was man
dort als Allianz bezeichnet)“ den syrischen Luftraum verletzten und Terroristen
die Grenze überschritten. Deshalb könne man „nicht von vollständiger
Souveränität sprechen“.
Der
ARD-Mann Aders verhunzt also sein gutes Interview und macht sich selbst zum
Opfer der systemeigenen Propaganda. Seine Falschinterpretation tauchte unter
Berufung auf die gute alte Tante „Tagesschau“ in der gesamten deutschen
Mainstream-Presse auf. Und das, obwohl das komplette Assad-Interview frei
verfügbar war.
Kolumne von Volker
Bräutigam
aus
„unsere zeit (UZ) – Zeitung der DKP“ vom 11. März 2016
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