In Kuba und den USA wird über die Gefahren für
die sozialistische Gesellschaft durch die neue »Ära« der Beziehungen diskutiert
Die vom
kubanischen Präsidenten Raúl Castro und seinem US-amerikanischen Amtskollegen
Barack Obama am 17. Dezember angekündigte »neue Ära« wird – neben der Freude
über die Rückkehr der letzten drei Kundschafter der »Cuban Five« und Obamas
Eingeständnis, dass die Blockade gescheitert ist – innerhalb und außerhalb
Kubas auch mit Skepsis erwartet.
Kubanische Blogger erinnern an die vom
ehemaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gestellte Frage, warum in
den Vereinigten Staaten niemals ein Putsch stattgefunden habe und die
dazugehörende Antwort: »Weil es in Washington keine US-Botschaft gibt.« Seit
dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die USA im Jahr 1961 galt das
auch für Havanna. Jetzt fürchten Beobachter, dass Obamas Offerte sich für die Kubaner
als Trojanisches Pferd erweisen könnte.
»Ehe die Linke und die kubanische Regierung sich freuen, sollten sie bedenken, dass mit der Normalisierung amerikanisches Geld und eine Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika kommen«, warnt etwa der Ökonom und frühere Mitherausgeber des Wall Street Journal, Paul Craig Roberts, auf seiner Webseite. Roberts war stellvertretender Finanzminister der Regierung von Ronald Reagan und gilt als Mitbegründer von dessen neoliberalem Wirtschaftsprogramm »Reaganomics«. Später wandelte er sich zum Kritiker der US-Politik. Als intimer Kenner von Washingtons Machtzentren kommt er zu einer besorgniserregenden Analyse: »Amerikanisches Geld macht sich jetzt auf den Weg, Castros Lebenswerk zu zerstören. Und wenn das Geld es nicht schafft, wird es die CIA schaffen. Die Agentur hat schon lange darauf gewartet, sich für die Schweinebucht zu rächen, und die Normalisierung der Beziehungen eröffnet die Möglichkeit dazu«, schreibt Roberts.
Auch der
US-amerikanische Philosoph und Buchautor Andrew Levine erwartet, dass die
»neokonservativen Eroberer« jetzt aufbrechen, um der kubanischen Revolution den
Garaus zu machen. »Ihnen stehen mächtige Mittel zur Verfügung, und sie werden
nicht zögern, diese einzusetzen, um ihren Traum zu verwirklichen«, schreibt er
am 28. Dezember im Magazin Counterpunch, entwickelt daraus allerdings weniger
apokalyptische Szenarien als Roberts. Die kubanische Revolution habe seit 56
Jahren allen Attacken standgehalten, argumentiert Levine und fragt: »Was können
die USA den Kubanern mehr antun, als sie bereits versucht haben?« Er sieht für
Havanna eine Herausforderung, aber auch die große Chance, das zu erhalten,
wovor Washington sich am meisten fürchte, ein Land das – frei vom Einfluss der
USA – ein »Segen für seine Bevölkerung und ein Beispiel für die Welt ist«.
Obama
selbst hat in seiner Rede betont, dass die USA gegenüber der sozialistischen
Karibikinsel lediglich die Methoden, nicht aber ihre Ziele ändern werden.
Damit, gibt Rafael Hernández, der Herausgeber der in Havanna erscheinenden
Vierteljahresschrift Tema zu bedenken, stehe Kuba künftig in einer Linie mit
China und Vietnam, deren Gesellschaftsordnungen Washington bereits seit Jahren
statt durch Eroberungen mit Hilfe von Gesprächen, Investitionen und Geschäften
zu ändern versuche, bisher allerdings ohne Erfolg. Veränderungen in seinem
Land, erklärt Hernández, seien »keine Angelegenheit, die mit irgendeiner
ausländischen Macht verhandelbar sind«. Ähnlich hatte sich bereits Raúl Castro
geäußert: »Um die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten zu verbessern, wird
Kuba nicht auf Ideale verzichten, für die es mehr als ein Jahrhundert gekämpft
hat«, erklärte er am 20. Dezember in der letzten Parlamentssitzung des Jahres.
Diese
Position, schreibt der kubanische Philologe und Schriftsteller Luis Toledo
Sande am 23. Dezember in seinem Blog, werde Bestand haben, wenn die Mehrheit
der Bevölkerung dafür eintritt. Für Kuba und »Unser Amerika« wäre es
»Selbstmord«, wenn die USA lediglich als »nördlicher Nachbar« gesehen würden,
ohne zu berücksichtigen, dass sie nicht aufgehört haben, »gefährlich und
zerstörerisch« zu sein. Deshalb sei es jetzt mehr denn je notwendig, deutlich
zu machen, wofür die beiden Modelle stehen, fordert der Autor. Kuba sei ein
Land, das sein sozialistisches Gesellschaftsmodell, seine Unabhängigkeit und
Souveränität erhalten wolle. Die USA dagegen seien ein Imperium, das seine
egoistischen Interessen in aller Welt mit Macht und Gewalt durchzusetzen
versuche.
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