Sonntag, 22. Juni 2014

„Wir brauchen eine starke Friedensbewegung“

Konstantin Wecker tritt beim diesjährigen UZ-Pressefest auf


Konstantin Wecker ist Musiker, Liedermacher, Komponist, Autor und Schauspieler

UZ: Sie treten erneut beim Pressefest dieser Zeitung auf, das Ende Juni in Dortmund stattfindet. Was verbinden Sie mit dem Fest?

Konstantin Wecker: Ich freue mich sehr, wieder einmal in Dortmund dabei zu sein. Das UZ-Pressefest ist das größte Fest von Kommunisten und Linken, das es in der Bundesrepublik gibt. Es bietet die Möglichkeit zu diskutieren, sich auszutauschen, solidarisch zu streiten und vor allem auch gemeinsam zu feiern. Außerdem trifft man hier viele andere Linke, Freunde, Genossinnen und Genossen, die man meist schon viel zu lange nicht mehr gesehen hat. Auf dem Fest werde ich am Samstag um 20 Uhr auf der Hauptbühne mit Esther Bejarano & Microphone Mafia auftreten und lade Alle herzlich dazu ein, dabei zu sein. Außerdem hab ich noch einen Überraschungsgast: den cantautore Fabrizio Zanotti!

UZ: Sie haben sich in der Vergangenheit stets politisch eingemischt. Was treibt Sie aktuell um?

Konstantin Wecker: In den letzten Wochen haben mich selbstverständlich der sogenannte Ukraine-Konflikt, die EU-Wahl, die Kriegslüsternheit unser Politiker und die Diskussionen um die Friedensbewegung beschäftigt.
Was wir aktuell in der Ukraine erleben müssen, hätte ich tatsächlich so nicht für möglich gehalten. Eine Regierung, an der Faschisten beteiligt sind und Linke, die aus Angst von Rechten ermordet und verfolgt zu werden, das Land verlassen müssen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang etwa an den Sturm der Nazis auf das Gewerkschaftshaus in Odessa, bei dem Anfang Mai mindestens 42 Menschen durch Mitglieder des faschistischen „Rechten Sektors“ ermordet worden sind, erinnern. Dass hier kein Sturm der Entrüstung und des Protestes durch unser Land geht, ist für mich vollkommen unverständlich. Auch bei uns stürmten die Faschisten einst die Gewerkschaftshäuser. Wo das endete, ist bekannt. Ich hätte mir gewünscht, dass die hiesigen Gewerkschaftsführungen ihre Solidarität mit den Betroffenen in der Ukraine erklärt hätten. Das wurde jedoch versäumt, ein fataler Fehler.

UZ: Wie bewerten Sie den Ausgang der EU-Wahl?

Konstantin Wecker: Dass die Rechten derartige Gewinne verbuchen würden, hatte ich befürchtet. Wenngleich ich nicht davon ausging, dass etwa der „Front National“ in Frankreich gleich stärkste Kraft werden würde. Wir haben es seit Jahren mit einem Erstarken neofaschistischer Parteien und Organisationen, etwa in Ungarn, zu tun, gegen die wir alle gemeinsam mobil machen müssen. Ich möchte jedenfalls in keinem Europa leben, in dem Rassismus, Antisemitismus, Schwulenfeindlichkeit und der Hass auf Sinti und Roma sich zunehmend ihren Weg bahnen. Um einen weiteren Vormarsch der Nazis und Rechten zu verhindern, muss Europa gänzlich anders gedacht und gelebt werden. Ich jedenfalls möchte in einem Europa leben, dass sich der Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit und dem Frieden verpflichtet fühlt. Davon sind wir jedoch mehr denn je entfernt.

UZ: Inwiefern?

Konstantin Wecker: Die sozialen Verhältnisse beispielsweise in Griechenland, aber auch in Spanien und Portugal, sind unerträglich. Die Bevölkerung zahlt den Preis für die Zockereien der Banken und das Nichteinschreiten der politisch Verantwortlichen. Die Menschen können ihre Miete nicht mehr zahlen und fliegen aus ihren Wohnungen, die Suizidrate steigt an, die medizinische Versorgung wird auf ein absolutes Minimum zusammengestrichen. Da ist es wenig verwunderlich, dass manche Menschen auf die plumpen Parolen und Demagogie der Rechten hereinfallen. Was wir brauchen, um diese Entwicklung aufzuhalten, ist eine starke Linke, die Politik für und mit den Menschen macht und nicht wie die Herrschenden es tun, über die Köpfe der Menschen hinweg und gegen die Interessen der durchschnittlichen Bevölkerung agiert.
Ein weiterer Punkt, der mir stets wichtig war, ist der Kampf gegen Rüstung und Krieg. Dass Deutschland drittgrößter Waffenexporteur ist und dieses schreckliche Mordwerkzeug in alle Länder exportiert, macht mich schon lange mehr als wütend!

UZ: Jedoch scheinen Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Lust am Krieg ja stetig zuzunehmen …

Konstantin Wecker: Ja, das beste Beispiel für diese Entwicklung ist Bundespräsident Joachim Gauck, dessen Politik durch eine unverhohlene Kriegslüsternheit geprägt ist und von dem Sätze wie dieser stammen: „(…) Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen“. Ihm gehe es, so der Spiegel, um ein „Ja zu einer aktiven Teilnahme an Konfliktlösungen im größeren Rahmen“ mit den Partnern der Europäischen Union und der NATO. Der Pastor, der Christ Gauck, der als „Widerstandskämpfer“ seinerzeit sicher auch alle Schwerter zu Pflugscharen machen wollte. Aber anscheinend nur kommunistische. Mit kapitalistischen Schwertern lässt es sich trefflich kämpfen, besser als mit Pflugscharen allemal.
Was wir brauchen, um dieser Politik etwas entgegenzusetzen, ist eine starke Friedensbewegung, die in der Lage ist, Menschen zu mobilisieren, um diesen Wahnsinn zu stoppen. Dass die Bewegung nicht stark genug aufgestellt ist, um dies leisten zu können, stellt leider nicht wirklich ein Geheimnis dar. Jedoch sollte uns das nicht abhalten, immer unsere Stimme zu erheben, wenn die etablierte Politik mit ihrer Kriegslüsternheit und Kalte-Kriegs-Rhetorik versucht, die Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Selbst wenn wir nur zu zweit wären, wäre es immer richtig Rüstung und Krieg als großes Verbrechen zu verdammen!

Das Gespräch führte Markus Bernhardt

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