Programmatische
Aussagen können nicht mit der tatsächlichen Politik gleichgesetzt werden.
Auf
ihrem Hamburger EU-Parteitag hat die Linkspartei fast ausschließlich Kandidaten
des rechten Parteiflügels auf die aussichtsreichen Listenplätze gewählt.
Die
Politik der Linkspartei im EU-Parlament wird also von der Parteirechten gemacht
werden, Programm hin oder her.
Allerdings wird sie sich dabei in vielen Dingen durchaus
auf das Wahlprogramm berufen können, denn dieses wurde in Hamburg in wichtigen
Fragen revidiert.
Da nun
auch die 3%-Klausel wegfiel, können wir offensiv argumentieren: eine Stimme für
die DKP ist nicht verloren, ihre Wahl bedeutet im Unterschied zu der der
Linkspartei eine klare marxistische Positionierung gegen das Europa der Banken
und Konzerne.
Ein Stimmenzuwachs im Vergleich zu 2009 könnte Ausdruck des
Widerstands sein. Das hätte mehr politisches Gewicht als die programmatischen
Aussagen für sich genommen.
Dennoch spiegeln sich natürlich in den Programmen die politische
Ausrichtung, der Bewusstseinsstand und das Gewicht der verschiedenen Kräfte in
beiden Parteien.
Das DKP-Programm zeigt, dass die Partei ihr kommunistisches Profil geschärft hat.
Das Programm der Linkspartei zeigt dagegen, dass die Ankommer, deren Ziel eine Beteiligung an einer SPD/Grünen- Regierung ist, auf dem Vormarsch sind – und sei es um den Preis dies zu deren Bedingungen erreichen zu müssen.
Das DKP-Programm zeigt, dass die Partei ihr kommunistisches Profil geschärft hat.
Das Programm der Linkspartei zeigt dagegen, dass die Ankommer, deren Ziel eine Beteiligung an einer SPD/Grünen- Regierung ist, auf dem Vormarsch sind – und sei es um den Preis dies zu deren Bedingungen erreichen zu müssen.
Worin
liegen die zentralen charakteristischen Aussagen beider Programme?
Die
Linkspartei gliedert ihr EU-Wahlprogramm in vier Hauptkapitel:
„Gerecht
und solidarisch aus der Krise“,
„Demokratisches
Europa“,
„Für
ein friedliches Europa – nach Innen und Außen“ und
„Europa
verändern“.
Sie befindet
„Die Krisenpolitik zerstört Demokratie und Sozialstaat in Europa“ und setzt
dagegen: „Banken entmachten – Finanzmärkte regulieren“, eine höhere Besteuerung
der Reichen, einen „gerechten und solidarischen EU-Haushalt“ und „Solidarisches
Miteinander statt ruinöser Wettbewerb“, „Gute Arbeit statt
niedriger
Löhne und unsicherer Jobs“, Arbeitszeitverkürzung, „Kampf gegen Armut und
soziale Ausgrenzung“, die soziale und ökologische „Umgestaltung“ der
„Wirtschaft“.
Da hat
die Linkspartei detaillierte Vorstellungen, von einer „solidarische(n)
Regional- und Strukturpolitik“ bis zu einem „wirksamen Tierschutz“. Die Lobby
von Unternehmen, Banken und Vermögenden müsse zurückgedrängt, Geheimdienste
aufgelöst, Datenschutz garantiert, Diskriminierungen abgeschafft und dem
Rassismus, „Rechtspopulismus“ und Neofaschismus entgegengetreten werden. Europa
solle „demokratisch und solidarisch“ gestaltet werden.
Eine
Reihe dieser Forderungen der Linkspartei finden sich ähnlich auch im
DKP-Wahlprogramm: Schuldenschnitt für die EU-Staaten, die unter Kuratel der
EU-Troika stehen, „Die Reichen müssen zahlen“, gegen die Militarisierung der
EU, gegen „Demokratieabbau und Überwachung“, gegen Rassismus, Faschismus und
die Diskriminierung von Minderheiten, gegen die „Umverteilung von unten nach
oben“, für den „Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen“ usw.
Diesen
Ähnlichkeiten stehen aber tiefgreifende Differenzen bei der Einschätzung der EU
und ihrer Zukunftsperspektive gegenüber.
„Überwindung des Nationalismus“ durch die EU?
Die
Linkspartei stellt sich das Ziel, es gelte die EU demokratisch zu machen. Ohne
jeden Tatsachenbezug behauptet sie, eine ursprünglich fortschrittliche EU, die
mit einer „falschen“, „neoliberalen“ Politik in ihr Gegenteil verkehrt worden sei,
könne mit einer „richtigen“, „linken“ Politik wieder aufs ursprüngliche, fortschrittliche
Gleis gesetzt werden.
„Historisch
zielte die Einigung in Europa darauf, Kriege zu verhindern und – nach den
Weltkriegen im 20. Jahrhundert – zu einer friedlichen Entwicklung in und
außerhalb Europas beizutragen“, heißt es Programm der Linkspartei. Was für ein
Unsinn!
In
Wirklichkeit zielte die Einigung Europas – wie es der französische
Imperialismus für wünschenswert und möglich hielt – auf die Einbindung der BRD
und – aus der Sicht der Herrschenden in der BRD – auf die Überwindung der
politischen Isolierung nach der Niederlage des deutschen Imperialismus im II.
Weltkrieg.
Historisch
zielte die Einigung Europas auf die Bündelung der wirtschaftlichen Potenzen der
westeuropäischen Mächte. Sie war Teil der Roll-Back-Strategie gegen die
sozialistischen Staaten. Später dann Jugoslawien, Afghanistan, Somalia, Libyen,
Syrien, Ukraine – das ist Konkurrenz und Dominanzpolitik mit allen Mitteln,
selbstverständlich
auch militärischen.
Es geht
und ging nie darum, „zu einer friedlichen Entwicklung in und außerhalb Europas
beizutragen“.
Das
DKP-Programm hält dagegen – wie es den Tatsachen entspricht – die EU für ein
imperialistisches Konstrukt von Anfang an. „Die Europäische Union wurde zur
Durchsetzung der Interessen der größten Konzerne und Banken in Europa
gegründet. (…) Ein Deutsch dominierter europäischer Wirtschaftsraum als
Ausgangsbasis des Konkurrenzkampfes gegen die USA und Asien war und ist das
Ziel des deutschen Imperialismus“, heißt es im Wahlprogramm der DKP.
So ist
es – und das ist das Gegenteil der haltlosen Geschichtsklitterung der
Linkspartei.
Die
bisherige politische und ökonomische Integration Europas dient nicht den
Interessen der arbeitenden Menschen in Europa. Unter kapitalistischen
Vorzeichen führte sie, wie Rosa Luxemburg einst vorhersagte, zu einer
„Missgeburt des Imperialismus“. Bewahrheitet hat sich auch Lenins Einschätzung,
dass die Vereinigung Europas unter dem Diktat des Großkapitals „entweder
unmöglich oder reaktionär“ ist.
Die
Linkspartei behauptet, die EU überwinde den Nationalismus in Europa und es
dürfe keinen „Rückfall“ in diesen geben. Tatsache ist, dass Deutschland sich
zur EU-Führungsmacht aufgeschwungen hat, dass „in Europa Deutsch gesprochen
wird“, dass es im Konkurrenzkampf zwischen den EU-Staaten Gewinner und
Verlierer gibt
und die
schwächsten in eine halbkoloniale Lage geraten, in der die Troika in den
nationalen Institutionen sitzt und bis in die Einzelheiten vorschreibt, wie die
Bevölkerung verarmt werden soll.
Die EU
baut die Ungleichheit zwischen den Volkswirtschaften und die
nationalstaatlichen Gegensätze nicht ab, sondern befördert sie. Sie entzieht
dem Nationalismus nicht den Boden, sondern schafft die Bedingungen für
nationalistische Hetze und Rechtsentwicklung.
Klassenneutraler bürgerlicher Staat?
Die
Linkspartei wiederholt auf europäischer Ebene den sozialdemokratischen Fehler,
den bürgerlichen Staat für klassenneutral und daher linke Politik für einen
Kampf um den dominierenden Einfluss im bürgerlichen Staat zu halten. Wer in den
(Wahl-) Institutionen die Mehrheit habe, könne die „richtige“,
„fortschrittliche“ Politik machen. Die eigene Stärke in den Parlamenten sei
dafür das Entscheidende.
Demokratische
Bewegungen sind damit zwangsläufig – trotz aller Beschwörung ihrer Wichtigkeit
– Hilfsmittel für die Eroberung von Parlamentsmehrheiten, sei es auf nationaler
oder EU-Ebene. Wichtiger als Massenbewegungen wird in der Praxis das Suchen
nach Koalitionspartnern in den Parlamenten, was unter den gegebenen Bedingungen
nur durch die Annäherung an die traditionelle Sozialdemokratie erreichbar ist,
was wiederum die Aufgabe der eigenen Programmatik bedeutet.
Die DKP
geht dagegen vom Klassencharakter des bürgerlichen Staates aus. Die Alternative
zur bürgerlich-kapitalistischen Herrschaft ist die Macht der Arbeiterklasse und
ihrer möglichen Verbündeten, für die sie den bürgerlichen Staat überwinden und
einen eigenen Staat aufrichten muss.
Demokratisierung
zielt danach nicht auf die Verwandlung des bürgerlichen Staats in einen idealen
Volksstaat, sondern ist Teil des Kampfes um die revolutionäre Überwindung des
bürgerlichen Staats.
Die DKP
geht davon aus, dass das Zentrum der monopolkapitalistischen Macht nach wie vor
die bürgerlichen nationalen Staatsapparate sind, die in jedem EU-Staat
überwunden werden müssen.
Der
Demagogie der Linkspartei, die den tatsächlichen Machtverhältnissen und den
sich daraus ergebenden Bedingungen für wirkliche gesellschaftspolitische
Veränderungsmöglichkeiten einen Wunschkatalog entgegensetzt, stellt die DKP die
Analyse dieser Machtverhältnisse entgegen und leitet daraus die heute
realistischen politischen Ziele ab. Sie kommt zu dem Schluss, dass sich die
Arbeiterklasse gegenwärtig in der Defensive befindet und es darum geht, die
politische Offensive der Monopolbourgeoisie gegen die Arbeiterklasse und die
Volksschichten zum Stehen zu bringen, abzuwehren und die Bedingungen für eine
Gegenoffensive der Arbeiterklasse zu schaffen.
Ein
sozialistisches Europa, in dem die bürgerlichen Nationen und ihre
zwangsläufigen Gegensätze überwunden sind, steht nicht auf der Tagesordnung.
Die Verbindung der demokratischen und Arbeiterbewegung hat nach
wie vor
internationalen Charakter, auch im EU-Rahmen.
Der Hauptfeind steht im eigenen Land
Der von
Gysi angezettelte absurde Streit um einen Halbsatz in der Präambel des
Linkspartei-Wahlprogramms wirft ein Licht auf die Art und Weise des
Zustandekommens.
Es geht
nicht um eine möglichst zutreffende Analyse und daraus abgeleitete politische
Ziele. Es geht um das Austarieren der verschiedenen Strömungen und Interessen
in der Partei und um die Gefälligkeit gegenüber einer vorgestellten
Wählerklientel. Und beides muss so kompatibel wie möglich mit der angestrebten
Regierungsfähigkeit sein. „Wir lassen uns nicht darauf ein, uns zwischen einer
neoliberalen EU und einem neoliberalen Nationalstaat zu entscheiden“, heißt es
im Wahlprogramm der Linkspartei.
Worauf
sie sich aber einlassen sollte, steht im DKP-Wahlprogramm:
„Es ist
– auch im Interesse der Arbeiterklasse in den anderen EU-Ländern – notwendig,
in Deutschland den Widerstand gegen die herrschende Politik und deutsches
Großmachtstreben voranzutreiben.“
Das ist
die erste und vorrangige Aufgabe der Linken in Deutschland, weil die
entscheidende Macht der Bourgeoisie nicht in Brüssel sitzt, sondern in Berlin.
von
Sepp Aigner
_________
Übernommen
von Theorie&Praxis, Heft 35. Das Heft steht in Kürze zum Download bereit.
Bei den
EU-Wahlen nicht die Stimme verschenken!
Richtig
Rot wählen!
Liste
18 - DKP!
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