Montag, 18. Juli 2016

Diktatur des Militärs oder des Präsidenten?

Im Folgenden dokumentieren wir einige Stimmen aus Deutschland und der Türkei zum Militärputsch vom vergangenen Freitag / Samstag und den undemokratischen Folgen seitens des AKP-Regimes.

Zum Putschversuch in der Türkei sagte der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele am Sonntag:

„Wem nutzt es, dass Teile des türkischen Militärs in der Nacht von Freitag zu Samstag einen Putsch ausgerufen haben? Am Ende profitiert Erdogan. Erdogan – der die Präsidialdiktatur vorbereitet, der demokratische Journalisten verfolgen lässt, der kurdische Städte belagern lässt – hat nun die Gelegenheit, um den Staatsapparat zu säubern. Er lässt sich als Verteidiger der Demokratie feiern.

Das muss nicht heißen, dass Erdogan den merkwürdig schlecht koordinierten Putschversuch selbst inszeniert hat. Unter den Eliten der Türkei und unter den Großmächten gibt es Kräfte, die Gründe hätten, türkische Offiziere zum Aufmarsch gegen Erdogan zu ermutigen. Die Bundesregierung mahnt auch Erdogan, beim Vorgehen gegen die Putschisten den ,Rechtsstaat‘ zu achten, türkische Politiker werfen der US-Regierung vor, in den Putschversuch verwickelt zu sein.

In diesen Kämpfen innerhalb der Eliten haben die demokratischen Kräfte nichts zu gewinnen. Ob kemalistische Militärs oder islamistische Truppen die kurdische Bevölkerung massakrieren, ob Erdogan oder der Generalstab die Anweisungen zur Verfolgung von Demokraten gibt, ob in der Türkei eine Militär- oder eine Präsidialdiktatur herrscht, ist nicht das Entscheidende. Erdogan zu verteidigen, bedeutet nicht die Demokratie zu verteidigen. Ein Militärputsch wird keine fortschrittliche Lösung bringen. Die demokratischen Kräfte der Türkei sind keine Anhängsel irgendeiner Gruppe der Eliten. Sie haben ihre eigenen Forderungen, Kampfmittel, Organisationen.

Die Bundesregierung hat mit ausgewogenen Worten von Demokratie und Rechtsstaat auf den Putschversuch reagiert. Sie hat zuvor ihren Teil dazu beigetragen, dass Erdogan fest im Sattel sitzt, Demokraten verfolgen und Kurden bekämpfen lassen kann – indem die EU Erdogan zu ihrem Türsteher gemacht hat, hat sie Erdogan gestützt.“

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KP (Türkei): Es gibt keine Alternative zum Volk

Nach dem Putschversuch in der Türkei ruft die Kommunistische Partei (Türkei) das Volk auf, sich gegen alle Feinde des Volkes und der Menschheit zu organisieren und gegen die AKP zu vereinen: Die Befreiung liegt in unseren Händen. Es gibt keine Alternative zum Volk

Noch kennen wir die Details des Putschversuchs in der Türkei, das in der Nacht vom 15. zum 16. Juli stattfand nicht. Jedoch ist uns eins vollkommen klar: Ein von außerhalb angetriebener Plan oder Versuch, die AKP in ihrer Finsternis zu erlegen, um die Türkei dadurch in eine Friedensphase zu überführen, ist ohne das Volk oder die Arbeiterklasse und deren Kraft zum Scheitern verurteilt. Die Ereignisse aus dieser Nacht haben uns erneut mit der Realität konfrontiert: Entweder wird sich das Volk der Türkei organisieren und sich selbst von der AKP befreien oder die AKP-Türkei wird mit voller Geschwindigkeit immer mehr den reaktionären Machenschaften, den Repressalien ausgesetzt werden und Morde und Ausplünderung wird kein Ende kennen.

Es gibt keine Alternative für die einzige Macht, die die AKP erlegen kann, und das ist das Volk.

Es ist gleich, was in dieser Nacht passiert ist, die Verantwortlichen sind die AKP. Die notwendigen Gegebenheiten und Verhältnisse für diese Situation wurden selbstverständlich durch die AKP-Regierung und deren inländischen und ausländischen Unterstützer aus den Runden der Bosse geschaffen.

Jedoch hat dies nicht zu bedeuten, dass der Putschversuch den Charakter einer Vorführung hat, durch das Tayyip Erdoğan versucht, seine Ziele schneller zu erreichen; beispielsweise den Weg zu einem Präsidialsystems frei macht oder die nötigen Bedingungen für ein neues Grundgesetzt schafft.

Schon seit geraumer Zeit herrschen Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen dem Staat und unterschiedlichen Gruppierungen der Streitkräfte in der Türkei. Diese wurden nun in Form eines bewaffneten Zusammenstoßes ausgetragen. Der Streit ist echt, aber dass eine dieser Parteien auf irgendeine Weise die Interessen des Volkes in der Türkei vertreten könnte, ist einfach nur falsch.

Daher ist es falsch im Kampf gegen die AKP-Regierung die Lösung in einem Militärputsch zu sehen. Es ist auch genauso falsch – unabhängig davon wie es begründet und mit welchem Diskurs es getan wird – die AKP-Regierung in Schutz zu nehmen, um gegen den Putsch zu sein.

Das aller letzte was im Fall der Türkei getan werden sollte, um die Freiheit der Menschen und die Menschenrechte zu verteidigen, ist, die AKP-Regierung in Schutz zu nehmen. Denn genau diese Regierung hat abertausend Mal gezeigt, wie sehr sie jegliche Werte der menschlichen Würde ins Visier nimmt.

Erdoğan und die AKP wird versuchen –auch wenn das Ganze nicht von ihnen initiiert wurde– aus diesem Putschversuch und der entstandenen Gegebenheiten die eigene Legitimität zu stärken. Jeder einzelne unseres Volkes muss in den nächsten Tagen wachsam jeden Schritt der AKP verfolgen. Nur durch den verstärkten Kampf gegen die AKP und dessen dunkle Machenschaften kann verhindert werden, dass die Situation durch die AKP instrumentalisiert wird, um die eigene Regierung noch stärker zu machen und die inkonsequente AKP-Türkei in eine beständige Stabilität zu überführen. Dass alle Moscheen der Türkei die ganze Nacht durchgehend über die Lautsprecher, die ja eigentlich nur für das Gebet und ähnliches vorgesehen sind, Erdoğan- und AKP-Propaganda betrieben wird, zeigt uns, wie dringend unsere Aufgabe ist…

Die Kommunistische Partei ruft das Volk auf, sich gegen alle Feinde des Volkes und der Menschheit zu organisieren und gegen die AKP zu vereinen.

Die Befreiung liegt in unseren eigenen Händen.


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Türkei: Keine der Konfliktparteien verteidigt die Demokratie


“Egal welche inländischen oder ausländischen Mächte in diesen Vorfall verwickelt sein mögen, und egal aus welchen Gründen dieser Machtkampf geführt wird, es geht bei den Ereignissen von gestern nicht darum, dass eine der beiden Seiten die Demokratie gegen die andere Seite zu verteidigen versucht. Im Gegenteil, die Ereignisse stellen unter Beweis, dass in der Türkei keine Demokratie herrscht. In Ländern, in denen Machtkämpfe dieser Art geführt werden und eine der Parteien versucht, auf diese Weise die Macht an sich bringen, sind keine Demokratien. In Ländern wie diesen wird eine autoritäre Macht eine andere autoritäre Macht versuchen, mit einem Putsch vom Thron zu stoßen, sobald sie die Bedingungen hierfür als geeignet betrachtet. Was in der Türkei gestern passiert ist, ist genau dies.

Der Putsch Erdoğans gegen den Willen der Bevölkerung

Vor genau einem Jahr hatte Tayyip Erdoğan und seine Palast-Gladio die MHP, alle faschistischen Kräfte und die Ergenekon-Bande des Militärs an seiner Seite versammelt, um gegen die Wahlergebnisse des 7. Junis [2015] zu putschen. Es fand ein Putsch des Präsidentenpalasts gegen den Willen des Volkes statt. Bereits in der Vergangenheit wurde in der Türkei geputscht, wenn die Demokratiekräfte ein wenig an Kraft gewannen und die KurdInnen begannen, sich selbst zu organisieren. Aus denselben Gründen putsche der Präsidentenpalast auch infolge der Wahlen vom 7. Juni. Der AKP-Faschismus hat Bündnisse mit allen faschistischen Kräften im Land und dem Generalstab geschmiedet, um die Kurdische Freiheitsbewegung und die Demokratiekräfte im Land zu ersticken. Das Militär wurde in die kurdischen Städten und Bezirke entsandt, um diese niederzubrennen und hunderte Zivilisten zu ermorden. Um die Verbrechen des Militärs zu decken, wurden neue Gesetze erlassen. Aufgrund dieser Situation werteten Intellektuelle und die Demokratiekräften im Land die AKP als eine Regierung, welche die Vormundschaft des Militärs im Staat legalisiert und legitimiert.
So hatte das Militär auch vor dem gestrigen Putschversuch ihre Machtposition im Staate gefestigt. Die Vorfälle des gestrigen Abends sind von daher als ein Putschversuche einer militärischen Clique im Staat gegen eine andere militärische Clique zu werten. Das ist letztlich auch der Grund dafür, dass Kräfte im Staat, die zuvor einen Putsch des Militärs gegen die AKP sich gewünscht hatten, die neuerliche Vormundschaft des Militärs durch die Regierungspartei akzeptiert und sich an die Seite der AKP stellten. Der beste Beweis dafür, dass es sich um keinen Machtkampf zwischen Demokraten und Putschisten handelt, ist die Tatsache, dass die MHP und ihnen angebundene chauvinistisch-nationalistische Kreise sich an die Seite der Palast-Gladio gestellt haben.

Erdoğan wird versuchen sich als Hüter der Demokratie zu präsentieren

Nach dem gestrigen Putschversuch nun Tayyip Erdoğan, die Palast-Gladio und die faschistische AKP-Regierung als eine demokratisch legitimierte Regierung darzustellen, wäre deshalb nicht nur falsch, sondern auch äußerst gefährlich. Einen Machtkampf zwischen autoritären, despotischen und demokratiefeindlichen Kräften so zu bewerten, als handele es hierbei um den Kampf einer anti-demokratischen und einer demokratischen Konfliktpartei, käme der Legitimierung der vorherrschenden faschistischen und despotischen Regierung gleich.
In der Türkei gibt es weder eine zivile Regierung, noch herrscht ein Machtkampf zwischen “Demokraten” und Putschisten. Es wird lediglich ein Kampf darum geführt, wer dem herrschenden demokratie- und kurdenfeindlichen System vorstehen soll. Aus diesem Grund kann nicht die Rede davon sein, dass die Demokratiekräfte sich an die Seite einer dieser beiden Konfliktparteien stellt.

Der eigentliche Putsch gegen die Demokratie

Wenn die Rede von einem Putsch gegen die Demokratie ist, dann ist es zu allererst die faschistische AKP-Regierung, die diesen Putsch vollzogen hat. Den größten Putsch gegen die Demokratie stellen die Kontrollübernahme der Regierung über die Justiz, die Durchsetzung faschistischer Gesetze auf Grundlage der Mehrheit im Parlament, die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten, die Festnahmen und Absetzungen von demokratisch gewählten BürgermeisterInnen, sowie die Inhaftierungen tausender PolitikerInnen der HDP und DBP dar. Hinzu kommt, dass in Kurdistan gegen die Bevölkerung derzeit eine Vernichtungskampagne geführt wird, wie sie bei keinem der Militärputsche in der Türkei stattgefunden hat.

Es ist die Kriegsregierung der AKP, welche die Türkei in dieses Chaos der Auseinandersetzungen geführt hat. Mit seinem monistischen, hegemonialen und anti-demokratischen Charakter sorgt die Regierung dafür, dass das Chaos im Land fortbesteht. Mit seinem ständigen Kampf gegen alle, die nicht dem eigenen Kurs folgen, und das sind zuallererst die KurdInnen und die DemokratInnen, hat die AKP dafür gesorgt, dass der Krieg zu einem Dauerzustand im Land geworden ist.
Der jüngste Putschversuch hat unter Beweis gestellt, dass die Türkei von der faschistischen AKP-Regierung befreit und zu einer demokratischen Regierung geführt werden muss. Die Befreiung der Türkei von einer monistischen, hegemonialen und faschistischen Regierung und die Demokratisierung des Landes drängt mehr denn je.

Foto-Quelle: junge Welt
Das Gesicht der AKP enttarnen

Die wichtigste Aufgabe der Demokratiekräfte nach den gestrigen Ereignissen ist es, die Versuche der faschistischen AKP-Regierung ihr Gesicht unter dem Deckmantel der Demokratie zu verschleiern und sich so Legitimität zu verschaffen, zu enttarnen und auf diesem Wege ein wirkliches Demokratiebündnis auf die Beine zu stellen. Infolge dieses Putschversuches darf es nicht dazu kommen, dass der Kampf gegen den AKP-Faschismus vernachlässigt wird. Im Gegenteil, dieser Kampf muss gestärkt werden, um die Türkei aus diesem Chaos herauszuführen und eine demokratische Türkei zu erschaffen.

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Demokratische Politik ist der einzige Ausweg

In diesen für die Türkei kritischen und herausfordernden Tagen darf sich niemand – aus welchem Grund auch immer – an die Stelle des Willens des Volkes setzen. Die HDP steht unter allen Umständen und aus Prinzip gegen jede Art von Staatsstreich.

Was die Türkei dringend braucht ist die Annahme einer pluralistischen und freiheitlichen Demokratie, inneren und äußeren Frieden, universelle demokratische Werte und Konventionen. Es gibt keine Alternative zu einer demokratischen Politik.

Selahattin Demirtas – Figen Okey Ugwu
Vorsitzende der HDP

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