Zur Aktualität von Lenins „Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus“
Als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Sommer 2008 die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden musste, überboten sich die Kommentatoren geradezu mit ihrer Kritik an der Komplexität des globalen Finanzsystems. Insbesondere Ratingagenturen, also Unternehmen, die die Kreditwürdigkeit anderer Unternehmen bewerten, wurden verbal scharf angegangen: Man warf ihnen vor, durch viel zu komplexe Bewertungsmodelle Transparenz verhindert und so eine Spekulationsblase aufgebläht zu haben, in deren Folge zahlreiche Großbanken ins Schleudern kamen und Pleite gingen.
Wenn
man sich also die ungeheure Komplexität des modernen Kapitalismus
vergegenwärtigt, vor der bereits sämtliche „Experten“ kapitulieren mussten,
dann stellt sich unweigerlich die Frage: Welchen Sinn macht es, einen fast
schon als „simpel“ anmutenden Textabschnitt zu Fragen der politischen Ökonomie
des Kapitalismus zu lesen, der einer kleinen und fast 100 Jahre alten Lenin-Schrift
entstammt?
Unsere Antwort darauf lautet: Weil Lenin darin sehr prägnante Antworten auf Fragen der Politischen Ökonomie gibt, die auch heute noch von zentraler Bedeutung sind.
Denn Politische Ökonomie ermöglicht einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Bewusstsein der Menschen über ihre gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
Das betrifft nicht nur Haushaltsdebatten und Diskussionen über staatliche Regulierungen, sondern z. B. auch gewerkschaftliche Auseinandersetzungen über den Spielraum für Belegschaften in Tarifkonflikten, die entlang ökonomischer Argumentationslinien geführt werden.
Politische Ökonomie bewegt sich im Spannungsfeld materieller Interessen. Marxistische und bürgerliche Wirtschaftswissenschaften unterscheiden sich folglich darin, ob sie die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse in Frage stellen oder rechtfertigen.
Politische Ökonomie – eine parteiische
Wissenschaft
Diese
Spannung drückt sich auch in den unterschiedlichen Antworten auf die Frage aus,
was die Politische Ökonomie als Wissenschaft kennzeichnet. Nehmen wir als
Beispiel den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger
Paul A. Samuelson (1915–2009), der die folgende weitverbreitete Definition
gegeben hat: Politische Ökonomie sei das Studium dessen, „was Menschen und
Gesellschaft bei der Beschäftigung knapper Ressourcen […] auswählen, um
verschiedenartige Waren zu erzeugen und für den Verbrauch […] zu verteilen“
(A. Samuelson, W. D. Nordhaus: Economics. Zitiert
nach: Peter Thal: Politische Ökonomie, in: Enzyklopädie zu Philosophie und
Wissenschaften, Bd. 3, S. 795 f.)
Während
Samuelson also den Fokus auf einen effizienten Einsatz von Ressourcen und eine
möglichst optimale Verteilung legt, geht es dem Marxismus ausdrücklich um das
Verhältnis zwischen Menschen, d. h. um den gesellschaftlichen Arbeitsprozess
und die Aneignung der Arbeitsprodukte. Lenin hat das für die bürgerliche
Ökonomie seiner Zeit so ausgedrückt: „Wo die bürgerlichen Ökonomen ein
Verhältnis von Dingen sahen […], dort enthüllte Marx ein Verhältnis von
Menschen“.
Wo
Wirtschaftswissenschaftler jedoch auf Eigentumsverhältnisse eingehen, wie z. B.
der Franzose Thomas Piketty unlängst in seinem Buch „Capital in the
Twenty-First Century“ bekommen sie Kontra.
Vor
allem wenn es darum geht herauszufinden, warum es zu diesen Krisen des
Kapitalismus kommt, werden selbst von „seriösen“ Publizisten oder Wissenschaftlern
manches Mal Erklärungen bemüht, die kaum mehr sind als vulgärökonomische Thesen
oder simpler Antimarxismus: So versuchte kürzlich der Medienwissenschaftler
Prof. N. Bolz die heftige internationale Resonanz auf die Kritik des
französischen Ökonomen Thomas Piketty an der zunehmenden Ungerechtigkeit
und Ungleichheit der Einkommen mit dem Satz abzuwürgen: „Das Problem der
Ungleichverteilung ist unlösbar. Kapitalismuskritik ist politische Romantik.“
(Zitiert nach „stern“ vom 10.7.14, S. 71)
(Zitiert nach „stern“ vom 10.7.14, S. 71)
Ein
Jahr zuvor hatte Bolz in einer Schweizer Zeitschrift die nach seiner Meinung in
Deutschland viel zu starke antikapitalistische Grundströmung im Gefolge der
„68er-Bewegung“ an den deutschen Universitäten beklagt:
„Studenten und Professoren haben vor allem an geisteswissenschaftlichen Fakultäten heute eine gute Chance, in ein Treibhaus der Weltfremdheit hineinzugeraten. Eine Gesellschaft, die sich weder an erfahrungsgesättigter Moral noch an bürgerlicher Tradition und gesundem Menschenverstand orientieren kann, wird zum Spielfeld eines Tugendterrors, der in Universitäten, Redaktionen und Antidiskriminierungsämtern ausgebrütet wird … Im Zuge der Weltfinanzkrise haben die Linksintellektuellen den Antikapitalismus als Geschäftsmodell wieder entdeckt. Da sie nichts vom System einer modernen durchmonetarisierten Wirtschaft verstehen, verteufeln sie den Mammon. Da sie trotz Marx-Lektüre mit einer konsequenten Ignoranz in allem, was „das Kapital“ betrifft, gesegnet sind, besorgen sie das Geschäft der Dämonisierung. So ist wieder eine politische Romantik entstanden, die den Ohnmächtigen und Ratlosen suggeriert, das Böse der Welt würde sich in der Wall Street konzentrieren. Das ist der geistige Flurschaden, den die Finanzkrise in den Gemütern vieler Menschen angerichtet hat.“
„Studenten und Professoren haben vor allem an geisteswissenschaftlichen Fakultäten heute eine gute Chance, in ein Treibhaus der Weltfremdheit hineinzugeraten. Eine Gesellschaft, die sich weder an erfahrungsgesättigter Moral noch an bürgerlicher Tradition und gesundem Menschenverstand orientieren kann, wird zum Spielfeld eines Tugendterrors, der in Universitäten, Redaktionen und Antidiskriminierungsämtern ausgebrütet wird … Im Zuge der Weltfinanzkrise haben die Linksintellektuellen den Antikapitalismus als Geschäftsmodell wieder entdeckt. Da sie nichts vom System einer modernen durchmonetarisierten Wirtschaft verstehen, verteufeln sie den Mammon. Da sie trotz Marx-Lektüre mit einer konsequenten Ignoranz in allem, was „das Kapital“ betrifft, gesegnet sind, besorgen sie das Geschäft der Dämonisierung. So ist wieder eine politische Romantik entstanden, die den Ohnmächtigen und Ratlosen suggeriert, das Böse der Welt würde sich in der Wall Street konzentrieren. Das ist der geistige Flurschaden, den die Finanzkrise in den Gemütern vieler Menschen angerichtet hat.“
(N. Bolz: hauptsache links. In „schweizer
monat“, Ausgabe 1008/juni 2013 www.schweizermonat.ch/artikel/hauptsache –links)
Antikapitalismus
als „politische Romantik“, als „Dämonisierung“, die den Ohnmächtigen
suggeriert, das habe etwas mit dem großen Kapital zu tun.
So kann nur jemand sprechen, der ein Interesse daran hat, dass nicht näher nachgedacht und nachgefragt wird, was denn hinter dem Kaleidoskop von Meinungen und Erklärungsversuchen für die tiefe Krise des Kapitalismus steckt.
So kann nur jemand sprechen, der ein Interesse daran hat, dass nicht näher nachgedacht und nachgefragt wird, was denn hinter dem Kaleidoskop von Meinungen und Erklärungsversuchen für die tiefe Krise des Kapitalismus steckt.
… oder Appell an das „soziale Gewissen“?
Doch es
gibt noch eine andere Art von Ignoranz gegenüber einer fundierten
Antikapitalismus-Kritik. Der Historiker Hans-Ulrich Wehler machte in einem kurz
vor seinem Tod aufgenommenen Interview die Grenzen einer Kritik an sozialen
Ungerechtigkeiten deutlich, die sich nicht traut die Systemfrage zu stellen und
sich mit Appell an die Rückbesinnung auf einen moderaten Sozialdemokratismus
begnügt.
Denn für Wehler ist die berechtigte Kritik und Abwehr „zunehmender Ungerechtigkeit“ kein Grund den Kapitalismus in Frage zu stellen. Wehler beruhigte: „Ich will keinen Aufruhr, keine Revolte. Ich möchte keinen Sturm auf das Palais Oetker (Wehler spielt hier auf den Sturm auf das zaristische „Winterpalais“ in Petrograd an, der den Beginn der großen sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 markierte.) Ich will Druck auf die Parteien. Ich hoffe immer noch auf die SPD, dass die ihr soziales Gewissen wieder aufleben lässt.“ („stern“ vom 10.7.14, S. 77)
Denn für Wehler ist die berechtigte Kritik und Abwehr „zunehmender Ungerechtigkeit“ kein Grund den Kapitalismus in Frage zu stellen. Wehler beruhigte: „Ich will keinen Aufruhr, keine Revolte. Ich möchte keinen Sturm auf das Palais Oetker (Wehler spielt hier auf den Sturm auf das zaristische „Winterpalais“ in Petrograd an, der den Beginn der großen sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 markierte.) Ich will Druck auf die Parteien. Ich hoffe immer noch auf die SPD, dass die ihr soziales Gewissen wieder aufleben lässt.“ („stern“ vom 10.7.14, S. 77)
Es ist
nicht nur wegen solcher Einlassungen für Marxisten und für aktive
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wichtig zu begreifen, warum solche – im
Einzelfall sogar ehrlich gemeinte – Kritik zum Scheitern verurteilt ist.
Wenn man einen Bogen um grundlegende Erkenntnisse der marxistischen Kritik des Kapitalismus macht, landet man schließlich in der Sackgasse der ganz normalen systemfrommen Kritik des Reformismus.
Deshalb muss man wissen, wie und auf welcher Grundlage sich marxistische Kapitalismusanalyse und -kritik entwickelt hat und worauf sie sich stützt.
Karl Marx hatte in seiner Kritik der Politischen Ökonomie den Leitfaden für seine
eigenen Untersuchungen so beschrieben:
„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen“.
(Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, S. 8.9)
Wenn man einen Bogen um grundlegende Erkenntnisse der marxistischen Kritik des Kapitalismus macht, landet man schließlich in der Sackgasse der ganz normalen systemfrommen Kritik des Reformismus.
Deshalb muss man wissen, wie und auf welcher Grundlage sich marxistische Kapitalismusanalyse und -kritik entwickelt hat und worauf sie sich stützt.
Marx‘ Definition der „Politischen Ökonomie“
„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen“.
(Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, S. 8.9)
Damit
formulierte er das entscheidende Begriffspaar für das Geschichtsverständnis von
Marxisten: Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte.
Die
Produktivkräfte einer Gesellschaft sind die in der Produktion genutzten
Arbeitsinstrumente, Rohstoffe und die produktiven Fähigkeiten der Menschen.
Hier besteht ein enger Zusammenhang mit den sozialen Verhältnissen:
Erwerben die Menschen neue Produktivkräfte, so gestalten sie damit auch die Art und Weise der Produktion neu.
Verändern sie wiederum ihre Produktionsweise, so ändert sich damit überhaupt die Art und Weise, wie die Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen.
Hier besteht ein enger Zusammenhang mit den sozialen Verhältnissen:
Erwerben die Menschen neue Produktivkräfte, so gestalten sie damit auch die Art und Weise der Produktion neu.
Verändern sie wiederum ihre Produktionsweise, so ändert sich damit überhaupt die Art und Weise, wie die Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen.
Marx
hat das im Winter 1846/47 folgendermaßen illustriert:
„Die Handmühle ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren,die Dampfmühle eine Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten.“
„Die Handmühle ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren,die Dampfmühle eine Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten.“
(Karl Marx: Das Elend der Philosophie. MEW 4,
S. 130)
Produktionsverhältnisse
bezeichnen Friedrich Engels zufolge wiederum die „Bedingungen und Formen, unter
denen die verschiednen menschlichen Gesellschaften produziert und ausgetauscht und
unter denen sich demgemäß jedesmal die Produkte verteilt haben“
(Friedrich Engels, „Anti-Dühring“, MEW 20, S.
139).
Wichtig
ist hierbei der Zusammenhang zwischen Produktion und Austausch der Produkte auf
der einen Seite, sowie die Verteilung der Produkte auf der anderen Seite.
Denn die moderne Produktionsweise, d. h. die „ große Industrie, die heutige Kreditausbildung“ und die dazugehörige freie Konkurrenz wäre wohl kaum denkbar ohne „große Kapitalisten und lebenslängliche Lohnarbeiter“
(Friedrich Engels, a. a. O., S. 135)
Denn die moderne Produktionsweise, d. h. die „ große Industrie, die heutige Kreditausbildung“ und die dazugehörige freie Konkurrenz wäre wohl kaum denkbar ohne „große Kapitalisten und lebenslängliche Lohnarbeiter“
(Friedrich Engels, a. a. O., S. 135)
Wie
Marx in seinen autobiographischen Texten dargelegt hat, bestand seine
Motivation für sein Hauptwerk „Das Kapital“ in der „Erforschung der
ökonomischen Struktur der modernen, d. h. der kapitalistischen Gesellschaft“,
denn Rechtsverhältnisse wie Staatsformen oder Eigentumsverhältnisse wurzeln in
den materiellen Lebensverhältnissen, deren Anatomie „in der politischen Ökonomie
zu suchen sei“
(Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, S. 8)
(Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, S. 8)
Theoretische Quellen der marxistischen Politischen Ökonomie
Marx’
Anknüpfungspunkt für seine ökonomische Analyse war die englische
Nationalökonomie des 18. Jahrhunderts, deren bedeutendste Vertreter Adam Smith
(1723–1790) und David Ricardo (1772–1823) waren.
Die
Politische Ökonomie war damals noch eine junge Wissenschaft, die noch stark von
den Grundsätzen der Physiokraten beeinflusst war, eine ökonomische Schule des
18. Jahrhunderts, gegründet von François Quesnay (1694–1774).
Die
Ökonomen dieser Schule hatten zwei bemerkenswerte Ansätze entwickelt: Sie
unternahmen erstmalig den Versuch, den gesamten Wirtschaftskreislauf
(Reproduktionsprozess) eines Landes zu untersuchen und darzustellen.
Arbeit
als Quelle von Reichtum – diese Vorstellung finden wir nicht nur bei den
Physiokraten, sondern auch bei Adam Smith, der erstmalig einen modernen Begriff
von Reichtum entwickelt hat. Reichtum besteht Smith zufolge eben nicht darin,
„dass ein Reicher viel besitzt oder viele Grundstücke hat“. Sondern vielmehr
darin, über das Ergebnis der Arbeit anderer und damit über eine ständige
Gewinnquelle verfügen zu können.“
(Werner Rügemer: Arm und Reich. Transcript
Verlag, 2003, S. 25)
Das ist
genau dann möglich, denn den Arbeitenden solle nicht der volle Gegenwert ihrer
Arbeit, sondern nur ein Betrag zur Befriedigung ihrer unmittelbaren Bedürfnisse
gezahlt werden. Schreibt dann auch Smith: Es sei nur recht und billig, „wenn
diejenigen, die alle ernähren, kleiden und mit Wohnung versorgen“ – also die
Arbeiter – „soviel vom Ertrag der eigenen Arbeit bekommen sollen, dass sie sich
selbst richtig ernähren, ordentlich kleiden und anständig wohnen können.“
(Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen.
Deutscher Taschenbuch Verlag, 1978, S. 68)
Adam
Smith formulierte auch den Kernsatz der Arbeitswertlehre, der wie folgt lautet:
Der Wert einer Ware wird durch die in ihr enthaltene Arbeitszeit bestimmt.
Damit
wird der Marktpreis, den Markteilnehmer für ihre Waren aushandeln, mit der für
ihre Produktion notwendigen Arbeitszeit in Beziehung gesetzt.
David
Ricardo führte diesen Weg noch konsequenter fort; und genauso wie Smith
erklärte er alle Formen des Einkommens (Grundrente, Lohn und Profit) auf Arbeit
zurück.
Ihr
Widerspruch bestand jedoch darin: Wenn weder Grundeigentümer noch Kapitalisten
arbeiten, wie kann ihr Einkommen auf Arbeit zurückgeführt werden? Die Antwort
darauf gibt uns die Mehrwerttheorie von Karl Marx.
Der
Schlüssel zur Mehrwerttheorie liegt im Verständnis der Warenproduktion, deren
entwickelteste Form die kapitalistische Gesellschaft ist. Eine Ware kann
einerseits ein nützliches Ding sein, das ein menschliches Bedürfnis befriedigt,
andererseits werden Waren gegeneinander ausgetauscht. Eine Ware kann daher nach
zweierlei Maß bemessen werden: nach Gebrauchswert und Tauschwert.
Der
Tauschwert einer Ware kommt im millionenfachen Tauschakt zwischen Waren zum
Ausdruck. Er wird daher bestimmt durch die gesellschaftlich durchschnittliche
Arbeitszeit, die zu ihrer Herstellung bzw. Wiederherstellung notwendig ist. Im
Unterschied zum Preis einer einzelnen Ware, der räumlich und zeitlich schwanken
kann, besteht ihr Tauschwert aus einem gesellschaftlichen Durchschnitt; denn
der Tauschwert ist eine Größe, in der sich der gesellschaftliche Zusammenhang
zwischen den einzelnen Produzenten zeigt, die durch den Markt vereinigt sind.
Im
Verlauf der Geschichte entwickelte sich auch das Geld, eine besondere Form, in
der sich der Tauschwert zeigt. Dadurch mussten nicht mehr alle Warenarten
miteinander verglichen werden, durch gesellschaftliche Gewohnheit wurde die
Ware Gold zu jener speziellen Ware, die zum allgemeinen Vergleich der
Warenwerte verwandt wurde. Und auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der
Warenproduktion verwandelt sich Geld in Kapital. Waren werden nicht mehr nur
verkauft, um andere Waren zu erhalten und damit menschliche Bedürfnisse zu
befriedigen. Sondern vielmehr werden Waren gekauft, um sie mit Profit wieder zu
verkaufen. Marx nennt diesen Zuwachs zum ursprünglichen Wert des in Umlauf
gebrachten Geldes Mehrwert.
Das
Kapital ist also auch ein gesellschaftliches Verhältnis: Die Arbeitskraft des
Menschen wird zur Ware. Ihr Gebrauchswert für den Kapitalisten besteht darin,
Quelle von Mehrwert zu sein. Ihr Tauschwert wiederum besteht in der
gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die zu ihrer Wiederherstellung
notwendig ist. Die Arbeitenden beziehen also einen Lohn, der sie befähigt, ihre
Arbeitskraft wiederherstellen zu können. Einen Teil des Arbeitstages bringen
sie also auf, um den Gegenwert ihres Lohns zu erarbeiten; den anderen Teil
arbeiten sie unentgeltlich für den Kapitalisten.
Armut
und Reichtum kommen demnach nicht unrechtmäßig oder durch willkürliche
Verteilung, durch Finanzschiebereien oder „Maßlosigkeit von Kasinokapitalisten“
zustande.
Vielmehr liegt ein Widerspruch im bürgerlichen Recht selbst, das vorgibt, alle Warenbesitzer gleichermaßen, also sowohl Käufer als auch Verkäufer der Ware Arbeitskraft schützen zu wollen.
Marx kommentierte das so: Es steht „Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warenaustausches besiegelt“. Und zwischen gleichen Rechten „entscheidet die Gewalt.“
Vielmehr liegt ein Widerspruch im bürgerlichen Recht selbst, das vorgibt, alle Warenbesitzer gleichermaßen, also sowohl Käufer als auch Verkäufer der Ware Arbeitskraft schützen zu wollen.
Marx kommentierte das so: Es steht „Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warenaustausches besiegelt“. Und zwischen gleichen Rechten „entscheidet die Gewalt.“
(Karl Marx: Das Kapital. MEW 23, S. 24).
Das ist
der Grund für den andauernden Kampf in der Geschichte der kapitalistischen
Produktion zwischen der Klasse der Kapitalisten und der Arbeiterklasse.
von
Hans-Peter Brenner/Pablo Graubner
Übernommenaus UZ Nr 30/31 2014
Den vollständigen Text Lenins „Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus“ findet Ihr in der Rubrik "Hintergrund" als zweite Schrift auf dieser Seite.
Den vollständigen Text Lenins „Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus“ findet Ihr in der Rubrik "Hintergrund" als zweite Schrift auf dieser Seite.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen