Samstag, 23. August 2014

Ernst Thälmann – der Kommunist

Vor 70 Jahren wurde Thälmann im KZ Buchenwald ermordet

Ernst Thälmann gehörte zu jenen Kommunisten, die noch vor der Reichstagswahl am 5. März 1933 verhaftet wurden. Nachdem es den Faschisten nicht gelungen war, einen Prozess gegen den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands zu inszenieren, behielt sich Hitler die persönlichen Entscheidungen über seine Haftbedingungen vor. Doch Thälmann ließ sich von den Versprechungen, die ihm mehrmals im Auftrage Hitlers angetragen wurden, nicht blenden.

Ungebeugt von der Einzelhaft blieb Thälmann, wie viele Kommunisten in den Konzentrationslagern. Doch dann am 14. August 1944 erteilte Hitler bei einem Vortrag von Himmler diesem sein Einverständnis, Thälmann zu liquidieren, was
ein SS-Kommando am 18. August im Krematorium in Buchenwald vollzog.

Als linker Sozialdemokrat

Ernst Thälmann war Partei- und Gewerkschaftsfunktionär in Hamburg. Hier stand er immer auf dem linken Flügel der Arbeiterorganisationen und kämpfte als Kutscher und Hafenarbeiter gegen die sich entwickelnde Bürokratie stets um die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter. Besonders lag es ihm daran, den 1. Mai zum Kampf und nicht zum Bierfeiertag für die Arbeiterklasse zu machen.

Er gehörte auch nicht zu den Freiwilligen, die sich nach der Generalmobilmachung für einen Fronteinsatz meldeten und wurde 1915 eingezogen. Fast ein Jahr später wurde Thälmann an der Westfront als Kanonier eingesetzt, stand vor einem Kriegsgericht „wegen Beleidigung Vorgesetzter und Beharrens im Ungehorsam“ und kämpfte nach seiner Militärhaft als Pferdepfleger und im Schützengraben in der Champagne und vor Verdun.

Nach einer schweren Verwundung im Genesungsurlaub half er seiner Frau Rosa, die er noch 1915 kurz vor seiner Einberufung geheiratet hatte, bei ihrer Arbeit auf einem Holzplatz und seinem Vater schwere Lasten zu tragen. Das alles ist in seinem „Kriegstagebuch“, Notizen in seinen Gewerkschaftskalendern, nachzulesen.

Auch, dass er sich in seinem Urlaub mit seinen Genossen traf, die im Hafen arbeiteten, und wie Rosa, ihm die Folgen des Krieges in der Heimat berichteten. In seinem Fronturlaub 1917 nahm er an den ersten illegalen Versammlungen der USPD in Hamburg teil, der er nach seiner Rückkehr von der Front 1918 sofort beitrat.

Der Übertritt zur Kommunistischen Partei

Die Hamburger USPD delegierte ihn 1919 als ihren Abgeordneten in die Hamburger Bürgerschaft. 1920 trat Thälmann, inzwischen zum Vorsitzenden der USPD-Ortsgruppe gewählt, mit dieser nahezu geschlossen auf dem Parteitag in Halle/Saale im Dezember der Vereinigten Kommunistischen Partei bei. In seinen Reden vor dem Kommunalparlament entwickelte er in polemischer Argumentation bemerkenswerte Grundsätze kommunistischer Kommunalpolitik.

Er stand bis 1920 in linker Opposition zu Heinrich Brandler, dem KPD-Vorsitzenden und hatte auch im August 1923 auf einer Sitzung der Komintern vor einem geplanten bewaffneten Aufstand gewarnt, wenn dieser nicht gründlich vorbereitet sei und von der Mehrheit der Arbeiterklasse nicht getragen werde.

Als durch ein Missverständnis der Aufstand in Hamburg ausgelöst wurde, stand Thälmann dennoch an der Spitze der isoliert kämpfenden Arbeiter und leitete den Rückzug ein, als ihm Fritz Heckert dazu die Anweisung gab.

Zunächst stand Thälmann an der Seite von Ruth Fischer und wurde im Dezember 1924 in den Deutschen Reichstag gewählt. Doch er wandte sich von ihr ab als er beobachtete, wie sie die KPD von den Arbeitermassen isolierte, indem sie die Grundsätze der Gewerkschaftspolitik grob verletzte.

So wurde dann 1925 der Hamburger Hafenarbeiter auf Empfehlung des Vorsitzenden des Präsidiums des Exekutivkomitees der Kommunistischen  Internationale (Komintern), Grigori Sinowjew, zum Vorsitzenden der KPD gewählt.
Seit 1927 gehörte dann Thälmann als Mitglied auch ihrem Präsidium an.

Über Thälmanns Arbeitsstil

Thälmann, der auf dem III. Komintern-Kongress 1921 Lenin kritisierte, studierte nach dessen Tod intensiv seine Schriften und entwickelte sich bald zum Verteidiger der leninschen Strategie und Taktik im Klassenkampf.

Trotz seiner Funktionen blieb er, der ehemalige Hafenarbeiter und
Gewerkschaftsfunktionär, in den folgenden Jahren an der Seite seiner Kollegen.

Oftmals war der KPD-Vorsitzende im Gebiet des Hamburger Hafens anzutreffen oder er diskutierte in Hafenkneipen mit Genossen der Hafenparteigruppe, bevor er an Sitzungen der Hamburger Parteileitung teilnahm.

Der Arbeitsstil Thälmanns blieb für einen Parteivorsitzenden unkonventionell. Zwischen den Sitzungen des Präsidiums der Komintern, der des Politbüros oder des ZK der KPD nahm er oftmals an Sitzungen der „Bruderparteien“ teil, den zurKomintern gehörenden Kommunistischen Parteien, und war zwischendurch immer wieder bei den Hamburger Hafenarbeitern.

Er diskutierte aber auch im Ruhrgebiet, traf sich dort mit Bergarbeitern und reiste durch ganz Deutschland, wenn Neuwahlen zum Deutschen Reichstag anstanden.
Dann sprach er auf Großveranstaltungen. Wenn Thälmann kam waren Säle, ja ganze Stadien gefüllt. Er argumentierte scharf und überzeugte die Menschen.

An der Spitze des Roten Frontkämpferbundes

Gegen die nationalistischen Kriegervereine gründete die KPD den Roten Frontkämpferbund (RFB), dessen Leitung Thälmann übertragen wurde, der wusste welches Leid der „Frontkämpfer“ im Weltkrieg hatte ertragen müssen.

Er formte den Bund zu einer disziplinierten politisch schlagkräftigen Formation, die ihrem Gegner Respekt einflößte. Er wurde oft zum Schutz der Parteiveranstaltungen eingesetzt. Thälmann überzeugte die Genossen auch sich nicht provozieren zu lassen als regierende Sozialdemokraten den Roten Frontkämpferbund (gegen den Widerstand eigener Genossen) 1929 verboten.

Widersprüche im Klassenkampf

Die Führung der Partei war nicht konfliktfrei. Aber der Kampf gegen den deutschen Imperialismus erfolgte ja auch nicht nach vorgezeichneten Beschlüssen. So musste Thälmann auch im Präsidium der Komintern für die Berücksichtung realer Klassenkampferfahrungen in Deutschland kämpfen und konnte nicht immer für seine Vorschläge eine Mehrheit erreichen. Er hielt die Beschlüsse der Komintern dennoch immer diszipliniert ein, versuchte aber stets, sie den deutschen Kampfbedingungen anzupassen.

Die Losung, die er als das Ziel der Kommunisten verfolgte „Heran an die Massen“, konnte nur unter komplizierten Bedingungen umgesetzt werden. So in der Gewerkschaftspolitik, wo die rechten Führer des ADGB, unterstützt von verschiedenen Parteifunktionären, Kommunisten, ja ganze Zahlstellen oderVerbände aus der Gewerkschaft ausschlossen, wenn sie beispielsweise Streikbeschlüsse fassten.

Gegen den Willen Thälmanns, aber mit der Unterstützung einer Mehrheit im Präsidium der Komintern bildeten die Ausgeschlossenen eigene „rote Gewerkschaften“. Diese Taktik isolierte sie zunehmend von der Masse der Gewerkschaftler, worauf Thälmann immer wieder warnend hingewiesen hat.

Die Ausschlüsse kämpfender Genossen aus den freien Gewerkschaften (dem ADGB), die Ermordung von 32 Arbeiterinnen und Arbeitern am 1. und 2. Mai 1929 in Berlin durch den sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Karl Zörgiebel (dem Blutmai) und das Verbot des RFB durch eine sozialdemokratisch geführte Regierung, verschärften die Klassenauseinandersetzungen, in denen Thälmann stets die Genossen mahnte, die sozialdemokratischen Führer nicht mit den sozialdemokratischen Arbeitern gleichzusetzen.

Sozialdemokratische Arbeiter sind keine Sozialfaschisten

Doch nicht immer konnte Thälmann die Wirkung des politischen Kampfes auf die Parteimitglieder auffangen. Viele revolutionär gestimmte Arbeiter griffen nur zu gern die These von den Sozialdemokraten als Sozialfaschisten auf, die im Januar
1924 von Sinowjew zur Charakterisierung der Sozialdemokraten verwendet wurde, die 1919 die Revolution in Zusammenarbeit mit den Reichswehrbrigaden blutig niedergeschlagen und 1923 wieder die Reichswehr gegen revolutionär kämpfende
Arbeiter als mordende Truppe eingesetzt hatten.

Die Tatsachen waren unstreitig, der Begriff für sie falsch gewählt. Von Stalin verwendet, fand er dann Eingang in verschiedene Dokumente der Komintern. Thälmann argumentierte gegen diesen Terminus in seinen Reden im Plenum der Komintern und vor Parteifunktionären. Er schätzte berechtigt ein, dass dieser Begriff in der Argumentation die kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiter in den Betrieben trennt und ihre Einheitsfront gegen den drohenden Faschismus unzulässig belastet. Trotz seiner Mahnungen wurden seine Manuskripte jedoch vielfach von den Redakteuren der KPD-Presse mit diesem Terminus belastet.

Eines ihrer entlastenden Argumente für diese Handlungsweise bestand darin, damit
einem verbindlichen Beschluss der Komintern zu entsprechen.

Otto Wels vertiefte die Kluft von Sozialdemokraten und Kommunisten

Am 11. Juni 1932 sprach Thälmann im Berliner Sportpalast und rief den sozialdemokratischen Arbeitern zu: Wir bieten allen die Hand, die mit uns gegen den Kapitalismus kämpfen. Und er diskutierte in Berlin stundenlang mit sozialdemokratischen Funktionären. In diese sich anbahnende Einheitsfront gegen Kapital und Faschismus wirkte die Rede von Otto Wels auf dem Leipziger Parteitag 1931 sprengend.

In seinem Rechenschaftsbericht gab der Vorsitzende der SPD die verhängnisvolle Parole aus, Kommunisten und Faschisten seien Zwillingsbrüder und der „Vorwärts“ griff sie umgehend auf, dass es mit den „roten Faschisten“ keine Zusammenarbeit gäbe.

Wenn schon der Terminus „Sozialfaschismus“ in der realen Klassenkampfsituation gefährlich war, so wurde die öffentliche Situation mit der sinnlosen Losung von „roten Faschisten“ noch mehr belastet und verhinderte letztlich auch auf der Parteiausschusssitzung der SPD mit Vertretern der Reichstagsfraktion am 31. Januar 1933 die Unterstützung des Generalstreikaufrufes der KPD gegen das Hitler-Papen-Kabinett vom 30. Januar 1933. Die Einsicht verschiedener sozialdemokratischer Funktionäre, aber auch von Kommunisten, sich gegenseitig misstraut zu haben und falschen Losungen gefolgt zu sein, kam zu spät.

Thälmann hatte trotz aller Widersprüche und Hindernisse, vor allem in den Jahren der Weltwirtschaftskrise den Masseneinfluss der Partei wiederhergestellt, der ihr nach 1923 verloren gegangen war. Vor allem die Arbeit der Kommunisten in den Betrieben (in denen es noch Betriebsgruppen gab) und unter den Arbeitslosen brachte der KPD bei den Wahlen 1932 zunehmende Gewinne ein. Wenn auch nur noch 11 Prozent der Parteimitglieder von 300 000 in Arbeit standen, wurde das Ergebnis bei der Novemberwahl 1932 zum Deutschen Reichstag mit fast 6 Millionen Stimmen (16,9 Prozent) und 100 Reichstagsabgeordneten ein voller Erfolg für die Thälmannsche Parteiführung.

Zu dieser Zeit (im Herbst 1932) waren offiziell 5 110 000 registrierte Menschen ohne Arbeit (die Quote betrug 22,6 Prozent), 44,4 Prozent der Arbeiter mussten Kurzarbeit hinnehmen. Insgesamt waren nur noch 33 Prozent der Arbeiter und Angestellten vollbeschäftigt.

Ansätze einer neuen Strategie im Kampf gegen den Faschismus

Als es einer Mehrheitsgruppe im deutschen Finanzkapital Ende Januar 1933 gelungen war, die politische Macht in Deutschland der Hitler-Clique in der Hoffnung zuzuschieben, Sozialdemokraten und Kommunisten auszuschalten, die SPD aber den Generalstreikaufruf der KPD gegen das Hitler-Kabinett trotzdem nicht unterstützte, warnte Thälmann vor jeder Spielerei mit einem spontanen „bewaffneten Aufstand“, den er als unverantwortlich ablehnte. 

In seiner Rede vor ZK-Mitgliedern und führenden Funktionären der KPD im Februar in Ziegenhals hat er auch der Auffassung entschieden widersprochen, dass ein Generalstreik zwangsläufig in einen bewaffneten Aufstand übergehen muss und dass ein Sieg über Hitler und den Faschismus mit einem Generalstreik noch keinen Sieg in der proletarischen Revolution bedeuten würde.

Für ein Mitglied der Führungsgruppe der Komintern war das der Ansatz, für eine neue Taktik im Kampf gegen die faschistische Herrschaft, die erst Georgi Dimitroff nach seinem Erfolg im Berliner Reichstagsbrandprozess in der Kommunistischen Internationale 1934 und 1935 weiterentwickeln und mit Unterstützung von Wilhelm Pieck und Palmiro Togliatti von der italienischen Kommunistischen Partei durchsetzen konnte.

Schon auf dem XIII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale war 1933 der Faschismus in Deutschland als „… offene terroristische Diktatur, der am meisten reaktionären chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals…“ eingeschätzt, eine Bewertung, die Georgi Dimitroff 1935 nur noch zu unterstützen und vertiefen brauchte.

Heinrich Mann schrieb zum 50. Geburtstag von Ernst Thälmann 1936: „Ernst Thälmann ist ein wirklicher Arbeiter mit Fäusten und einem gesunden Verstand“ – eben, das Vorbild für Kommunisten.

Von Eberhard Czichon, aus UZ - unsere zeit, 15. August 2014

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