Ernst
Thälmann gehörte zu jenen Kommunisten, die noch vor der Reichstagswahl am 5.
März 1933 verhaftet wurden. Nachdem es den Faschisten nicht gelungen war, einen
Prozess gegen den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands zu
inszenieren, behielt sich Hitler die persönlichen Entscheidungen über seine Haftbedingungen
vor. Doch Thälmann ließ sich von den Versprechungen, die ihm mehrmals im Auftrage
Hitlers angetragen wurden, nicht blenden.
Ungebeugt
von der Einzelhaft blieb Thälmann, wie viele Kommunisten in den
Konzentrationslagern. Doch dann am 14. August 1944 erteilte Hitler bei einem
Vortrag von Himmler diesem sein Einverständnis, Thälmann zu liquidieren, was
ein
SS-Kommando am 18. August im Krematorium in Buchenwald vollzog.
Ernst
Thälmann war Partei- und Gewerkschaftsfunktionär in Hamburg. Hier stand er
immer auf dem linken Flügel der Arbeiterorganisationen und kämpfte als Kutscher
und Hafenarbeiter gegen die sich entwickelnde Bürokratie stets um die Interessen
der Arbeiterinnen und Arbeiter. Besonders lag es ihm daran, den 1. Mai zum
Kampf und nicht zum Bierfeiertag für die Arbeiterklasse zu machen.
Er
gehörte auch nicht zu den Freiwilligen, die sich nach der Generalmobilmachung für
einen Fronteinsatz meldeten und wurde 1915 eingezogen. Fast ein Jahr später
wurde Thälmann an der Westfront als Kanonier eingesetzt, stand vor einem
Kriegsgericht „wegen Beleidigung Vorgesetzter und Beharrens im Ungehorsam“ und kämpfte
nach seiner Militärhaft als Pferdepfleger und im Schützengraben in der
Champagne und vor Verdun.
Nach
einer schweren Verwundung im Genesungsurlaub half er seiner Frau Rosa, die er noch
1915 kurz vor seiner Einberufung geheiratet hatte, bei ihrer Arbeit auf einem
Holzplatz und seinem Vater schwere Lasten zu tragen. Das alles ist in seinem
„Kriegstagebuch“, Notizen in seinen Gewerkschaftskalendern, nachzulesen.
Auch,
dass er sich in seinem Urlaub mit seinen Genossen traf, die im Hafen
arbeiteten, und wie Rosa, ihm die Folgen des Krieges in der Heimat berichteten.
In seinem
Fronturlaub 1917 nahm er an den ersten illegalen Versammlungen der USPD in
Hamburg teil, der er nach seiner Rückkehr von der Front 1918 sofort beitrat.
Der Übertritt zur Kommunistischen Partei
Die
Hamburger USPD delegierte ihn 1919 als ihren Abgeordneten in die Hamburger
Bürgerschaft. 1920 trat Thälmann, inzwischen zum Vorsitzenden der
USPD-Ortsgruppe gewählt, mit dieser nahezu geschlossen auf dem Parteitag in
Halle/Saale
im Dezember der Vereinigten Kommunistischen Partei bei. In seinen Reden vor dem
Kommunalparlament entwickelte er in polemischer Argumentation bemerkenswerte
Grundsätze kommunistischer Kommunalpolitik.
Er
stand bis 1920 in linker Opposition zu Heinrich Brandler, dem KPD-Vorsitzenden
und hatte auch im August 1923 auf einer Sitzung der Komintern vor einem geplanten
bewaffneten Aufstand gewarnt, wenn dieser nicht gründlich vorbereitet sei und
von der Mehrheit der Arbeiterklasse nicht getragen werde.
Als
durch ein Missverständnis der Aufstand in Hamburg ausgelöst wurde, stand
Thälmann dennoch an der Spitze der isoliert kämpfenden Arbeiter und leitete den
Rückzug ein, als ihm Fritz Heckert dazu die Anweisung gab.
Zunächst
stand Thälmann an der Seite von Ruth Fischer und wurde im Dezember 1924 in den Deutschen
Reichstag gewählt. Doch er wandte sich von ihr ab als er beobachtete, wie sie
die KPD von den Arbeitermassen isolierte, indem sie die Grundsätze
der Gewerkschaftspolitik grob verletzte.
So
wurde dann 1925 der Hamburger Hafenarbeiter auf Empfehlung des Vorsitzenden des
Präsidiums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (Komintern), Grigori Sinowjew,
zum Vorsitzenden der KPD gewählt.
Seit 1927
gehörte dann Thälmann als Mitglied auch ihrem Präsidium an.
Über Thälmanns Arbeitsstil
Thälmann,
der auf dem III. Komintern-Kongress 1921 Lenin kritisierte, studierte nach
dessen Tod intensiv seine Schriften und entwickelte sich bald zum Verteidiger
der leninschen Strategie und Taktik im Klassenkampf.
Trotz
seiner Funktionen blieb er, der ehemalige Hafenarbeiter und
Gewerkschaftsfunktionär,
in den folgenden Jahren an der Seite seiner Kollegen.
Oftmals
war der KPD-Vorsitzende im Gebiet des Hamburger Hafens anzutreffen oder er
diskutierte in Hafenkneipen mit Genossen der Hafenparteigruppe, bevor er an
Sitzungen der Hamburger Parteileitung teilnahm.
Der
Arbeitsstil Thälmanns blieb für einen Parteivorsitzenden unkonventionell.
Zwischen den Sitzungen des Präsidiums der Komintern, der des Politbüros oder
des ZK der KPD nahm er oftmals an Sitzungen der „Bruderparteien“ teil, den zurKomintern
gehörenden Kommunistischen Parteien, und war zwischendurch immer wieder bei den
Hamburger Hafenarbeitern.
Er
diskutierte aber auch im Ruhrgebiet, traf sich dort mit Bergarbeitern und
reiste durch ganz Deutschland, wenn Neuwahlen zum Deutschen Reichstag
anstanden.
Dann
sprach er auf Großveranstaltungen. Wenn Thälmann kam waren Säle, ja ganze
Stadien gefüllt. Er argumentierte scharf und überzeugte die Menschen.
An der Spitze des Roten Frontkämpferbundes
Gegen
die nationalistischen Kriegervereine gründete die KPD den Roten
Frontkämpferbund (RFB), dessen Leitung Thälmann übertragen wurde, der wusste
welches Leid der „Frontkämpfer“ im Weltkrieg hatte ertragen müssen.
Er
formte den Bund zu einer disziplinierten politisch schlagkräftigen Formation,
die ihrem Gegner Respekt einflößte. Er wurde oft zum Schutz der
Parteiveranstaltungen eingesetzt.
Thälmann überzeugte die Genossen auch sich nicht provozieren zu lassen als regierende
Sozialdemokraten den Roten Frontkämpferbund (gegen
den Widerstand eigener Genossen) 1929 verboten.
Widersprüche im Klassenkampf
Die
Führung der Partei war nicht konfliktfrei. Aber der Kampf gegen den deutschen
Imperialismus erfolgte ja auch nicht nach vorgezeichneten Beschlüssen. So
musste Thälmann auch im Präsidium der Komintern für die Berücksichtung realer Klassenkampferfahrungen
in Deutschland kämpfen und konnte nicht immer für seine Vorschläge eine
Mehrheit erreichen. Er hielt die Beschlüsse der Komintern dennoch immer
diszipliniert ein, versuchte aber stets, sie den deutschen Kampfbedingungen anzupassen.
Die
Losung, die er als das Ziel der Kommunisten verfolgte „Heran an die Massen“,
konnte nur unter komplizierten Bedingungen umgesetzt werden. So in der
Gewerkschaftspolitik, wo die rechten Führer des ADGB, unterstützt von
verschiedenen Parteifunktionären, Kommunisten, ja ganze Zahlstellen oderVerbände
aus der Gewerkschaft ausschlossen, wenn sie beispielsweise Streikbeschlüsse
fassten.
Gegen
den Willen Thälmanns, aber mit der Unterstützung einer Mehrheit im Präsidium
der Komintern bildeten die Ausgeschlossenen eigene „rote Gewerkschaften“. Diese
Taktik isolierte sie zunehmend von der Masse der Gewerkschaftler, worauf
Thälmann immer wieder warnend hingewiesen hat.
Die
Ausschlüsse kämpfender Genossen aus den freien Gewerkschaften (dem ADGB), die Ermordung
von 32 Arbeiterinnen und Arbeitern am 1. und 2. Mai 1929 in Berlin durch den
sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Karl Zörgiebel (dem Blutmai) und das
Verbot des RFB durch eine sozialdemokratisch geführte Regierung, verschärften die
Klassenauseinandersetzungen, in denen Thälmann stets die Genossen mahnte, die sozialdemokratischen
Führer nicht mit den sozialdemokratischen Arbeitern gleichzusetzen.
Sozialdemokratische Arbeiter sind keine
Sozialfaschisten
Doch
nicht immer konnte Thälmann die Wirkung des politischen Kampfes auf die
Parteimitglieder auffangen. Viele revolutionär gestimmte Arbeiter griffen nur
zu gern die These von den Sozialdemokraten als Sozialfaschisten auf, die im
Januar
1924
von Sinowjew zur Charakterisierung der Sozialdemokraten verwendet wurde, die
1919 die Revolution in Zusammenarbeit mit den Reichswehrbrigaden blutig
niedergeschlagen und 1923 wieder die Reichswehr gegen revolutionär kämpfende
Arbeiter
als mordende Truppe eingesetzt hatten.
Die
Tatsachen waren unstreitig, der Begriff für sie falsch gewählt. Von Stalin
verwendet, fand er dann Eingang in verschiedene Dokumente der Komintern.
Thälmann argumentierte gegen diesen Terminus in seinen Reden im Plenum der
Komintern und vor Parteifunktionären. Er schätzte berechtigt ein, dass dieser
Begriff in der Argumentation die kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiter
in den Betrieben trennt und ihre Einheitsfront gegen den drohenden Faschismus unzulässig
belastet. Trotz seiner Mahnungen wurden seine Manuskripte jedoch vielfach von
den Redakteuren
der KPD-Presse mit diesem Terminus belastet.
Eines
ihrer entlastenden Argumente für diese Handlungsweise bestand darin, damit
einem
verbindlichen Beschluss der Komintern zu entsprechen.
Otto Wels vertiefte die Kluft von Sozialdemokraten
und Kommunisten
Am 11.
Juni 1932 sprach Thälmann im Berliner Sportpalast und rief den
sozialdemokratischen Arbeitern zu: Wir bieten allen die Hand, die mit uns gegen
den Kapitalismus kämpfen. Und er diskutierte in Berlin stundenlang mit sozialdemokratischen
Funktionären. In diese sich anbahnende Einheitsfront gegen
Kapital und Faschismus wirkte die Rede von Otto Wels auf dem Leipziger
Parteitag 1931 sprengend.
In
seinem Rechenschaftsbericht gab der Vorsitzende der SPD die verhängnisvolle Parole
aus, Kommunisten und Faschisten seien Zwillingsbrüder und der „Vorwärts“ griff
sie umgehend auf, dass es mit den „roten Faschisten“ keine Zusammenarbeit gäbe.
Wenn
schon der Terminus „Sozialfaschismus“ in der realen Klassenkampfsituation
gefährlich war, so wurde die öffentliche Situation mit der sinnlosen Losung von
„roten Faschisten“ noch mehr belastet und verhinderte letztlich auch auf der
Parteiausschusssitzung der SPD mit Vertretern der Reichstagsfraktion am 31.
Januar 1933
die Unterstützung des Generalstreikaufrufes der KPD gegen das
Hitler-Papen-Kabinett vom 30. Januar 1933. Die Einsicht verschiedener sozialdemokratischer Funktionäre,
aber auch von Kommunisten, sich gegenseitig misstraut zu haben und falschen
Losungen gefolgt zu sein, kam zu spät.
Thälmann
hatte trotz aller Widersprüche und Hindernisse, vor allem in den Jahren der
Weltwirtschaftskrise den Masseneinfluss der Partei wiederhergestellt, der ihr
nach 1923 verloren gegangen war. Vor allem die Arbeit der Kommunisten in den
Betrieben (in denen es noch Betriebsgruppen gab) und unter den Arbeitslosen
brachte der KPD bei den Wahlen 1932 zunehmende Gewinne ein. Wenn auch nur noch
11 Prozent der Parteimitglieder von 300 000 in Arbeit standen, wurde das
Ergebnis bei der Novemberwahl 1932 zum Deutschen Reichstag mit fast 6 Millionen
Stimmen (16,9 Prozent) und 100 Reichstagsabgeordneten ein voller Erfolg für die
Thälmannsche Parteiführung.
Zu
dieser Zeit (im Herbst 1932) waren offiziell 5 110 000 registrierte Menschen
ohne Arbeit (die Quote betrug 22,6 Prozent), 44,4 Prozent der Arbeiter mussten
Kurzarbeit hinnehmen. Insgesamt waren nur noch 33 Prozent der Arbeiter und Angestellten
vollbeschäftigt.
Ansätze einer neuen Strategie im Kampf gegen
den Faschismus
Als es
einer Mehrheitsgruppe im deutschen Finanzkapital Ende Januar 1933 gelungen war,
die politische Macht in Deutschland der Hitler-Clique in der Hoffnung
zuzuschieben, Sozialdemokraten und Kommunisten auszuschalten, die SPD aber den
Generalstreikaufruf der KPD gegen das Hitler-Kabinett trotzdem nicht
unterstützte, warnte Thälmann vor jeder Spielerei mit einem spontanen „bewaffneten
Aufstand“, den er als unverantwortlich ablehnte.
In seiner Rede vor ZK-Mitgliedern und führenden Funktionären der KPD im Februar in Ziegenhals hat er auch der Auffassung entschieden widersprochen, dass ein Generalstreik zwangsläufig in einen bewaffneten Aufstand übergehen muss und dass ein Sieg über Hitler und den Faschismus mit einem Generalstreik noch keinen Sieg in der proletarischen Revolution bedeuten würde.
In seiner Rede vor ZK-Mitgliedern und führenden Funktionären der KPD im Februar in Ziegenhals hat er auch der Auffassung entschieden widersprochen, dass ein Generalstreik zwangsläufig in einen bewaffneten Aufstand übergehen muss und dass ein Sieg über Hitler und den Faschismus mit einem Generalstreik noch keinen Sieg in der proletarischen Revolution bedeuten würde.
Für ein
Mitglied der Führungsgruppe der Komintern war das der Ansatz, für eine neue
Taktik im Kampf gegen die faschistische Herrschaft, die erst Georgi Dimitroff
nach seinem Erfolg im Berliner Reichstagsbrandprozess in der Kommunistischen Internationale
1934 und 1935 weiterentwickeln und mit Unterstützung von Wilhelm Pieck und
Palmiro Togliatti von der italienischen Kommunistischen Partei durchsetzen
konnte.
Schon
auf dem XIII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale
war 1933 der Faschismus in Deutschland als „… offene terroristische Diktatur,
der am meisten reaktionären chauvinistischen und imperialistischen Elemente des
Finanzkapitals…“ eingeschätzt, eine Bewertung, die Georgi Dimitroff 1935 nur
noch zu unterstützen und vertiefen brauchte.
Heinrich
Mann schrieb zum 50. Geburtstag von Ernst Thälmann 1936: „Ernst Thälmann ist
ein wirklicher Arbeiter mit Fäusten und einem gesunden Verstand“ – eben, das
Vorbild für Kommunisten.
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