Schlaflose
Nächte wegen unsicherer Arbeitsplätze sind im Kapitalismus an der Tagesordnung.
Die Beschäftigten des Warenhauskonzerns Karstadt trifft es jetzt erneut. Immer
neue Hiobsbotschaften sorgen für Unruhe. Nun ist auch noch die Existenz der
übrig gebliebenen Belegschaft bedroht.
Vier
Jahre nach der Insolvenz und dem Verkauf für einen Euro an den Milliardär
Nicolas Berggruen droht die Zerschlagung des Konzerns. 29 der bundesweit 83
Filialen des Essener Handelsriesen sollen auf einer Schließungsliste stehen.
Heuschreckenpolitik
geht weiter
Der
plötzliche Rücktritt der Ex-Ikea-Managerin Eva Lotta Sjöstedt nach nur fünf
Monaten im Juli ist das Ergebnis einer Heuschreckenpolitik, die mit der
Zerschlagung unter Thomas Middelhoff begann. Berggruen, der die insolvente
Arcandor AG im Jahre 2010 übernahm, entpuppte sich als knallharter
Stellenvernichter. Erste Eindrücke bekamen die Beschäftigten kurz nach der
Übernahme. Neben den schon unter Middelhoff und ohne großen Widerstand durch
ver.di durchgepeitschten Kahlschlägen in Form von Tarifgehälterstopps,
Streichung von Urlaub- und Weihnachtsgeld, verkündet auch der neue Eigentümer
unentwegt Verzicht. Allerdings nur bei denen, die im Konzern alle Werte
schaffen. 700 Millionen Euro wurden so in den vergangenen zehn Jahren
eingespart.
Die
Insolvenz, die Tausende Arbeitsplätze kostete, ist für Berggrün ein lukratives
Geschäft. Aus der eigenen Tasche hat er bisher nicht einen Cent investiert. Im
Gegenteil, er profitiert von Lizenzen, die der Konzern für Markenrechte zahlen
muss. Dafür kassiert er im Jahr 3 Millionen Euro.
Ständiger
Arbeitsdruck
Das
Personal, welches die Investitionen des neuen Warenhausbosses durch Verzicht
bezahlte, wird einem ständig steigenden Arbeitsdruck ausgesetzt. Die
Arbeitsbelastung ist am obersten Limit. Immer weniger Personal muss mehr
Quadratmeter Verkaufsfläche bedienen. Ergebnis: Beratung im Stenostil, mit
Warteschleifen von Kunden in den Abteilungen, die sich letztendlich auf dem
Absatz umdrehen und woanders kaufen.
Das
wissen auch Berggruen und die Konzernspitze. Deren oberstes Ziel ist es, die
Arbeitsverdichtung nach oben zu powern, um noch höhere Profite einzustreichen.
Es geht nur darum, die Beschäftigten stärker auszubeuten. Das Management aus
der Zentrale in Essen, egal aus welcher Zeit der Konzerngeschichte, ignoriert
genau deshalb seit Jahrzehnten die ständigen Hinweise und Konzepte der Gewerkschaft
und von den Betriebsräten vor Ort.
Ver.di
appelliert und bittet bei Karstadt einzukaufen
So auch
jetzt. Für die angeschlagene Warenhauskette haben ver.di und der GBR
unmittelbar nach bekannt werden der neuen Arbeitsplatzvernichtungen Investitionen
sowie ein Zukunftskonzept verlangt. Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie
Nutzenberger appelliert an den Konzern, ein Konzept zur nachhaltigen Sicherung
der Standorte und Arbeitsplätze vorzulegen. Soll deren Inhalt nicht mit einem
weiteren Verzicht für das Personal enden, wird dazu Mobilisierung und Druck von
unten notwendig sein. Appelle helfen bekanntlich gegenüber Kapitalisten wenig.
Die unveränderte Orientierung auf Sozialpartnerschaft und die Bitte an die
Kunden, doch bei Karstadt einzukaufen, wird die Zerschlagung des Unternehmens
nicht verhindern.
Der
Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl ist da schon konsequenter. Er hält
an seiner Unternehmenspolitik fest. Im Juli kündigte er einen noch härteren
Sanierungskurs an und drohte mit Schließungen. Seine Strategie des Hinhaltens,
die Einbindung von ver.di und großen Teilen des GBR hat sich besten bewährt.
Konzernspitze
will Ruhe an der Basis
Damit
dies so bleibt, braucht Fanderl Ruhe an der Basis. Nur so können
Filialschließungen durchgesetzt werden. Bereits jetzt müssen die
Geschäftsführer nach oben melden, ob mit Widerstand beim Personal zu rechnen
ist. Offiziell sollen die Interessenvertreter der Belegschaft und ver.di am 21.
August in einer Aufsichtsratssitzung informiert werden. In Essen wird derweil
an der Formulierung der Bekanntgabe von Filialschließungen gefeilt und an
verharmlosenden Informationen für die Öffentlichkeit gestrickt.
Statt
abzuwarten sollten die Beschäftigten und die Gewerkschaft ver.di ihre bisherige
Zurückhaltung aufgeben und in Arbeitskämpfen eigene Forderungen aufstellen.
Wenn Berggruen sein Hauptziel Profitmaximierung nicht aufgibt, muss auch über
eine Vergesellschaftung von Karstadt nachgedacht werden. Statt das Unternehmen
weiterhin einem Finanzhai zur Ausplünderung zu überlassen.
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