Parteien
lenken die Klimadebatte weg von den Verursachern
Die
Parteien des Bundestags sind unter Druck. Die Schüler hören nicht auf zu
demonstrieren und an vielen Orten schließen sich Eltern und Großeltern den
Protesten an. Die Parteien fühlen sich gezwungen zu reagieren. Doch bei den
Hauptverantwortlichen des hohen CO2-Ausstoßes anzupacken, kommt nicht in Frage.
Denn es sind die Energiewirtschaft und die Automobilindustrie, deren Profite
geschmälert würden. Die Debatte wird umgelenkt: Statt wirksamer Maßnahmen gegen
den Klimawandel wird eine Verbrauchssteuer diskutiert. Mit großem Getöse wird
sie von der Berliner Politik auch noch mit Parolen verkauft, wie: „Wir haben
verstanden und tun etwas.“
Im ZDF
erklärte der FDP-Mann Lindner: „Klimaschutz ist etwas für Profis.“ Man müsse
doch auf die individuelle Mobilität der Menschen achten. „Wir glauben nicht zu
wissen, was die bestehende technische Antwort auf Zukunftsherausforderungen
sind. (…) aber wir müssen wegkommen von den planwirtschaftlichen Einzelgängen
(…) CO2 muss einen marktwirtschaftlichen Preis bekommen. (…) Jeder, der einen
Anteil haben möchte am Fliegen, Verbrennungsmotor, für Energie oder Fleisch,
der muss sich seinen Anteil kaufen.“ Der Preis sollte sich am Markt bilden. Es
dürfe keine Verzichtsgesellschaft geben. Das müsse man alles technisch lösen.
Auch die
SPD setzt auf eine CO2-Bepreisung mit nachgeschalteter „Klimaprämie“. Ziel sei
es, Menschen mit einem niedrigen CO2-Verbrauch und insbesondere Geringverdiener
zu entlasten, sagte die kommissarische Parteichefin Malu Dreyer der
„Rheinischen Post“. „Benzin und Heizöl werden teurer, dafür wird im Gegenzug
pro Kopf eine Klimaprämie ausgezahlt.“ Wer wenig CO2 verbrauche, werde „kräftig
profitieren“, sagte Dreyer. Dies betreffe insbesondere Menschen mit geringeren
Einkommen, „weil sie typischerweise weniger CO2 verbrauchen“. Eine bestechende
und zutreffende Logik: Menschen die kein Geld haben, können sich weniger
leisten und tragen deshalb in der Regel auch weniger zum CO2-Ausstoß bei. Nur
trifft eine Steigerung der Energiepreise Menschen mit geringen Einkommen
besonders hart, CO2 können sie kaum einsparen.
Die
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hatte bereits zuvor im Deutschlandradio gesagte,
ihre Partei wolle nicht „vorschnell zu einem scheinbar einfachen Mittel
greifen“. Unbestritten sei, dass die Politik den CO2-Ausstoß über die
Bepreisung reduzieren müsse. „Die Frage ist nur, was ist das beste System der
Bepreisung?“ Der Emissionshandel und die Vergabe von Zertifikaten könnten
„deutlich mehr Hebelwirkung“ erzielen als eine CO2-Steuer.
Auch
Teile der Linken fordern die CO2-Steuer. „Es ist allerhöchste Eisenbahn, dass
CO2-Ausstoß endlich ein Preisschild bekommt“, drängte der Linken-Klimaexperte
Lorenz Gösta Beutin in Berlin zum Handeln. Er warnte zugleich vor einem zu
niedrigen CO2-Preis als „Wahlkampf-Klimaschutz-Kosmetik“.
Den
höchsten CO2-Ausstoß verursacht die Energiewirtschaft (42 Prozent). Der Verkehr
liegt bei 24 Prozent, Industrie 14 Prozent und die Gebäudewirtschaft bei 8
Prozent. Die Energiewirtschaft muss gezwungen werden, ihren CO2-Anteil zu
reduzieren, zum Beispiel durch alternative Energien und verbesserte Technik.
Die Subventionen für Industrien mit hohem Energieverbrauch (Stahl, Aluminium,
Chemie) sind zu streichen, um sie zu zwingen, weniger Energie zu verpulvern. Im
Verkehr muss es darum gehen, dass eine echte Verkehrswende stattfindet. Weg von
der profitträchtigen Autoindustrie – hin zu öffentlichen Verkehrssystemen, weg
von den privaten Betreibern.
Von
Stefan Kühner
Klimaproteste, Foto: junge Welt |
Kapitalistische
Zauberformel
Stefan
Kühner über „CO2-Bepreisung“
Angebot
und Nachfrage – das ist die Zauberformel, die die Meinungsführer der
herrschenden Parteien und ihre Vordenker in der Politikberatung nahezu besoffen
zu machen scheint. Wir wollen die klimaschädigenden Emissionen reduzieren? Also
machen wir einfach alles, was CO2 ausstößt, teurer. Die Emissionen verringern
sich – „Hokuspokus“ – wie von selbst. Bei den Befürwortern der „Bepreisung“ von
CO2 hat bislang keiner einen Nachweis vorgelegt, dass dies funktioniert. Und
keines der Mainstream-Medien hat bislang die Befürworter darauf festgenagelt,
solch einen Nachweis zu führen. Selbst wenn es eine Wirkung durch die
Preisverteuerung von CO2 geben sollte, wie groß ist sie denn?
Die im
Bundestag vertretene Politik sieht sich im Schulterschluss mit Wirtschaft und
Wissenschaft. Als Wissenschaft gilt das Potsdamer Institut für Klimaforschung,
eine große Forschungseinrichtung der Regierung. Bundeskanzlerin Merkel hatte
sich Mitte Juni dort Rat der Forscher eingeholt: „(E)s war ein wirklicher
Informationsbesuch der Kanzlerin in unserem Institut. Sie hat wichtige Fragen
gestellt, es war ein intensives Gespräch.“ Thema war auch die „CO2-Bepreisung“,
kann man auf der Homepage des Instituts lesen.
Die
Wirtschaft argumentiert „wissenschaftlich“, mit ihren sogenannten
„Wirtschaftsweisen“. Rechtzeitig zur Klimaschutzdebatte des Bundeskabinetts
übergaben sie ein Gutachten. Dort plädierten sie dafür, „dass CO2-Emissionen
über alle Sektoren, d. h. nicht nur Strom, sondern zusätzlich nun auch
(Heiz-)Wärme und Treibstoffe einen Preis erhalten sollen. Ob dies technisch
über eine Steuer oder einen Emissionshandel ausgestaltet wird, ist danach eher
zweitrangig.“
Zweitrangig
ist der Wirtschaft und der von ihnen gekaufte Politik nicht nur die Form, wie
den Verbrauchern die Lasten aufgebürdet werden. Zweitrangig ist das gesamte
Thema, denn erstrangig ist der Profit. „Der BDI will eine Energie- und
Klimapolitik aus einem Guss, mit möglichst viel Markt und klaren, verlässlichen
Rahmenbedingungen anstatt immer mehr staatlicher Regulierung.“ Das vom Kapital
erfundene und tausendfach erzählte Märchen von Angebot und Nachfrage wird hier
in der Variante erzählt: Wenn der Konsument für den CO2-Anteil mehr bezahlen
muss, dann wird dieser nicht mehr nachgefragt. Dass dies klappt ist zu
bezweifeln.
Wo kann
eine normale Familie im der Mietwohnung Heizkosten „einsparen“? Um wie viele
Grillwürste soll diese Familie den Fleischkonsum senken, um eine spätere Prämie
zu erhalten? Auf wie viele Flugreisen kann die alleinerziehende Mutter mit zwei
Kinder denn verzichten, wenn sie sich ohnedies keinen Urlaub leisten kann? Die
CO2-Steuer wird den ärmsten Teil der Bevölkerung am härtesten treffen.
Wenn von
„Rückzahlung“ die Rede ist, dann wird auf eine positive Binnennachfrage
hingewiesen zum Beispiel ein „zweites Weihnachtsgeld“. Sind die dann gekauften
Geschenke etwa CO2-neutral? Und glaubt auch nur ein vernünftig denkender
Mensch, dass jemand, dem im Januar gerade kalt ist, den Thermostat
herunterregelt, um später ein paar Euro zurückzubekommen?
Manch ein
Bürger oder eine Bürgerin wird sich vielleicht sogar entscheiden, ein E-Auto zu
kaufen. Wie sieht aber die Gesamt-CO2-Bilanz aus? Die Herstellung des E-Autos
mit der CO2-intensiven Herstellung der Batterie frisst die CO2-Einsparung
wieder weg. Die Automobilindustrie wird das nicht jucken. Es ist wieder ein
Auto verkauft und Profit gemacht.
Die
SUV-Mode, der riesige Fleischverbrauch und die Vielfliegerei sind Beispiele für
Verschwendung, aber eine Reduzierung an dieser Stelle wird das Problem noch
nicht lösen. Produktionsweisen müssen auf Kosten der Profite geändert werden.
Zusätzlich muss auch der Verbrauch an anderen Umwelteinträgen reduziert werden,
zu denen Feinstaub, Stickstoffoxide (NOx), Industrie- und
Landwirtschaftsabwässern gehören. Nur dann können sich die Natur und der Mensch
wieder ein bisschen erholen.
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