Proteste gegen die Bolkestein-Richtlinie 2006 - Foto: "uz" |
EU setzt auf die Enteignung öffentlichen
Eigentums
Der
momentane EU-Wahlkampf der im Bundestag vertretenden Parteien – bis (leider) zur
Partei „Die Linke“ – ist vor allem eines: Eine verordnete Märchenstunde.
Da können
die führenden EU-Staaten zusammen mit der NATO vor 20 Jahren über 2.500
Menschen beim völkerrechtswidrigen Bombenkrieg gegen Jugoslawien getötet haben;
da kann der französische Präsident und EU-Musterknabe Macron seinem Volk die
Augen ausschießen und das Militär auf die Gelbwesten hetzen; das ist alles
nicht existent, denn: Die EU sei ein Friedensprojekt.
Da
wundert es wenig, dass die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) die
staatlich finanzierte Märchentante spielt, wenn sie auf ihrer Webseite über die
Rolle der EU für die Kommunen schreibt: „Mit dem Vertrag von Lissabon (2009)
werden die Kommunen erstmals im EU-Primärrecht erwähnt, und ihr Recht auf
Kommunale Selbstverwaltung verankert.“ Und weil das so in der Ersatz-Verfassung
der EU steht, liegt für die BpB auf der Hand: Das Recht auf kommunale
Selbstverwaltung ist Praxis der EU-Institutionen. Ein aktueller Realitätscheck
zeigt das Gegenteil.
Wie die
EU-Kommission das – auch im Grundgesetz verankerte – Recht auf kommunale
Selbstverwaltung aushebelt, zeigt die EU-Dienstleistungsrichtlinie – besser
bekannt als Bolkestein-Richtlinie von 2006. Ziel der Richtlinie ist es, die EU
als Binnenmarkt für Dienstleistungen zu deregulieren. Die
Ausbeutungsbedingungen sollen für die Kapitalseite optimiert werden, vor allem
für die stärksten Kapitalfraktionen in der EU, wie die deutsche.
Aufgrund
von Protesten wurden Bereiche wie Strom, Gas, Post, Wasserversorgung und
Abfallwirtschaft von einigen Bestimmungen der Richtlinie ausgenommen sowie
Gesundheitsdienste und soziale Dienste komplett. Aber von dem Ziel, die gesamte
öffentliche Daseinsvorsorge unter Profitzwang und Privatisierungsdruck zu
setzen, wich die EU-Kommission keinen Millimeter ab, als sie bereits 2007 in
einer Mitteilung unter dem Titel „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
unter Einschluss von Sozialdienstleistungen“ feststellte, dass „abgesehen von
den Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung öffentlicher Gewalt die
überwiegende Mehrheit der Dienstleistungen als ‚wirtschaftliche Tätigkeiten‘ im
Sinne der Binnenmarktvorschriften des EG-Vertrages zu betrachten sind“.
Damit
stellte die EU-Kommission klar: Sobald die Rauchschwaden des Protestes gegen
die Bolkestein-Richtlinie verflogen waren, setzte sie in der Praxis wieder
unbeirrt das fort, was sie und die Lobbyverbände der Konzerne wollten: die
weitere Deregulierung der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Seit 2016
plant die EU-Kommission die Dienstleistungsrichtlinie zu verschärfen, weil die
Ausführungen insbesondere den Kapital-Lobbyverbänden zu ineffizient sind, um
der Finanzoligarchie neue Kapitalinvestitionen in den äußerst lukrativen
Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge zu ermöglichen. Dabei bedeutet die
überarbeitete Richtlinie empfindliche Eingriffe in die kommunale
Selbstverwaltung. So sieht der Plan der EU-Kommission in Anlehnung an den
Vorschlag des Kapitalverbandes „Business Europe“ vor, dass Gemeinde- und
Stadträte Beschlüsse, die die Dienstleistungsrichtlinie berühren, drei Monate
zuvor bei der EU-Kommission zur Prüfung einreichen müssen.
Wenn die
Kommission gegen Gesetzesvorhaben und Beschlüsse der kommunalen Parlamente
Widerspruch einlegt, diese aber an ihren Vorhaben festhalten, kann die
EU-Kommission die Bundesregierung auffordern, diese Beschlüsse der Gemeinde-
und Stadträte aufzuheben. Das kann in der Realität dann zum Beispiel so
aussehen: Angesichts der Wohnungsnot in deutschen Metropolen könnten kommunale
Gesetze gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum aufgehoben werden, wenn die
EU-Kommission der Meinung ist, dass sie unter den Geltungsbereich der
Bolkestein-Richtlinie fallen.
Bei
diesem Angriff gegen die kommunale Selbstverwaltung auf das Europäische
Parlament zu hoffen ist unangebracht, denn ihr Binnenmarktausschuss hat den
Plan der EU-Kommission begrüßt. Das Parlament schlägt im Gegenteil sogar vor,
Unternehmen bei der Prüfung von Beschlüssen kommunaler Parlamente einzubeziehen
– also das Mitspracherecht der Kapitalseite in der EU-Kommission zu
institutionalisieren.
Die
Aushebelung der kommunalen Selbstverwaltung durch die Verschärfung der
Bolkestein-Richtlinie kommt nicht ohne Zufall in einer Zeit, in der
gleichzeitig durch die Militärkooperation „Pesco“ – mit seiner Verpflichtung
zur kontinuierlichen Aufrüstung für die beteiligten EU-Staaten – alles daran
gesetzt wird, die Ausbeutungsbedingungen für die führenden Monopolbourgeoisien
in der EU zu optimieren.
Dass die
deutsche Monopolbourgeoisie die EU dabei als Waffe nutzt, um ihre Interessen
gegen die Lohnabhängigen auch auf kommunaler Ebene im eigenen Land
durchzusetzen, unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit, den Kampf gegen
diese Klassenkampfoffensive von oben – über die Bande „EU“ gespielt –
hierzulande aufzunehmen. Das schließt auch ein, die Forderungen nach einer
„sozialen EU“ dahin zu schicken, wo sie hingehört: ins Land der Märchen – und
die EU auf die Müllhalde (in Volkseigentum) der Geschichte.
Am 26. Mai gegen den Privatisierungswahn
stimmen –
DKP wählen!
Von Männe
Grüß
Aus „unsere zeit (UZ) –Zeitung der DKP“ vom 10. Mai 2019
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