Montag, 21. September 2015

Vor 70 Jahren: Das Potsdamer Abkommen

Die Chance auf einen Neuanfang ohne deutschen Militarismus und Imperialismus

Zieht man eine Bilanz des 70. Jahrestages der Befreiung und des Potsdamer Abkommens in der BRD, so kommt man nicht umhin, festzustellen: es ging um eine Minimalisierung und um eine reaktionäre Umdeutung der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und der Potsdamer Konferenz im Sinne der Politik der Westmächte nach dem 2. Weltkrieg und später auch der Regierung der BRD.

Bekanntlich unterschied sich die Potsdamer Konferenz dank der Autorität der Sowjetunion, dem Einfluss der demokratischen Öffentlichkeit in Europa und darüber hinaus und der gemeinsamen Sicherheitsinteressen der Alliierten grundsätzlich von anderen Konferenzen, die nur einen imperialistischen Frieden stifteten und die Keime künftiger Kriege in sich trugen.

Die Potsdamer Vereinbarungen waren auf die Verwirklichung der demokratischen Prinzipien der Antihitlerkoalition in der Nachkriegsentwicklung Deutschlands und auf die Fortführung der internationalen Zusammenarbeit im Sinne der Gestaltung und Festigung von Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit der Völker gerichtet. Die Stimmen, die diese Richtung hervorhoben, blieben leider in der Minderheit. Dominierend in den Medien war die Absicht, den 70. Jahrestag beider Ereignisse zu nutzen, um mit der Umdeutung, der Fälschung der historischen Wahrheit eine Politik zu rechtfertigen, die von Anfang an auf die Erhaltung der Monopole, auf revanchistische Ziele und auf Militarisierung ausgerichtet und von Antikommunismus nach innen und nach außen geprägt war. Das bedeutet, eine antisowjetische, jetzt antirussische Auslegung der Dokumente und Handlungen. Es ging weniger darum, die Chancen herauszuarbeiten, die mit den Vereinbarungen verbunden waren, die Lehren aus ihrer Verwirklichung auf der einen Seite und ihrer Nichtverwirklichung auf der anderen Seite zu ziehen, um Demokratie und Frieden zu gewährleisten.

Der Bruch des Potsdamer Abkommens begann eigentlich schon bevor die Konferenz begonnen (17. Juli 1945) hatte. Am 16. Juli 1945 wurde in den USA der Versuch mit der ersten Atombombe durchgeführt. Damit sollte ein erpresserischer Druck auf die UdSSR, die demokratischen Kräfte in der Welt und auf den Verlauf der Konferenz ausgeübt werden. Nur einige Tage nach Beendigung der Konferenz, am 6. und 9. August 1945, verwüsteten amerikanische Atombomben die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki.

In der Außenpolitik der USA wurde der Übergang von der Rooseveltschen Politik der Zusammenarbeit in der Antihitlerkoalition zur Politik des Rollback und der Atomdiplomatie vollzogen. Truman, der das Potsdamer Dokument mit unterzeichnet hat, erklärte kurz danach, dass „der Sieg dem amerikanischen Volk die ständige Verantwortung für die Führung in der Welt übertragen hat“ (Public Papers of the President of the United States, Washington 1961, S. 549). Und dazu brauchte man das deutsche Kapital und seine politischen und militärischen Erfahrungen und Potenziale.

Albtraum für den deutschen Imperialismus

In diesem Sinne und zu diesem Zweck wurden, entgegen den Vereinbarungen von Potsdam, in den westlichen Besatzungszonen auch die Monopole und die dazu gehörigen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse erhalten, erfolgte die Gründung der BRD im Jahre 1949. Auf westdeutscher Seite wollte man lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb (Adenauer). Man traf sich auch mit den Interessen der USA. Kürzlich stellte George Friedman fest: „Also das urzeitliche, urweltliche Interesse der Vereinigten Staaten, wofür sie seit Jahrhunderten die Kriege führten – erster und zweiter Weltkrieg und kalter Krieg – .waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Weil vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann, und unser Interesse war es, sicherzustellen, dass das nicht geschieht“.

Im Interesse der imperialistischen Ziele und Politik wurden durch die Westmächte im Verbund mit den Vertretern des deutschen Monopolkapitals auch die Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens gebrochen, die besagen: „Der deutsche Militarismus und Nazismus werden ausgerottet, und die Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Einhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann“.

Im Gegensatz dazu wurden in den westlichen Besatzungszonen nicht nur die materiellen Grundlagen der Restauration der Macht des Kapitals durch das aktive Zutun der Besatzungsmächte bewusst erhalten. Auch das Verbot der Rüstungsproduktion wurde erst durchlöchert und ist dann verschwunden.
Die Entmilitarisierung, wie sie im Potsdamer Abkommen und auch noch im Grundgesetz von 1949 stand, wurde in ihr Gegenteil gedreht. Das reicht vom Aufbau der Bundeswehr, der Wiederbewaffnung, dem Verbot der KPD bis zur Einbeziehung der BRD in die NATO, was dazu führte, dass entsprechende Vorgaben 1956 aus dem Grundgesetz gestrichen wurden.

Der deutsche Militäreinsatz zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele wurde wieder zulässig und die Bedingungen seiner Praktizierung wurden und werden schrittweise von Restriktionen befreit. Heute zählt die BRD in der NATO und in der EU zu den führenden Staaten. Sie ist wieder Großmacht – auch militärische! Es wurde die „Enttabuisierung des Militärischen“ (Gerhard Schröder) vollzogen. Deutschland hat wieder „eine Armee im Einsatz“. Das in Ausarbeitung befindliche Weißbuch der Bundeswehr soll die Strategie weiter entwickeln und die Bevölkerung überzeugen, dass und wie Deutschland international mehr „Verantwortung“ übernehmen und künftig seinem wirtschaftlichen und politischen „Gewicht entsprechend handeln“ (Gauck) wird.

Das Potsdamer Abkommen bot die Chance, einen Neuanfang ohne deutschen Militarismus und Imperialismus einzuleiten. Die DDR war deshalb stets Verfechter seiner Prinzipien. Für Adenauer und für die Kräfte, die ihn unterstützt und politisch getragen haben, war er ein „Albtraum“, weil es die Erreichung dieser Ziele in Frage stellte.

Souveränität des deutschen Volkes auf antifaschistischer und antimonopolistischer Grundlage

Höhepunkte in der Entwicklung des Kampfes um die Verwirklichung der Verpflichtungen des Potsdamer Abkommens auf der einen Seite und um die Verhinderung demokratischer Prozesse auf der anderen Seite waren auch zwei Volksentscheide – der eine in Sachsen, der andere in Hessen. In Sachsen fand er am 30. Juni 1946 statt und 72,2 Prozent der Wähler stimmten für die Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher. In Hessen (1.Dezember 1946) stimmten 72 Prozent der gültigen Stimmen für den Paragraphen 41 der neuen Verfassung, der die Überführung der Bergbaubetriebe (Kohle, Kali, Erze), der Betriebe der Eisen- und Stahlproduktion, der Energieerzeugung und des an Schienen oder Oberleitungen gebundenen Verkehrswesens in Gemeineigentum vorsah. Auch die Staatsaufsicht für Großbanken und Versicherungsunternehmen war vorgesehen. Das Volk in Sachsen und in Hessen entschied, in Ost und West, dass es sich hinter das Potsdamer Abkommen stellen wollte. Die Grundlage bestand im Streben nach Einheit der Arbeiterklasse, nach gemeinsamer Arbeit aller Antifaschisten! 

Im Osten wurde es durch die Besatzungsmacht Sowjetunion unterstützt, die auf der Seite des Fortschritts stand. Im Westen waren es die kapitalistischen Besatzungsmächte, die auf Seiten der wiederbelebten einheimischen Reaktion standen. Ihr Vertreter, der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay, hat – nachdem das Volk den Maßnahmen zugestimmt hatte – seine Zustimmung zu Artikel und Verfassung verweigert. Er hat sich gegen den demokratisch bekundeten Willen des Volkes gestellt! So kam es zur Gründung der BRD und dazu, dass die Namen Krupp und Siemens und viele andere auf den ererbten Sesseln der Macht standen und stehen. In ihrem Auftrag legten Adenauer und seine Nachfolger die Grundlagen für eine Innen- und Außenpolitik, die die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens zunächst umging und später korrigierte. Und das soll heute als „demokratische Entwicklung“ verstanden werden.

Anton Latzo

Keine Kommentare: