Montag, 28. Januar 2013

Nazis fallen nicht vom Himmel


- Oder: Warum Antifaschismus mehr benötigt als nur „Gegen Nazis“ zu sein


Fotomontage: John Heartfield, 1932
Auch in diesem Jahr werden sich hier in Lübeck, in Dresden, Dortmund und anderswo wieder tausende Menschen dem braunen Mopp entgegenstellen. Demonstrationen, Blockaden und Freundschaftsfeste unter dem Motto „Bunt statt Braun“ werden durchgeführt werden.

Wie in Lübeck unter dem Motto „Wir können sie stoppen!“, so werden sich breite Bündnisse von Kirchen, Gewerkschaften, Initiativen, Parteien und BürgerInnen formieren um dem Spuk der Naziaufmärsche Paroli zu bieten. 

Das ist gut und wichtig, denn es zeigt den Verblendeten, dass sie mit ihrer Hetze und Menschenverachtung immer und überall auf Widerstand stoßen!

Diese Form des Widerstandes versperrt ihnen den Weg und bekämpft so das Symptom des alltäglichen Faschismus. 

Doch so wichtig es unbestritten ist, den Faschisten keinen Fußbreit Raum zu lassen, so bekämpft dies doch nicht die Ursachen… 
Es verhindert kein faschistisches Denken, weil es die Wurzeln faschistischen Denkens nicht angreift!

Wie Eingangs bereits beschrieben fallen Nazis nicht vom Himmel: Die Verblendung, die Ideologie des Hasses, wächst auf fruchtbarem Boden, welcher Folge einer Machtkonstellation ist, die dem Profit – den Interessen des Kapitals – Vorrang vor allem Anderen gewährt.
Zwar waren weder Hitler noch Goebbels Konzernlenker, noch sind die heute aktiven Ewiggestrigen direkt von der Finanzelite beauftragt, aber ihre wirre Gedankenwelt ist dennoch ein konsequentes Ergebnis der Herrschaftsstruktur des Kapitalismus.

J. Heartfield, "Der alte Wahlspruch im neuen Reich - Blut und Eisen"
Gerade in Zeiten von Krisen und deren Auswirkungen wie aktuell nach der großen Banken- und Finanzkrise wenn Menschen um ihre Existenz kämpfen müssen, soziale Netze zusammengekürzt werden um Banken, und mit ihnen ganze Staaten, zu stützen, ist es im Interesse der Herrschenden der Finanzwelt die wahren Zusammenhänge zu verschleiern.
Was könnte dazu besser geeignet sein, als existierende Vorurteile zu bestärken, welche zumeist nationalistisch geprägt sind. 

Wir kennen dies Alle aus eigenem Erleben: „Die polnischen Niedriglohnarbeiter am Bau (wahlweise auch: „Der europäische Binnenmarkt…“) bedrohen deutsche Arbeitsplätze“; „Die neue „Asylantenflut“ zerstört unser soziales Netz“; oder „Die faulen Griechen, die alle keine Steuern zahlen, ruinieren durch unsere Unterstützungszahlungen unseren Staatshaushalt – da bleibt halt kein Geld für unsere sozialen Leistungen übrig - wir brauchen daher eine Schuldenbremse“. 
Es gibt unglaublich viele weitere Beispiele und sicher haben sie gerade in der jüngsten Vergangenheit einige von diesen (wieder) gehört oder gelesen. Oder?

Diese und andere Vorurteile sind bei Weitem noch kein faschistisches Gedankengut! 

Im Gegenteil, sie sind erschreckend weit verbreitet in unserer Gesellschaft und werden von vielen Wirtschaftsgrößen, Politikern und Medien auch gern gestreut um die reale Situation zu erklären.
Warum? Weil sie stimmen? 

Hat der polnische Bauarbeiter in seinem Heimatland genügend Arbeit und ein Auskommen um damit seine Familie zu ernähren? 

Kommen Asylbewerber nur um hier schön zu leben, oder gibt es etwa Krieg, Naturkatastrophen, Hunger und Armut auf der Welt, die die Menschen zwingen sich eine neue Heimat zu suchen? 

Was sind die Ursachen? Wer profitiert davon?

Stützen unsere Zahlungen an Griechenland und andere Länder wirklich marode Staatshaushalte, die von diesen Menschen kaputt gewirtschaftet wurden? 
Oder stützen sie nicht doch Haushalte, die durch Zahlungen an Banken ins Trudeln gerieten? Werden damit nicht vielmehr ausstehende Zahlungen an deutsche Konzerne und Banken beglichen?

Diese Fragen sollen gar nicht erst laut gestellt werden, daher ist ein gewisses Maß an Vorurteilen durchaus hilfreich für unsere „Eliten“ und somit gewollt.

Der vorurteilsgetränkte Boden, auf dem faschistisches Gedankengut gedeihen kann, ist somit bereitet. 

Sicherlich ist es zurzeit in Deutschland offiziell nicht gewollt, dass dieses Gedankengut darauf wächst, denn wir haben ja „stabile Verhältnisse“ keine nennenswerten Kräfte hinterfragen die Wurzeln der genannten Probleme und unsere Wirtschaft profitiert auch vom „offenen Welthandel“. Wenn sie sich ihn auch da und dort auf der Welt "aus humanitären Gründen" freibomben lassen muss... 
(Diese heutige Realität belegt im Übrigen auch, warum die Forderung "Nie wieder Faschismus!" untrennbar verbunden ist mit der Forderung "Nie wieder Krieg!")

Aber es gab in der deutschen Geschichte auch andere Phasen: Die Weimarer Republik zum Beispiel. 
Damals gab es eine starke marxistische Arbeiterbewegung, welche die Zusammenhänge von Profit, Hunger, Krieg und Armut thematisierte und mehr und mehr an Einfluss gewann. 
Anfangs konnte man diese nach dem uralten Prinzip „Teile und Herrsche“ noch in Sozialdemokraten und Kommunisten spalten, doch als die große Krise der Zusammenbruch der Wirtschaftsmärkte nach dem „schwarzen Freitag“ an der New Yorker Börse 1929 ausbrach und immer mehr Menschen laut Fragen und Forderungen zu stellen begannen, da waren die Faschisten auf einmal hilfreich.

J. Heartfield, „Krieg und Leichen - die letzte Hoffnung der Reichen“,1932
Die kleine Hitlerpartei wuchs in der Weimarer Republik nicht aufgrund ihrer besseren Argumente, sondern vielmehr, weil sie von Anfang an von wichtigen Teilen der Wirtschaft finanziell unterstützt und somit direkt oder indirekt aufgebaut wurde. 

Große Namen der deutschen Wirtschaft wie Thyssen, Krupp und andere spielten dabei eine wichtige Rolle:  Als die Nazi-Partei zum Beispiel 1932, aufgrund von vier großen Wahlen (Reichspräsident, preußischer Landtag, zweimal Reichstagswahl), kurz vor dem finanziellen Zusammenbruch stand, waren es Millionenzahlungen der deutschen Industrie- und Bankenkreise, die ihr Fortbestehen und damit die kommende Diktatur ermöglichten. Die Rede Adolf Hitlers im Januar 1932 vor dem Düsseldorfer Industrieclub, ermöglicht durch Fritz Thyssen persönlich, ebnete den finalen Weg.

Da neben dem Rassenhass der Antikommunismus einer der wichtigsten Pfeiler der faschistischen Ideologie war und bis Heute ist zahlten die Faschisten, als sie die Macht sicher hatten, diese Unterstützung dankbar zurück: 
Umgehend nach Übertrag der Macht an sie wurden alle Arbeiterorganisationen verboten. Die Verhaftung und Ermordung vieler ihrer Mitglieder, das Verbot von Streiks, die Aufhebung aller erkämpften Arbeitnehmerrechte – dies alles ermöglichte den Herren des deutschen Kapitals, eine noch skrupellosere Ausbeutung ihrer Beschäftigten. 
Billige Arbeitssklaven aus den Konzentrationslagern und seitens der Kriegsgefangenen, Rohstofferbeutung und neue Wirtschaftsräume – aus den im Krieg eroberten Gebieten – ließen das deutsche Finanzkapital bis zum Ende treu an der Seite der Faschisten stehen.
Erst der Zusammenbruch infolge des zweiten Weltkrieges löste zwangsweise diese perfekte Zusammenarbeit!

Ist dies Heute alles undenkbar? Oder bedienen sich die Herrschenden nicht doch auch heute wieder faschistischer Kräfte um ihre Macht zu sichern?
Mussolinis faschistische Partei, welche nach dem Zusammenbruch des italienischen Faschismus bezeichnender Weise nicht verboten wurde, war unter neuem Namen und unter der Führung seiner Enkelin bis zum Schluss eine wichtige Stütze der Berlusconi Regierung im Italien der Gegenwart! 
In Ursprungsland der „freiheitlichen Erneuerung“ von 1989/90, in Ungarn, regiert zurzeit eine sich mehr oder weniger offen bekennende faschistische Partei und hat als EU-Mitglied – trotz einiger leiser Proteste – wichtige Elemente demokratischer Kontrolle als erste Amtshandlung aus der Verfassung getilgt.
In nahezu ganz Europa sind faschistische Parteien wieder auf dem Vormarsch und sie werden wieder nahezu unverschleiert von gewichtigen Kreisen des Kapitals finanziert. Warum?

John Heartfield, "Durch Licht zur Nacht", 1933
Und in Deutschland? In diesem unserem Land, dessen wichtigste Machtstrukturen (Geheimdienste, Bundeswehr, Polizei, Gerichtsbarkeit, etc.) nahezu unverblümt von ehemaligen Wehrmachts- und Naziparteiverantwortlichen aufgebaut wurden, treibt jahrelang eine faschistische Mörderbande, NSU genannt, unbehelligt ihr Unwesen, und es wird heftig gegen ein Verbot der NPD debattiert. 

Letzteres auch noch mit der abstrusen Begründung, dass der Erfolg eines Verbotsantrages nicht sicher sei, da man vom höchsten deutsche Gericht bescheinigt bekam, dass man in den Führungsebenen der Nazipartei nicht mehr zwischen Faschisten und Geheimdienstlern zu unterscheiden vermag…

In unseren Medien wird der Hitlerfaschismus beständig verharmlost, indem man eine fundamentale Säule seines Wesens, den Antikommunismus – die Verbote der Arbeiterorganisationen (KPD, SPD und Gewerkschaften) sowie die Verfolgung und Ermordung vieler ihrer Mitglieder in den KZs – einfach nicht mehr erwähnt.

Hitler fiel scheinbar vom Himmel. Er machte sich des Holocaust an den Juden und des zweiten Weltkriegs schuldig. 

War sonst noch was?

Warum wird gerade der Teil der Verbrechen der Faschisten totgeschwiegen, der an kapitalismuskritischen Kräften erfolgte? 

War die Ermordung von Andersdenkenden, von Kräften welche die Herrschaft des Kapitals in Frage stellten, etwa kein Verbrechen?
Richtig ist, dass der Hitlerfaschismus diese Kräfte zuallererst bekämpfte und mit größtem Hass verfolgte!

Faschistische Ideologie verneint die Zusammenhänge von Wirtschaftsinteressen und Armut und Kriegen in der Welt, sie ersetzt diese durch Rassenhass.
Nicht Ausbeutung und Profitinteressen sind demnach Schuld an den Problemen der Menschen, sondern andersartige und andersdenkende Menschen. 

Wer profitiert von einer solchen Lehre? 

Wen greift sie an und wen nicht?

Genauso wie die Probleme, die der Kapitalismus schafft, international sind und niemals nur national wirken, genauso wenig kann es jemals einen „nationalen Sozialismus“ geben. 

Die Ideologie die sich dahinter verbirgt soll Menschen nur verwirren und in die falsche Richtung lenken. Ihr wahrer Name ist Faschismus.

Wer faschistisches Gedankengut wirklich bekämpfen will, der muss daher zwingend die Zusammenhänge vom ungebremsten Profitstreben des internationalen Finanzkapitals und der realen Situation in unserem Land und der Welt benennen und bekämpfen.

Antifaschistische Aktion - Her zu uns!
Nur wenn die Menschen diese Zusammenhänge wieder erkennen, werden Faschisten keinen Nährboden mehr für ihre Hetze finden.

Unsere Probleme sind zwar noch nicht so extrem wie die der Griechen, Portugiesen oder anderer europäischer Völker – und bei weitem nicht wie die der Völker der sogenannten dritten Welt – aber die Ursachen für Armut, Hunger und Kriege sind international und haben ihre Wurzeln immer im Machtstreben des Kapitals.

Es reicht daher nicht, nur „gegen Nazis“ zu sein, sondern um die Wurzeln ihres Gedankengutes wirklich zu bekämpfen um ihnen den Boden, also die Zuhöhrer, für ihre Lügen zu entziehen müssen Antifaschisten in unserem Land internationale Solidarität organisieren und gegen alte und neue Faschisten genauso kämpfen wie gegen die Herrschaft des Kapitals!

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