Samstag, 28. Januar 2017

Keine Ahnung von nix

Foto: junge Welt
Wirtschaftsminister kann jeder. Außenamt auch. Und Kanzler sowieso

Minister sein ist kein Job, sondern Berufung. Anders sind die neuesten Nachrichten von der politischen Karrierefront kaum zu deutet. 

Während bei der CDU Friedhofsruhe herrscht und allenfalls die Frage interessiert, wann die Chefin ihren Zögling Pofalla zum Bahn-Chef aufsteigen lässt, rappelt es in der SPD-Kiste. 

Gabriel entdeckte im fortgeschrittenen Alter seine Begeisterung für Foreign Affairs. Umgehend wird Frau Zypries aus der Reserve (als parlamentarische Staatssekretärin) geholt, die Gabriels Job ad hoc übernehmen soll. Ist doch nur die blöde Wirtschaft, nichts, was die Leute interessiert, scheint man im Willy-Brandt-Palast zu glauben. Und dann reden die dort auch noch ständig über einen neuen »Kanzlerkandidaten«. Also, Schwamm drüber.

Dennoch, die gutgläubigen Bürger könnten jetzt fragen, was soll das? Haben die nichts Besseres zu tun? Oder lediglich: Häh? Vermutlich zucken sie dann mit den Schultern. Man weiß aus Erfahrung, was die da oben so veranstalten. Unsicherheit herrscht allenfalls hinsichtlich der Befähigung des Kaders, jeglicher Spitzenberufung gerecht werden zu können.

Seit das wichtigste Boulevardblatt der BRD einst fragte, ob eine bestimmte Person »Kanzler kann«, darf man das sicher auch tun, wenn es nur um einfache Minister geht. Also, kann Zypries Wirtschaft, Gabriel Außenamt, Dingsda sogar Regierungschef?

Selbstverständlich! Immerhin hat die kommende Chefvolkswirtin bereits dem Bundesjustizressort vorgesessen (wobei gerade das aus aktueller Sicht kaum ein Qualifikationsmerkmal sein dürfte). Sie hat das gelernt, was zur Führung befähigt: Juristerei. Nichts anderes braucht man, um im Politik- und Verwaltungsdschungel überleben zu können, Herrschaftswissen. Gabriel, der sich zuvor schon mal als Ministerpräsident in Niedersachsen und Umweltminister im ersten Merkel-Kabinett versucht hatte, scheint eine Art Lehrer mit zwei Staatsexamen zu sein. Das ist zweifellos ebenfalls eine universelle Ausbildung um alles werden zu können, wenn auch im Ranking etwas unterhalb der Juristerei angesiedelt. 

Und seien wir doch ehrlich, im Wirtschaftsressort muss man vor allem eine gute Figur machen und auf die Lobbyisten hören, dann läuft es – oder wie es einer der inzwischen verblichenen Vorgänger Gabriels einmal sagte: »Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt.« Jawohl. Es sei denn, es ist dringend erforderlich, Banken zu retten, Antidumpingzölle gegen China zu initiieren oder Fusionen zu befördern, die die eigenen »Wettbewerbshüter« untersagt haben. Das aber kann jede und jeder. Also ran, Brigitte.

Bei der Außenpolitik ist es noch viel einfacher, Befehle zu geben. Wer dort das Kommando hat, muss derzeit regelmäßig dem Trump verbal eine aufs Maul geben, den Putin vor allerlei Eroberungsphantasien warnen und die »Einheit Europas« beschwören. Auch wenn letzteres nur Wunschdenken ist, reicht das als Qualifikation. Zudem hält sich ja hartnäckig das Gerücht, im »AA« seien die klügsten Köpfe der deutschen Ministerialbürokratie zu Hause. Fazit: Gabriel kann auch das schaffen, selbst ohne sein angeborenes diplomatisches Geschick. Zumindest die paar Monate bis zur Bundestagswahl.

Von Dieter Schubert
aus „junge Welt“ vom 27.01.2017

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